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Die Polizei hatte bereits den gesuchten M. Remmo (r.) festgenommen, seinen Bruder A. M. Remmo nun auch.
© Polizei Sachsen/Polizei Berlin
Update

BKA-Zielfahnder auf der Spur der Clan-Männer: Warum die Remmo-Zwillinge wahrscheinlich erwischt werden

Auch Interpol fahndet nach den Remmos. Nach dem Einbruch ins Grüne Gewölbe Dresden wird nach den Verdächtigen aus der Berliner Großfamilie international gesucht.

Seit fast zwei Wochen sind zwei Mitglieder des Remmo-Clans, die am Juwelen-Coup im Grünen Gewölbe in Dresden beteiligt gewesen sein sollen, auf der Flucht. Konkrete Anhaltspunkte zu deren Aufenthalt fehlen. Dennoch spricht viel dafür, dass die 21-jährigen Zwillinge A. M. und M. Remmo gefunden werden – Sachsens Polizei helfen nicht nur Clan-Ermittler aus Berlin, wo die Gesuchten lebten, sondern auch Zielfahnder des Bundeskriminalamtes (BKA).

Zielfahnder sind erstaunlich erfolgreich. Quoten werden nicht veröffentlicht, doch polizeiintern heißt es, dass 90 Prozent der Gesuchten gefunden werden. Oft dauere dies wenige Wochen, zuweilen aber auch Jahre. Auch der weltweite Polizeiverbund Interpol lässt nach den Remmo-Brüdern fahnden. Das hatte Interpol in Lyon mitgeteilt, der entsprechende Aufruf sei an die 194 Mitgliedsländer der Organisation gegangen. Allerdings sind Engagement und Ressourcen der Fahnder in den einzelnen Staaten verschieden stark ausgeprägt.

In Deutschland ist der Verfolgungsdruck hoch. Sachsen setzte nach dem spektakulären Diebstahl aus Dresdens berühmten Schatzkammermuseum im November 2019 insgesamt 500.000 Euro Belohnung zur Ergreifung der Täter aus, wobei etwaige Tippgeber nicht zwangsläufig die volle Summe erhalten. Über die Anzahl aktiver Zielfahnder wird weder in den Polizeipräsidien der Länder noch im BKA gesprochen.

Die Beamten reichen nicht aus, um intensiv nach allen Gesuchten zu fahnden: Jedes Jahr werden mehr als 150.000 Männer und Frauen zur Festnahme ausgeschrieben. Die meisten melden sich freiwillig, andere werden – weitgehend undramatisch – bei einer Routinekontrolle gefunden. Viele wurden wegen unbezahlter Geldstrafen gesucht.

Nach denjenigen aber, die organisierten Banden zugerechnet werden, schwere Taten begangen haben oder als gefährlich gelten, wird mit Hochdruck gesucht. Ein Team von Fahndern arbeitet sich dann durch die Biographie der Gesuchten, aber auch ihrer Kontakte. Sind Süchte, Hobbys, Krankheiten bekannt? Wo leben Verwandte, Freunde? Was ist mit Online-Aktivitäten?

Versuchen die Remmos in den Libanon zu entkommen?

Die Remmos seien dahingehend „gut ausgeleuchtet“, wie ein Berliner Ermittler sagt. Viele Verdächtige der deutsch-arabischen Großfamilie fallen seit Jahren schon im Alltag auf: lautes Pöbeln, aggressives Fahren, dilettantische Taten. Regelmäßig werden Angehörige observiert und Wohnungen durchsucht. Selbst wenn sich die aktuell Gesuchten konspirativ verhielten, kennen die Fahnder also allerlei Details aus dem Familienleben des Clans.

„Erfahrungsgemäß können Tatverdächtige, die ihren Lebensmittelpunkt in einer Stadt haben, nicht für immer untertauchen“, sagt Carsten Milius vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Allerdings könnten die Gesuchten „von einem ganzen Netz äußerst polizeierfahrener Familien- und Clan-Mitglieder geschützt und gestützt werden“.

Die Remmos haben den Vorteil, dass viele Verwandte in Beirut leben, die Familie also im Libanon, sehr wahrscheinlich auch in der Türkei und in Jordanien vernetzt ist. Zu allen drei Ländern unterhält die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen. Ob Gesuchte aus diesen Ländern jedoch ausgeliefert werden, ist damit nicht gesagt.

Mit der Regierung in Beirut gibt es keinen Auslieferungsverkehr, in Einzelfällen können Gesuchte dennoch abgeschoben werden. Die gesuchten Remmo-Brüder haben der Staatsanwaltschaft Dresden zufolge die deutsche und keine zweite Staatsbürgerschaft.

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Verdichten sich die Hinweise, dass Verdächtige ins Ausland geflohen sind, kontaktieren die Zielfahnder die dortigen Behörden. In vielen Staaten gibt es Verbindungsbeamte des BKA, auch die deutsche Botschaft wird informiert. Über das Bundesministerium für Justiz erbitten die Fahnder dann Rechtshilfe. Denn, deutsche Beamte können sich zwar vor Ort umhören, bewaffnet sind sie dabei meist nicht – und Festnahmen bleiben Privileg der örtlichen Staatsmacht.

Zielfahndung hat politische Komponenten

Letztlich ist es eine Frage politischen Willens, ob der Libanon einen Gesuchten nach Deutschland abschiebt. Gute Beziehungen helfen also. Etwa so wie beim Reemtsma-Entführer Thomas Drach, der 1998 in Argentinien gefunden wurde. Oder wie beim Millionen-Betrüger Jürgen Schneider, 1995 in den USA verhaftet und dann ausgewiesen.

Zur Wahrheit gehört auch, dass nicht alle Gesuchten gefasst werden. Nach dem mutmaßlichen Fünffach-Mörder Norman Franz wird seit 20 Jahren gefahndet. Und auch die Rechtsterroristen des NSU hatten Zielfahnder ab 1999 zwar verfolgt, aber nicht erwischt – wohl auch, weil die Fahnder nicht unterstützt wurden. Der Landesverfassungsschutz habe die Polizei gebeten, nicht unter Rechtsradikalen zu ermitteln, „um keine Unruhe in die Szene zu bringen“, hatte ein Thüringer Fahnder 2013 im Untersuchungsausschuss des Bundestags gesagt.

Flucht aus Deutschland in den Irak - und zurück

Dass deutsche Zielfahnder in Ostdeutschland erfolglos, im Nahen Osten erfolgreich sein können, zeigen zwei Fälle aus der Kurdischen Autonomieregion in Irak. Nachdem Ali B. 2018 die 14-jährige Susanna F. vergewaltigt und ermordet hatte, floh seine Familie mit ihm in den kurdischen Nordirak. Die Zielfahnder informierten die Spitze der Bundespolizei, die gute Kontakte zu den kurdischen Sicherheitskräften hat. Ali B. wurde festgenommen, verhört, abgeschoben – ohne diplomatisches Kräftemessen zwischen der Zentralregierung in Bagdad und den Bundesbehörden in Berlin.

Ähnliches gelang 2010, als Giwar H. nach einem Überfall auf einen Goldtransporter nahe Ludwigsburg gesucht wurde. Zusammen mit vier Räubern hatte H. 1,7 Millionen Euro erbeutet. Mit Hilfe des BKA-Verbindungsbeamten in Moskau stellten die Zielfahnder fest, dass der Gesuchte über Moskau nach Erbil, der Hauptstadt der irakischen Kurdenregion, geflohen war. Dort wurde er festgenommen und ausgeliefert. Stuttgarts Landgericht verurteilte ihn wegen schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu acht Jahren Haft.

Vor fast zwei Wochen hatten 1600 Beamte 18 Wohnungen, Garagen und Betriebsstätten in Berlin durchsucht, die den Remmos zugerechnet werden. Dabei wurden drei der fünf Tatverdächtigen festgenommen. Die zwischen 21 und 26 Jahren alten Männer sitzen in Untersuchungshaft. Gegen die drei Männer und die zwei Flüchtigen waren Haftbefehle wegen schweren Bandendiebstahls und Brandstiftung erlassen worden.

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