1990 von Berlin nach Hamburg: Im schrottreifen Luxus-Zug durch die DDR
Vor 25 Jahren rollte der erste Intercity zwischen Berlin und Hamburg. Es war ein kurioses Ereignis – und eines von kurzer Dauer.
Klar, es war schon ein kleiner Schwindel, was da vor 25 Jahren auf den Gleisen zwischen Berlin und Hamburg los war. Aber es war der Beginn der Bahnrenaissance für die bis vor Kurzem noch geteilte Stadt. Von August bis Ende September gab es mit einem ganz besonderen Zug den ersten „Intercity“-Verkehr zwischen den beiden größten deutschen Städten. An der Zugspitze hing sogar das TEE-Emblem, in den 1950er Jahren das Aushängeschild der Deutschen Bundesbahn für den Verkehr ins europäische Ausland. Nach Berlin war der „Trans Europ Express“ (TEE) aber nie gekommen.
Jetzt war er da; zurückgeholt aus Italien ausgerechnet von der damaligen Deutschen Reichsbahn der DDR. Nach den Jahren mit den rumpeligen Transitzügen wollte die Reichsbahn die Euphorie nach dem Fall der Mauer nutzen und den Fahrgästen etwas Besonderes bieten. Und das war der einstige Paradezug der Bundesbahn, der VT (Verbrennungs-Triebwagen) 11.5, später als Baureihe 601 bezeichnet – „ein Zug wie ein Bugatti“, schwärmte damals die Wochenzeitung „Die Zeit“. Vorbild war der „Fliegende Hamburger“, die erste Schnellverbindung zwischen Berlin und Hamburg in den 1930er Jahren mit neuen Triebwagen.
Die Reichsbahn hatte zwar mit dem VT 18.16, später Reihe 175, ein Pendant entwickeln lassen, doch in einer kürzeren Variante und mit weit weniger Komfort als das Bundesbahn-Vorbild. Für Fachleute ist dessen Innenausstattung bis heute unübertroffen: Die Sitze in dem nur erstklassigen Zug waren 70 Zentimeter breit und dick gepolstert. Teilweise konnten sie in die jeweilige Fahrtrichtung gedreht werden, so dass man nicht „rückwärts“ fahren musste. Und selbstverständlich waren sie so angeordnet, dass jeder Fahrgast aus dem Fenster sehen konnte. In den modernen Zügen blickt man oft nur auf eine Wand, weil die Bahn mehr Sitze unterbringen will.
Dicke Polster, alle 1. Klasse, alle Sitze in Fahrtrichtung ....
Doch der Superzug hatte nur ein kurzes TEE-Leben. Im Verkehr zwischen den großen Städten setzte sich das Flugzeug bei der betuchten Kundschaft durch, auf die auch das TEE-Konzept setzte. 1987 fuhr der letzte TEE durch Europa. Nachfolger wurde der Eurocity, der, anders als die TEE-Züge, auch Wagen der 2. Klasse hatte. Die Bundesbahn setzte den Ex-TEE dann im innerdeutschen Verkehr ein. Doch nachdem sie beim „Intercity“ ebenfalls die 2. Klasse eingeführt hatte, war für den Erstklassigen im Sommer 1979 Schluss. Einige Einheiten fuhren noch im Ausflugsverkehr. Die meisten Züge wurden aber nach Italien verkauft.
Und von dort brachte sie die Reichsbahn zurück. Vier Lokführer waren gen Süden gereist – in das einstige Traumziel vieler DDR-Bewohner. Zu sehen bekamen sie allerdings wenig, sie mussten sich um den Zug kümmern. Bereits nach einer zweistündigen Inspektion hatten sie über 150 Mängel gefunden, die beseitigt werden mussten; zum Teil sogar noch während der Rückfahrt. Häufig fielen dabei die Maschinen aus und mussten mühsam wieder in Gang gebracht werden. Dazwischen wurden die Lokführer auch noch auf ihrem neuen Zug eingewiesen. Am 24. Juli 1990 erreichte er dann – von Fans begeistert empfangen – den Bahnhof Zoo. Die Zeit für die Restarbeiten an dem Einzelstück war knapp. Bereits am 27. Juli war die Premierenfahrt mit geladenen Gästen vorgesehen. Und die Reichsbahnen schafften es, unterstützt von Kollegen der Bundesbahn: Pünktlich auf die Minute kam der Triebwagen in Hamburg an und wurde dort auf den Namen „Max Liebermann“ getauft. Weil die Bleche der Seitenwände sehr dünn waren, warf der Direktor der Hamburger Kunsthalle keine Flasche gegen den Zug; er wurde nur mit Sekt bespritzt. Zwei Liter sollen es gewesen sein.
Vier Stunden dauerte die Fahrt
Vom 1. August an fuhr der einstige TEE dann als erster „Intercity“ nach Hamburg und zurück. Die Fahrt dauerte rund vier Stunden; heute schafft es der moderne ICE in gut 90 Minuten. Ein „richtiger“ Intercity war aber auch der „falsche“ TEE nicht. Es gab keinen festen Takt, sondern nur eine Fahrt pro Tag – mit Plätzen in der 1. und 2. Klasse.
Der Betrieb war aufwendig; an Bord mussten immer zwei Lokführer sein. Einer fuhr den Zug, der andere kümmerte sich um die Technik. Vor allem an den ersten Tagen hatte der Mechaniker viel zu tun, später lief der Oldtimer dann fast störungsfrei, wie Lokführer damals berichteten. Nur eine Fahrt war ausgefallen. Am 30. September endete der Einsatz; die Aufgabe übernahmen nun Loks mit Wagen – ohne den TEE-Glanz.
Was sich die Reichsbahn den Einsatz dieses Edelzuges kosten ließ, ist bis heute nicht bekannt. Aber egal, schön war es allemal.
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