Zoff um Berliner AfD-Parteitag im Zelt: Bezirk Marzahn-Hellersdorf sauer auf Finanzverwaltung
Die AfD will im Juni in einem Zelt ihren Parteitag abhalten. Das Land hat ihr dafür eine Wiese in Biesdorf vermietet – ohne das Bezirksamt zu informieren.
Grundschulplätze sind in vielen Quartieren in Marzahn-Hellersdorf chronisch knapp. Der Bezirk im Osten Berlins wartet sehnlich auf Neubauten. An der Haltoner Straße zum Beispiel ist eine Schule in Holzbauweise geplant, ein Vorzeigeprojekt. Wann genau sie entstehen wird, kann noch niemand sagen. Erst einmal soll nun ein Zelt auf der Biesdorfer Brache errichtet werden – und zwar von der AfD.
Statt Schülern werden jedoch Delegierte darin Platz finden. Der Berliner Landesverband will nämlich, wie berichtet, an zwei Wochenenden im Juni seinen Parteitag in Biesdorf ausrichten. Immer wieder war er zuvor mit dem Versuch gescheitert, einen Veranstaltungsort zu finden.
Viele Vermieter hatten abgesagt, weil sie die Partei politisch ablehnten oder aus Angst vor Angriffen aus der linksradikalen Szene. Nun aber ist die AfD auf offene Ohren gestoßen: bei der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) und der Senatsverwaltung für Finanzen.
In Marzahn-Hellersdorf stößt das vielen sauer auf. Denn die BIM hat zwar die Finanzverwaltung gefragt, und die hat auch grünes Licht gegeben. Das Bezirksamt wurde aber über die Vermietung nicht informiert. Es erfuhr eher zufällig von den geplanten Parteitagen – nämlich von der AfD selbst.
Die AfD erwartet 260 Delegierte zum Parteitag
Landesgeschäftsführer Marc Bernicke hatte sich am 7. Mai an das Ordnungsamt gewandt, um die Pläne bekanntzugeben. Demnach plant die AfD, am 5. und 6. Juni sowie am 12. und 13. Juni auf der landeseigenen Wiese an der Haltoner, Ecke Minsker Straße die Kandidierenden für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Bundestag zu nominieren. Einlass jeweils ab acht Uhr, Beginn um zehn Uhr, voraussichtliches Ende um 20 Uhr. Erwartet werden rund 260 Delegierte plus Bewerber und Personal, macht zusammen 300 Leute. "Ein entsprechender Mietvertrag wurde bereits abgeschlossen", teilte Bernicke mit. Unterschrieben wurde der nach Tagesspiegel-Informationen von Staatssekretärin Vera Junker.
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Eine Anfrage von Immobilienstadträtin Juliane Witt (Linke) bei der BIM brachte Gewissheit: Es handelt sich um die Schulvorhaltefläche, die künftig dem Bezirk übertragen werden soll. Die Bezirksspitze ist verärgert, dass sie nicht gefragt wurde. Bürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) schrieb eine geharnischte Mail an Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Schulstadtrat Gordon Lemm (SPD) kommentierte, die Senatsverwaltung könne der AfD ja auch ihren Innenhof anbieten, wenn sie dem Vertrag zugestimmt habe.
Dem Vernehmen nach war auch die örtliche Polizei über die geplante Veranstaltung noch nicht im Bilde, als sie vom Bezirksamt darauf angesprochen wurde. Dem Gesundheitsamt muss die AfD noch ein Hygienekonzept vorlegen. Und auch die Bauaufsicht will den Zeltaufbau offenbar kontrollieren.
"Kommen die alle mit der U-Bahn?"
"Man hätte zumindest den Bezirk fragen können, ob er Schwierigkeiten befürchtet", sagte Stadtrat Lemm dem Tagesspiegel. Er rechnet an den beiden Wochenenden mit Konflikten zwischen linken Gruppen und AfD-Anhängern, eingezwängt zwischen den Gleisen der U5, Einkaufszentrum und Wohngebiet. "Die AfD ist auch eine Partei, die von Skandalisierung lebt." Selbstverständlich müsse sie ihren Parteitag abhalten können, sagte Lemm. Doch er bezweifelt, ob der Ort dafür geeignet ist.
"Das ist nicht der richtige Standort für einen AfD-Parteitag", sagte auch Iris Spranger. Die Abgeordnete und SPD-Kreisvorsitzende ist entsetzt. "Ich habe Bedenken, dass es dort zu Zusammenstößen zwischen AfD-Anhängern und Linksautonomen kommt", sagte sie dem Tagesspiegel. Es sei "hochunsensibel", was die Finanzverwaltung mache. Finanzsenator Kollatz habe man deshalb aufgefordert, nach einer alternativen Fläche zu suchen. Über den Streit hatte zuerst die "B.Z." berichtet.
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Der örtliche Grünen-Abgeordnete Stefan Ziller glaubt nicht, dass sich an der Vermietung noch etwas ändern lässt. Stattdessen kündigte er "bunte Aktionen" an. Parteien und Initiativen seien bereits dabei, sich abzusprechen. "Wir werden da nicht wegschauen." Das Ziel: "Die Fahne der Demokratie hochhalten." Der Parteitag selbst sei nur der Anlass: "Wir sind gegen die Inhalte, für die die AfD steht." Ziller sieht daneben auch ganz praktische Probleme: Für die ganzen Delegierten gebe es womöglich gar nicht genug Parkplätze. "Oder kommen die alle mit der U-Bahn?"
Senatsverwaltung: Vermietung darf nicht verweigert werden
Die Senatsfinanzverwaltung hält trotz der Kritik an der Vereinbarung für die Biesdorfer Wiese fest. „Wir haben uns als öffentliche Verwaltung an Recht und Gesetz zu halten“, erklärte eine Sprecherin. Die Verwaltung sei verpflichtet, Möglichkeiten einzuräumen, um Parteiveranstaltungen durchzuführen. „Die AfD hat daher die gleichen Rechte wie jede andere Partei.“
Die Vermietung zu verweigern, wäre rechtswidrig und würde zudem unnötige Kosten im Falle einer Klage der AfD provozieren, teilte die Sprecherin mit. Im Vorfeld seien auch andere Flächen betrachtet worden. „Aber die Alternativen waren noch weniger gut umsetzbar.“