Berliner Covid-19-Klinik doch nicht fertig: „Ein paar Abnahmen und Genehmigungen stehen noch aus“
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci muss sich im Parlament korrigieren, aus der eigenen Koalition gibt es Kritik – und am Donnerstag kam der Bundespräsident.
Es war eine Frage, die eigentlich von der Opposition hätte kommen müssen. Catherina Pieroth, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, wollte während der Fragestunde im Parlament von ihrer Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wissen, wie es nun um das gefeierte Covid-19-Behandlungszentrum auf dem Messegelände steht.
Zu viele Ungereimtheiten waren in den vergangenen Tagen aufgetaucht. Am Mittwoch hatten Recherchen des Tagesspiegel aufgedeckt, dass der 50-Millionen-Euro-Spezialklinik trotz feierlicher Eröffnung noch die Betriebsgenehmigung fehlt. Ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung hatte vehement widersprochen: „Das Ding ist betriebsbereit.“
Was da nun dran sei, fragte Pieroth am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus an Dilek Kalayci (SPD) gerichtet. Der Blick, den sie dafür von Kalayci erntete, hätte ungnädiger nicht sein können. Dann setzte die Senatorin zu einer Antwort an. „Ein paar Abnahmetermine und Genehmigungen stehen da noch aus“, erklärte Kalayci und sagte dann, Druck gebe es nicht.
Schließlich sei es nur als Reserve gedacht und die Kapazitäten der Krankenhäuser längst nicht erschöpft. Dass sie bei der feierlichen Eröffnung der Messe-Klinik am Montag gesagt hatte, diese sei „betriebsbereit“, begründete sie später mit der Aussage, mit Problemen sei nicht zu rechnen.
Nach Tagesspiegel-Informationen steht die Betriebsabnahme durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales und das Gesundheitsamt von Charlottenburg-Wilmersdorf – dort in der Jafféstraße steht die umgebaute Messehalle – erst in der kommenden Woche an. In der Vergangenheit soll es noch Nachbesserungsbedarf gegeben haben, weil reine und unreine Bereiche nicht klar abgetrennt waren.
Am Donnerstag besuchte der Bundespräsident die unfertige Klinik
Der zuständige Stadtrat, Detlef Wagner (CDU), sagte dem Tagesspiegel: „Es ist komisch, dass Frau Kalayci ohne Not so tut, als sei das Behandlungszentrum fertig.“ Er habe das ungute Gefühl, Kalayci habe „unbedingt innerhalb eines Monats fertig werden wollen“.
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Am Donnerstag hatte auch der Bundespräsident die Klinik besucht. Er hoffe, „dass wir diesen kritischen Austausch weiterhin so führen, dass Tatsachen und Fakten nicht ignoriert werden, und dass wir uns mit Vernunft aus der gegenwärtigen Situation befreien“, sagte Frank-Walter Steinmeier in Bezug auf grassierende Verschwörungstheorien.
In der rot-rot-grünen Koalition war am Donnerstag aus allen drei Parteien Verwunderung über Kalaycis Verhalten zu hören. Spekuliert wurde, dass sie einen Erfolg nachweisen wollte. Zuvor hatte es Diskussionen darüber gegeben, dass ihr Haus seit Wochen eine versprochene Test-Strategie für Berlin schuldig bliebe.
Koalition will Fokus eher auf Gesundheitsämter legen
Einige Koalitionäre zeigten sich skeptisch, ob ihre Energie in die richtige Richtung weise. „Eigentlich müssten wir jetzt viel Geld in die bezirklichen Gesundheitsämter stecken und nicht für eine mögliche zweite Ausbaustufe des Behandlungszentrums zurücklegen“, hieß es aus dem innersten Kreis der Koalition. Wenn die Gesundheitsämter gut genug ausgestattet seien, um das Virus bei erneuten Ausbrüchen schnell einzudämmen, würde die Spezialklinik nämlich gar nicht gebraucht. Stattdessen habe die Senatorin schon den Ausbau des momentan nicht benötigten Krankenhauses im Kopf.
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Am Tag zuvor war ein Brandbrief aller Berliner Amtsärzte erschienen, in dem sie sich über die Alleingänge der Senatorin und ihrer Verwaltung beklagten. Patrick Larscheid, Amtsarzt aus Reinickendorf, bezeichnete das Behandlungszentrum als „potemkinsches Dorf“.
Kalayci hatte sich am Donnerstag im Abgeordnetenhaus auch gegen die Kritik der Ärzte verteidigt. „Die Einbindung der Bezirke findet regelmäßig statt, es gibt täglich Telefonkonferenzen des Krisenstabs mit den Amtsärzten", sagte sie im Parlament. Dor würden "relevante Themen" ausgetauscht. Allerdings fänden die Treffen weder täglich statt - sondern nur dreimal in der Woche -, noch würde dort über alle relevanten Themen gesprochen, hieß es am Donnerstag von mehreren Amtsärzten.
„Immer wenn Abstimmungen mit Dritten gefordert sind, die kooperativ geführt werden müssten, gibt es Probleme“, sagt ein einflussreiches Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses über den Konflikt zwischen Kalayci und den Amtsärzten. Das habe sich bei der Gesundheitssenatorin schon in der Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung gezeigt – und nun wiederholt mit den Amtsärzten.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir die Kosten der Klinik versehentlich mit 500 Millionen Euro angegeben. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.