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Die Polizei hatte bereits den gesuchten M. Remmo (r.) festgenommen, seinen Bruder A. M. Remmo nun auch.
© Polizei Sachsen/Polizei Berlin
Update

Einbruch ins Grüne Gewölbe: Ein halbes Jahr auf der Flucht – nun sitzt der fünfte Remmo-Mann in U-Haft

Seit eineinhalb Jahren werden die Diebe des Sachsengeschmeides gesucht. Jetzt fasste die Polizei in Treptow einen weiteren Mann aus dem Berliner Remmo-Clan.

Die Zielfahnder waren sich sicher, dass der 22 Jahre alte Mann aus dem berüchtigten Remmo-Clan irgendwann in Berlin geschnappt wird. Ebenso wie die vier anderen Remmo-Männer zuvor, die für den Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden verantwortlich gemacht werden.

Am Montagabend, eineinhalb Jahre nach dem Diebstahl der Sachsen-Juwelen aus dem Grünen Gewölbe, haben die Ermittler auch den fünften Hauptbeschuldigten – einen Zwilling aus der deutsch-arabischen Großfamilie - gefasst.

Nach ihm war zwar per internationalem Haftbefehl gesucht worden, er war ein halbes Jahr auf der Flucht. Doch die BKA-Zielfahnder, Beamte des Landeskriminalamtes Berlin, der Berliner und Dresdner Polizei, Spezialkräfte der Bundespolizei sowie ein Mobiles Einsatzkommando des BKA rückten in Treptow zu einer Hausdurchsuchung an.

Gegen 20.15 Uhr wurde der bis dahin noch flüchtige Clan-Mann festgenommen und gleich nach Dresden gebracht. Dort wurde er noch am Dienstag einem Haftrichter vorgeführt und kam wie die anderen vier Clan-Mitglieder in Untersuchungshaft.

Die Beamten stellten ein Mobiltelefon und Kleidung bei der Hausdurchsuchung sicher. Aus Sicherheitskreisen heißt es, dass die Ermittler ausdrücklich keinen Tipp aus dem Clan-Milieu bekommen haben sollen, wo sich der fünfte Verdächtige aufhält.

Bei dem Einbruch in das berühmte sächsische Schatzkammermuseum am 25. November 2019 hatten die Täter Schmuckstücke aus Diamanten und Brillanten des 17. und 18. Jahrhunderts erbeutet. Das Sachsengeschmeide hat einen kaum schätzbaren Wert. Es ist seit dem Einbruch verschwunden. Seither ermittelt die Soko „Epaulette“. Die Staatsanwaltschaft Dresden wirft allen fünf Beschuldigten schweren Bandendiebstahl und Brandstiftung vor. 

Das erste Mal hatten die Ermittler ein Jahr nach dem Einbruch zugeschlagen. Bei der Großrazzia mit 1600 Beamten aus zahlreichen Bundesländern und mehreren Spezialeinheiten am 17. November konnten die Einsatzkräfte nur drei der Verdächtigen Remmo-Männer, zwei 25-Jährige und einen 28-Jährigen, festnehmen.

Spurensuche: Insgesamt 18 Objekte wurden im November in Berlin durchsucht.
Spurensuche: Insgesamt 18 Objekte wurden im November in Berlin durchsucht.
© Annette Riedl/dpa

Zwei Remmo-Zwillingen gelang jedoch die mit einem Auto die Flucht. Bei der Aktion war etwas schief gelaufen. Einer der festgenommenen Männer musste schon in der Nacht, als er mit seinem Auto durch Berlin gerast war, gestoppt werden. Vermutet wird, dass der Rest der weit verzweigten Familie davon Wind bekam und die anderen gewarnt hatte.

Plötzlich hatten alle ihre Handy ausgeschaltet. Auch fehlende Ortskenntnisse und das auffällige Verhalten der Mobilen Einsatzkommandos der sächsischen Polizei, die für die Observation eingesetzt wurden, werden als Ursache für die Panne genannt.

[Mehr zum Thema: Organisierte Kriminalität unter Druck - warum den Clans das Geld ausgeht (T+)]

Einer der Zwillinge ist dann Mitte Dezember in seinem Heimatbezirk Neukölln gefasst worden. Er wollte offenbar einen Freund oder seine Freundin in Rudow besuchen, hieß es nur. Zielfahnder des BKA und die Ermittler des LKA Berlin nahmen ihnen fest. Der fünfte Remmo-Mann war den Ermittler danach mehrfach entwischt.

So sagte etwa Carsten Milius vom Bund Deutscher Kriminalbeamter dem Tagesspiegel, Gesuchte der Großfamilie könnten „von einem ganzen Netz äußerst polizeierfahrener Familien- und Clan-Mitglieder geschützt und gestützt werden“. Nun sitzt auch der Verdächtige Nummer fünf in Untersuchungshaft.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) wertete den Fahndungserfolge als „klare Botschaft an die Clankriminellen“ in der Bundeshauptstadt. „Der Rechtsstaat lässt sich nicht vorführen“, sagte er. „Wer glaubt, er könne ohne Folgen unsere Gesetze brechen, wird mit dieser Festnahme wieder mal eines Besseren belehrt.“

„Ihm die Handlungsfähigkeit unseres Rechtsstaates in die Vita meißeln“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bewertete den Fall auch mit Blick auf den Clan-Mann. „Wer vor der Polizei flieht, hat im Regelfall etwas zu verheimlichen. Dass Herr Remmo dann aber nicht im Ausland untertaucht, sondern wieder in Neukölln anzutreffen ist, zeigt auch, wie winzig sein Respekt vor den Sicherheitsbehörden ist“, sagte GdP-Landesvize Thomas Spaniel. „Es ist die Aufgabe staatlicher Institutionen, ihm die Handlungsfähigkeit unseres Rechtsstaates in die Vita zu meißeln.“

Während die Fahndung nach fünften dringend Tatverdächtigen erfolgreich beendet ist, fehlt von dem Schmuck weiter jede Spur. Einzelne der gestohlenen Schmuckstücke aus dem Grünen Gewölbe waren für einen Millionenbetrag in Israel zum Verkauf angeboten worden. Das hatte die israelische Sicherheitsfirma CGI, die mit Ermittlungen zu dem Fall beauftragt war, Anfang 2020 öffentlich gemacht. 

Demnach hatte die Firma über das Darknet zwei Brillant-Garnituren aus der Beute angeboten bekommen – für neun Millionen Euro in Bitcoins. Das ist eine Kryptowährung mit der im anonymisierten Darknet gezahlt werden kann. Bei den angebotenen Schmuckstücken habe es sich es sich um den Sächsischen Weißen Brillanten und den Polnischen Weiße-Adler-Orden gehandelt.

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Bei einem der spektakulärsten Einbrüche der vergangenen Jahrzehnte hatten die Täter die Gitter teilweise durchtrennt, Fenster samt Rahmen entfernt und waren in die barocke Schatzkammer eingedrungen.

Dort stahlen sie aus den mit einer Axt zerstörten Vitrinen Diamanten und Brillanten im Wert von mehreren Hundert Millionen Euro - wenn sich das überhaupt so genau beziffert lässt, denn viele Stücke galten als einzigartig.

Die Täter kamen mit einer Axt. Eine Videokamera filmte den Diebstahl.
Die Täter kamen mit einer Axt. Eine Videokamera filmte den Diebstahl.
© dpa

Die Polizei veröffentlichte nach der Tat ein Bild aus einer Überwachungskamera vom ersten Fluchtfahrzeug der Täter, das kurz nach dem Einbruch in einer Tiefgarage abgestellt und angezündet wurde. Es zeigte einen hellen Audi A6 mit dunklem Dach. Auch das war bislang typische für Taten, die dem Clan-Milieu zugerechnet werden – als Fluchtwagen wurden häufige Oberklassewagen genutzt.

Ungewöhnliches Fluchtauto: Ein heller Audi A6 mit schwarzem Dach.
Ungewöhnliches Fluchtauto: Ein heller Audi A6 mit schwarzem Dach.
© Polizeidirektion Dresden/dpa

Auf die Spur der Remmos kamen die Fahnder, weil die Täter bei dem Einbruch ein hydraulisches Spreizwerkzeug benutzt haben sollen. Mit den akkubetriebenen Hydraulik-Spreizern öffnet die Feuerwehr Autotüren, die nach Unfällen verklemmt sind. In Berlin waren seit 2017 mindestens fünf dieser Geräte im Wert von jeweils 10.000 Euro bei der Feuerwehr gestohlen worden.

Daher gingen die Ermittler von Parallelen zu dem Diebstahl der 100 Kilogramm schweren Goldmünze Big Maple Leaf aus dem Bode-Museum in Berlin im März 2017 aus. Auch für diese Straftat waren Mitglieder des Remmo-Clans verurteilt worden – einer von ihnen rechtskräftig.

Die 100 Kilogramm schwere Goldmünze «Big Maple Leaf» wurde aus dem Bode-Museum gestohlen.
Die 100 Kilogramm schwere Goldmünze «Big Maple Leaf» wurde aus dem Bode-Museum gestohlen.
© Marcel Mettelsiefen,dpa

Neben dem Einbruchsziel Museum und dem möglichen Einsatz eines Hydraulik-Spreizers gibt es eine dritte Parallele zum Vorgehen von kriminellen Clan-Mitgliedern. Das Zertrümmern der Vitrine aus Sicherheitsglas durch brutale Axthiebe erinnert an einen Raubüberfall auf das Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe im Jahr 2014. Auch damals zerstörten die maskierten Täter mit einer Axt in kurzer Zeit Vitrinen, rafften Schmuck und Uhren zusammen und flohen mit einem bereitstehenden Auto.

Verurteilt wurden mehrere junge Männer aus arabischstämmigen Großfamilien. Auch beim Diebstahl des Kunstwerkes „Goldnest“ aus der Fuchsberg-Grundschule in Marzahn-Hellersdorf im Mai 2019 wurde Spezialwerkzeug genutzt. Auch hierbei stand der Remmo-Clan in Verdacht. Wenige Tage zuvor waren bei der Feuerwehr in Treptow-Köpenick Spezialgeräte gestohlen worden, darunter Trennschleifer und Kettensägen.

Wegen des Diebstahls der Goldmünze in Berlin verurteilt

Während in Berlin der Prozess zum Münz-Diebstahl gegen ihn lief, soll ein Mann namens W. Remmo beim Einbruch ins Grüne Gewölbe beteiligt gewesen sein. Und nebenbei saß er auch im bayerischen Erlangen vor Gericht – wegen des Diebstahls von Hydraulik-Scheren aus einer örtlichen Firma. Es war Werkzeug, wie es beim Einbruch in das Grüne Gewölbe genutzt worden war.

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Dann im Februar 2020 erging das Hafturteil zum Diebstahl der Goldmünze, dennoch blieb er auf freien Fuß. Erst im Zuge der Ermittlungen zum Sachsengeschmeide wurde er gefasst. Inzwischen ist er von der sächsischen Justiz nach Berlin überstellt worden.

Seit März fahndet Sachsens Polizei auch nach vier weiteren Männern, die im Verdacht der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl stehen. Deren Identität ist derzeit noch unklar. Sie könnten Ende November 2019 den Tatort ausgespäht haben und damit an der Vorbereitung des Juwelendiebstahls beteiligt gewesen sein. Das damals veröffentlichte Bild einer Videokamera zeigte das Quartett, wie es die Vitrine näher begutachtet, aus welcher dann der Schmuck gestohlen wurde.

Ins Grüne Gewölbe in Dresden wurde vor einem Jahr eingebrochen.
Ins Grüne Gewölbe in Dresden wurde vor einem Jahr eingebrochen.
© imago

Die weiteren Ermittlungen zum Einbruch - auch zum Verbleib der Kunstschätze - dauern nun an. "Sie werden aufgrund des Umfangs und der Komplexität des Sachverhalts noch erhebliche Zeit in Anspruch nehmen", heißt es von der Staatsanwaltschaft Dresden. "Es ist derzeit nicht absehbar, wann die Ermittlungen abgeschlossen sein werden."

Die Remmos sind auch im Libanon, von wo die Familie einst einwanderte, gut vernetzt. In Berlin gelten sie als größter der Clans, dessen Mitglieder immer wieder durch Straftaten auffallen. Namhafte Remmo-Männer sind wegen Waffen- und Eigentumsdelikten polizeibekannt. Zuletzt hatte sich ein Zweig der Großfamilie mit jungen Tschetschenen blutige Kämpfe geliefert.

Der Remmo-Clan, Geldwäsche und die 77 Immobilien

Kriminelle Mitglieder der Großfamilie Remmo sind bereits mit mehreren schweren Straftaten aufgefallen. Die Remmos wurden bekannt, weil Angehörige 2017 in Britz einen Mann erschlagen haben sollen (wofür der Angeklagte frei gesprochen wurde). Vor dem Diebstahl der Goldmünze 2017 hatte ein Familienmitglied 2014 eine Sparkasse gesprengt.

Mitglieder der Großfamilie haben in den vergangenen Jahren versucht. Geld in Neukölln anzulegen. Nach jahrelangen Ermittlungen des Landeskriminalamts Berlin waren im Sommer 2018 genau 77 Immobilien, die der Familie zugerechnet werden, wegen Geldwäscheverdachts beschlagnahmt worden. 

Im April 2019 waren auch die Einnahmen aus der Vermietung von 45 der Immobilien richterlich beschlagnahmt worden. Die 77 beschlagnahmten Häuser und Wohnungen sollen mit Geld aus Straftaten gekauft worden sein. Dabei soll es Bareinzahlungen Überweisungen aus dem Libanon und aus der Türkei gegeben haben.

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