zum Hauptinhalt
Ärzte in Berlin sind frustriert über die chaotischen Zustände beim Impfstart. Es gibt Berichte über weggeworfenen Dosen.
© imago/Cavan Images

Zu wenig Dosen und ein leeres Impfzentrum in Berlin: „Ein Schlag ins Gesicht für die, die dringend eine Impfung brauchen“

Das Massenimpfen in Berlin startet schleppend - ärgerlich, sagen Ärzte, die sich für Einsätze meldeten. Dem DRK zufolge werden die Impfzentren nun aufgerüstet.

Zu wenige Ampullen, ein leeres Impfzentrum und ratlose Freiwillige - das angekündigte Massenimpfen hatte in Berlin einen arg holprigen Start. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci sieht die Schuld beim Bund. Am Freitag kritisierte die SPD-Politikerin, dass nach wie vor unklar sei, wann weitere Lieferungen des Sars-Cov-2-Impfstoffs kommen.

„Ich erwarte jetzt von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Aufklärung und endlich eine verlässlich und belastbare Auflistung des Impfstoffes, der da kommen soll“, sagte Kalayci der Deutschen Presse-Agentur. „Wir wissen ja noch nicht einmal, ob die jetzt für den 8. Januar angekündigte Lieferung zusätzlich oder nur vorgezogen ist. Und jetzt weiß die Firma Biontech offenbar auch nicht, was sie leisten, was sie liefern kann. So können wir die Priorisierung, die der Bund uns vorgegeben hat, nicht umsetzen.“

Der Impfstoff der deutschen Firma Biontech und ihres amerikanischen Partners Pfizer wurde vor Weihnachten in der Europäischen Union zugelassen, seitdem streiten Bund und Länder über Lieferungen gestritten. In Berlin sind deshalb Ärzte, Sanitäter, Logistik-Helfer wütend, die sich alle für Einsätze in den Impfzentren gemeldet hatten. 

Die Erwartungen, die im Herbst geweckt worden sind, wonach ab Mitte, spätestens Ende Dezember das Massenimpfen startet, wurden offenbar enttäuscht. Auch beim Tagesspiegel meldeten sich zahlreiche Mediziner.

Entfallende Impfschichten und weggeworfene Impfdosen?

Eigentlich wollte Claudia-Isabella Wildfeuer in diesen Tagen schon längst Berliner gegen das Coronavirus geimpft haben. Doch die Praxisärztin aus Wilmersdorf wird nun nicht gebraucht. Wildfeuer hatte sich nach den öffentlichen Aufrufen im Dezember für vier Impfdienste in der Arena Treptow gemeldet.

In der zum Impfzentrum umgebauten Veranstaltungshalle aber konnte Wildfeuer nicht helfen: Es kamen schlicht zu wenige Patienten, nun ist die Arena bis zum 4. Januar ganz geschlossen. Und das alles, bemängeln Mediziner, obwohl die für ambulante Versorgung zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) doch um Freiwillige bat.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können. ]

Als Wildfeuer am letzten Betriebstag, den 30. Dezember, dennoch zur Arena fuhr, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen, habe sie vor allem eines wahrgenommen: Leere. „Gegen 13 Uhr habe ich kaum jemanden gesehen, der in der Arena geimpft wurde.“ 

Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der Bundeswehr und Helfer warten im Impfstoffzentrum Arena Treptow auf den Beginn der Impfungen gegen das Coronavirus.
Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der Bundeswehr und Helfer warten im Impfstoffzentrum Arena Treptow auf den Beginn der Impfungen gegen das Coronavirus.
© Markus Schreiber/AP/Pool/dpa

Andere Ärzte vor Ort hätten berichtet, dass Impfdosen weggeworfen worden seien, weil sie schon auf Raumtemperatur aufgetaut wurden, dann aber keine Patienten kamen. Diesen Vorwurf weisen die Organisatoren zurück: Über jede Charge werde Buch geführt. 

Wildfeuer kritisiert, dass die Einladungen der betroffenen Gruppen zur Impfung von der Senatsgesundheitsverwaltung schlecht organisiert waren. Dass die Impf-Infrastruktur nun nicht genutzt würde, sei ein „Schlag ins Gesicht für die, die dringend eine Impfung brauchen“.

Berliner Impfzentren: Nachbessern übers Wochenende

Die Arena ist als erstes von sechs Berliner Impfzentren am 27. Dezember eröffnet worden, bis zur vorübergehenden Schließung sind dort vor allem Pflegekräfte aus Seniorenheimen geimpft worden. Teams aus Ärzten, Bundeswehr-Soldaten und Helfern haben seit jenem Dezember-Sonntag zudem Heime besucht, um die hochbetagten Bewohner zu impfen. Das, berichten Kenner der Abläufe, laufe besser als erwartet.

Bald soll es nun auch in den Zentren klappen. In der Arena werden am Montag wohl schon wieder bis zu 600 Hochbetagte sowie Pflegekräfte erwartet. Das erfuhr der Tagesspiegel von beteiligten Ärzten. Über das Wochenende bessern Arbeiter vor Ort nach, so sollen für die Pharmazeuten, die in der Arena die Impfspritzen aufziehen, mehr Kabinen errichtet werden.

Mario Czaja, Präsident des Landesverbandes des Roten Kreuz Berlin.
Mario Czaja, Präsident des Landesverbandes des Roten Kreuz Berlin.
© Paul Zinken/dpa

Mario Czaja, der als Landeschef des vom Senat beauftragten Deutschen Roten Kreuzes (DRK) den Ablauf in Berlins sechs Impfzentren organisiert, sagte: „Wenn der Bund ankündigt, neue Impfdosen zu liefen, brauchen wir 24 Stunden, dann können in Berlin tatsächlich 20.000 Menschen pro Tag geimpft werden.“ Neben den von der KV mobilisierten Ärzten sowie den über die Konzerne Bayer und Berlin Chemie beauftragten Pharmazeuten hat das DRK für mögliche Einsätze in den sechs Impfzentren mehr als 500 Ehrenamtliche registriert.

Berlin hatte nach Senatsangaben bis Ende vergangenen Jahres circa 60.000 Impfdosen erhalten. Die reichen für 30.000 Impflinge, weil jeder von ihnen nach drei Wochen eine zweite Dosis erhält. Dem Robert-Koch-Institut zufolge sind in Berlin seit Impfstart vergangenen Sonntag mehr als 11.100 Menschen gegen das Coronavirus geimpft worden - auf die Bevölkerung gerechnet ist das mehr als im Bundeschnitt.

Bei einem Großteil der Geimpften handelt es sich um Bewohner von Heimen: Dort bekamen mehr als 8000 Menschen den Impfstoff gespritzt. Zudem wurden circa 3000 Menschen aus beruflichen Gründen geimpft, meist Ärzte und Pflegekräfte. Die restlichen Impfungen hatten einen „medizinischen Anlass“, womit Vorerkrankungen gemeint sein dürften.

Zur Startseite