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Hinter Stacheldraht: das zweiteilige Zelt für den Berliner AfD-Parteitag in Biesdorf.
© Ingo Salmen

Berliner AfD trifft sich auf Biesdorfer Wiese: Ein Parteitag im „Festzelt“ hinter Zaun und Stacheldraht

Auf ihrem Parteitag am Wochenende wählt die AfD ihre Kandidaten für die Berlin-Wahl. Um das Veranstaltungszelt wird es mehrere Demonstrationen geben.

Rund um die Wiese in Biesdorf stehen mannshohe Bauzäune, bespannt mit schwarzer Folie als Sichtschutz, auf der Spitze drei Reihen Stacheldraht. An der Zufahrt zur Brache sind Grußbotschaften in bunter Kreide auf den Asphalt der Haltoner Straße geschrieben, die jedoch keine freundlichen sind. „Kein Platz für die AfD“ steht dort. Das „K“ hat jemand versucht zu entfernen.

Auf der Wiese ist in den vergangenen Tagen ein zweiteiliges „Festzelt“ errichtet worden. Die Berliner AfD, von chronischer Raumnot geplagt, will darin an den kommenden beiden Wochenenden, 5. und 6. sowie 12. und 13. Juni, ihren Landesparteitag abhalten und die Kandidierenden für Abgeordnetenhaus und den Bundestag aufstellen.

Rechtzeitig vor dem Parteitag hat die AfD einen drohenden Machtkampf auf offener Bühne offenbar abgewendet. Nach Tagesspiegel-Informationen gilt es als sehr wahrscheinlich, dass Landeschefin Kristin Brinker die Partei als Spitzenkandidatin in die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus führen wird.

Wie berichtet, will die jüngst zur Landesvorsitzenden gewählte Brinker als Spitzenkandidatin antreten. "Ich kandidiere für Listenplatz eins", hatte Brinker dem Tagesspiegel am Donnerstagabend gesagt. Der Landeschefin wurden bereits länger Ambitionen auf die Position nachgesagt. Brinker hat dies bislang nicht dementiert, sich jedoch auch nicht eindeutig dazu geäußert.

Auch der Berliner Fraktionsvorsitzende der AfD Georg Pazderski hatte zuletzt erklärt, erneut Spitzenkandidat werden zu wollen. Zu einem offenen Konflikt um den Spitzenposten wird es auf dem Parteitag am Wochenende voraussichtlich jedoch nicht kommen.

Die Zufahrt zum Gelände des Parteitags an der Haltoner Straße - mit unfreundlichem Gruß.
Die Zufahrt zum Gelände des Parteitags an der Haltoner Straße - mit unfreundlichem Gruß.
© Ingo Salmen

Nach Tagesspiegel-Informationen will sich der parteiinterne Gegenspieler von Brinker nun doch nicht für die Spitzenkandidatur seiner Partei im Land bewerben. Pazderski will stattdessen für den Bundestag kandidieren, heißt es aus Parteikreisen. Mit dieser Konstellation würde die Partei auch einen Konflikt zwischen den zerstrittenen Führungspersönlichkeiten Brinker und Pazderski in der künftigen Berliner Fraktion umgehen.

Parteiflügel einigen sich auf Vorschlagsliste

Um eine Kampfkandidatur um den Spitzenplatz und die weiteren Listenplätze zu verhindern haben sich die beiden Strömungen der AfD, die ehemaligen Mitglieder des rechtsextremistischen „Flügels“ sowie das liberal-konservative Lager bereits im Vorfeld des Parteitags auf eine Vorschlagsliste verständigt.

Laut der 24 Personen umfassenden Liste, die dem Tagesspiegel vorliegt, sollen hinter Brinker die Abgeordneten Ronald Gläser, Karsten Woldeit und Harald Laatsch antreten. Auf den Plätzen fünf bis sieben würden Frank-Christian Hansel, Martin Trefzer und Hugh Bronson kandidieren. Marc Vallendar, Christian Buchholz und Thorsten Weiß komplettieren die ersten zehn Positionen der Liste.

Die AfD-Landesvorsitzende Kristin Brinker soll ihre Partei voraussichtlich als Spitzenkandidatin in die Abgeordnetenhauswahl führen.
Die AfD-Landesvorsitzende Kristin Brinker soll ihre Partei voraussichtlich als Spitzenkandidatin in die Abgeordnetenhauswahl führen.
© Christoph Soeder/dpa

Sie sitzen allesamt bereits heute für die AfD im Abgeordnetenhaus. Die oft als zerstritten geltende Partei scheint in diesem Punkt um eine neue Kontinuität bemüht zu sein. Ziel ist, trotz der internen Flügelkämpfe nach außen möglichst geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen.

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Nicht sicher ist allerdings, ob der Burgfrieden auch hält. Sollte ein Lager die Absprachen missachten, könnte es durchaus zu Kampfkandidaturen kommen. Auch Pazderski könnte in einem solchen Fall doch noch kurzfristig für die Landesliste kandidieren, ist aus der Partei zu vernehmen.

Auch um den Ort des Parteitags in Biesdorf gab es zuvor Ärger. Das Land hat die Brache, auf der in einigen Jahren eine Schule gebaut werden soll, bekanntlich an die AfD vermietet. Im Bezirk kam das bei vielen nicht gut an.

Die Wiese für den Zelt-Parteitag liegt in unmittelbarer Nähe des U-Bahnhofs Elsterwerdaer Platz zwischen den Gleisen der der an dieser Stelle oberirdisch fahrenden U5, dem Einkaufszentrum Biesdorf-Center und einem Wohngebiet. Direkt nebenan befindet sich eine Kita. Und mittendrin dürfte es am Wochenende ziemlich heiß hergehen.

Denn vor allem für den Auftakt am Sonnabend formiert sich Protest. Linke Gruppen, verschiedene Parteien und das Bündnis für Demokratie und Toleranz Marzahn-Hellersdorf planen Kundgebungen und Infostände rund um den Veranstaltungsort. Dem „Festzelt“ will das örtliche Bündnis auf dem Elsterwerdaer Platz einen „Demokratiepavillon“ entgegenstellen – an den Sonnabenden wollen die Aktiven von 12 bis 18 Uhr zwischen Bettenhaus und „Kaufland“ mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen, die etwa im Biesdorf-Center einkaufen. Eine Aktion trägt den Titel „Kunst gegen Faschismus“.

Protestmusik am Wendehammer

Am Wendehammer der Haltoner Straße soll es lauter werden: Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) hat für alle vier Tage von 7.30 Uhr bis 22 Uhr bei der Polizei eine Kundgebung mit Live-Musik und Reden angemeldet.

Am Elsterwerdaer Platz, Ecke Haltoner Straße stehen Absperrgitter bereit, um Konfliktparteien zu trennen.
Am Elsterwerdaer Platz, Ecke Haltoner Straße stehen Absperrgitter bereit, um Konfliktparteien zu trennen.
© Ingo Salmen

An diesem Sonnabend sind zudem zwei Fahrraddemonstrationen geplant: Die „Linksjugend Stadtrand Ost“ hat für 6.30 Uhr ab Bahnhof Pankow unter dem Motto „Fahrraddemo für ein Berlin ohne Nazis – Kein Feld der AfD“ einen Korso mit 100 Leuten bei der Polizei angemeldet; um 7 Uhr soll an der Frankfurter Allee, Ecke Gürtelstraße eine noch größere Fahrraddemo in Richtung Biesdorf starten – mit 500 Leuten und unter dem Motto „Stoppt den Faschismus“.

Ein Kreide-Postulat auf dem Gehweg.
Ein Kreide-Postulat auf dem Gehweg.
© Ingo Salmen

Anreise mit der U-Bahn - mit Konfliktpotenzial

Ferner sollen Demonstrierende ab 7.30 Uhr vom Alexanderplatz gemeinsam mit der U5 anreisen – die direkt am Elsterwerdaer Platz hält. Schon das birgt Konfliktpotenzial, sollten auch Teilnehmende des AfD-Parteitags den Nahverkehr für die Anreise nutzen wollen. Am zweiten Sonnabend, 12. Juni, soll es zudem von Marzahn-Hellersdorfer Bündnis ab 14 Uhr eine Fahrraddemo von der Hellen Mitte zum Elsterwerdaer Platz geben.

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Der Aufruf des bezirklichen Bündnisses ist relativ scharf. Das Bündnis sehe in der Vielfalt eine Chance, alle Menschen sollten Raum zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit haben, heißt es zunächst. Das vertrage sich nicht mit einer Politik, die auf Ausgrenzung und Diskriminierung setze. „Für eine solche Politik steht die AfD – insbesondere der formal aufgelöste sogenannte Flügel, der in unserem Bezirk von vielen AfD-Politiker:innen unterstützt wird“, teilen die Sprecher:innen Henny Engels und Steven Kelz, der aktuell auch die Linke in der BVV kandidiert, mit. Auch wenn die Partei demokratisch gewählt sei, bedeute das nicht, dass sie auch demokratische Werte vertrete.

„Die AfD ist eng verbunden mit Neonazis und agiert als parlamentarischer Arm des rechten Terrors. Auch speziell Vertreter:innen der AfD aus unserem Bezirk fallen immer wieder mit rechtsextremen Äußerungen auf“, heißt es in dem Protestaufruf weiter. Auf Nachfrage verweist Engels etwa auf Verbindungen, die der Lübcke-Mörder zur AfD gehabt haben soll.

Sicherheitsfirma mit Nähe zur rechtsextremistischen Szene

Für den Schutz beim Aufbau der Zelte hat die AfD eine Sicherheitsfirma engagiert, die im Verdacht steht, eng mit der rechtsextremistischen Szene verstrickt zu sein. Aus Sicherheitskreisen ist von Auffälligkeiten die Rede, die überprüft werden müssten.

Es geht um die Firma „German Security“ aus Falkensee. Im Havelland macht sie sich mit Spenden Freunde, das Geld verdient sie auch mit Aufträgen der AfD in Berlin und Brandenburg. So etwa bei einem Auftritt des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke 2018 in Potsdam: Für die Firma war als Subunternehmer ein Neonazi der „Freien Kräfte“ und der Partei „Der Dritte Weg“ dabei, der vor Jahren mit Hitlergruß und Baseballschläger für ein Foto posierte. Die Firma gibt an, von dessen Zugehörigkeit nichts gewusst haben.

Sicherheitskreise registrierten auch das Interesse des Firmenchefs für Pegida, die Identitäre Bewegung und Verbindungen ins kriminelle Rockermilieu. Auf ihrer Facebook-Seite verbreitete die Firma in diesem Jahr Traueranzeigen für einen Mann, der in Berlin in der NPD war, im Zusammenhang mit dem Neonazi-Netzwerk „Blood and Honour“ und in der Hooliganszene auffiel – aber auch durch Kontakte zur militanten Bruderschaft „Hammerskins“, die das Terrortrio NSU unterstützte. Sicherheitskreise sehen bei der Firma auch Kontakte zu rechten Rockern und zur organisierten Kriminalität.

Die Firma warb damit, über den Bundesverband der Sicherheitswirtschaft Kooperationspartner der Polizei Brandenburg zu sein. Die hat nun die Zusammenarbeit mit der Firma „auf Eis gelegt“, sagte ein Sprecher am Freitag. Voraussetzung für die Kooperation sei „die Ablehnung jeglicher Form von politischem Extremismus“.

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