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Foto: Christian Mang/Imago
© Christian Mang/Imago

Unterbringung von Flüchtlingen: Ein Geldkoffer für 700 Betten in Tempelhof

Weil der Senat eine Riesenladung Betten brauchte, ließ er sich auf die ungewöhnliche Forderung eines Herstellers ein.

Die Männer fixierten sich. Sie saßen sich gegenüber, zwischen ihnen ein Tisch und ein Geldkoffer. Irgendwo auf dem Tempelhofer Feld, es war Samstagabend. Die Schlösser schnappten auf, einer öffnete den Kofferdeckel, dann starrten beide auf den Inhalt.

Bargeld. Rund 50.000 Euro. Beide nickten kurz, alles klar. Das Geschäft konnte laufen, das Geld war da. Die Beiden erhoben sich von ihren Stühlen, Dieter Glietsch, Flüchtlings-Staatssekretär, auf der einen Seite, ein niederländischer Betten-Lieferant auf der anderen Seite.

So oder so ähnlich muss es abgelaufen sein. „Wie in einem schlechten amerikanischen Film“, sagt Mario Czaja im Juli, bei einem Gespräch in einem Café. Er redet über die Geldübergabe vor einigen Monaten. Der CDU-Sozial- und -Gesundheitssenator könnte auch sagen: Es lief ab wie in einem Mafiafilm. Aber anders hätte Berlin nicht 700 Betten bekommen.

Die Aktion für die Ausstattung der Hangars des Tempelhofer Flughafens mit Betten, das ist eine der vielen Anekdoten, die es zum Thema „Berlin und die Flüchtlinge“ gibt. Sie spielte sich ab, als täglich hunderte Flüchtlinge in die Stadt strömten. Es war klar, dass auch die Hangars des Tempelhofer Felds genutzt werden müssen, schneller als eigentlich geplant. Also installierten Handwerker Wohnkabinen, Wand an Wand, nicht groß, gerade genug Platz für ein paar Stockbetten und etwas Stauraum.

Als dann die Kabinen standen, tauchte naheliegenderweise beim Leistungsstab des Flüchtlingsmanagements, unter der Führung von Gesundheits- und Sozialsenator Czaja, auch die Frage auf: Woher bekommen wir genügend Betten für die Kabinen? 600 bis 700 mussten es sein, und zwar schnell.

„Bettenlieferant, große Mengen“

Der erste Anruf ging an Ikea, dort würde es doch bestimmt genügend Betten geben, und zum Zusammenbauen gab es ja genügend Leute. Doch die Antwort der Verantwortlichen des schwedischen Möbelhauses fiel ernüchternd aus: „Wir liefern nur handelsübliche Mengen.“ Auf einen Kunden, der Liegestätten fast in Bataillonsstärke möchte, ist man nicht eingerichtet.

Foto: Thilo Rückeis
Cash für Möbel. Sozialsenator Czaja fühlte sich wie in einem Film.
© Thilo Rückeis

Also forschten Mitarbeiter des Stabs im Internet, Eingabe in der Suchmaske: „Bettenlieferant, große Mengen“. Auf dem Bildschirm tauchte der Namen eines niederländischen Unternehmens auf. Der Geschäftsführer war auch sehr hilfsbereit. 700 Betten? Dieser Punkt war kein Problem. Das Problem war, dass der Geschäftsführer sofort genau wusste, wer da anrief. „Der kannte das Lageso“, sagt Czaja heute. „Er sagte: Ihr bestellt doch im Moment wie die Irren Ausstattung für Flüchtlingsheime.“

Dummerweise, für Czaja und den Stab, wusste der Mann auch, dass das Lageso sehr schleppend bezahlte. Und deshalb formulierte er sehr freundlich, aber sehr deutlich eine Forderung: „Ich liefere nur, wenn ihr bar bezahlt.“ Rund 50.000 Euro.

Ein ominöser Geldkoffer

Damit hatten Czaja und seine Mitarbeiter nun gar nicht gerechnet. Wie sollte das auch funktionieren? Andererseits, die Zeit drängte, und der Mann in den Niederlanden blieb hart. „Also erhielt er die Zusage, dass er das Geld in bar erhält“, sagt Czaja heute. Wobei, der Gesundheitssenator glaubte damals ja nun nicht so wirklich an die harte Linie des Unternehmers aus den Niederlanden. „Wenn der mit den Betten angekommen ist, fährt der die doch nicht wieder zurück“, sagte er intern in seinem Stab. Aber, weiß man denn, wie so ein Bettenlieferant, der viel Schlechtes gehört hat, reagiert? Weiß man nicht, also ging es jetzt ums Bargeld.

Die Staatssekretäre Gerstle und Glietsch, sagt Czaja, hätten das Geld besorgt. Sie nahmen Kontakt zum Haushaltsverantwortlichen des Lageso auf, der musste das alles ja abzeichnen. „Alles wurde ordentlich registriert und gegengezeichnet“, sagt Czaja. Wie genau das Bargeld besorgt wurde, das weiß er nicht. Auf jeden Fall fuhr Glietsch mit dem ominösen Geldkoffer zum Tempelhofer Feld. Das Geld wurde übergeben, die Betten landeten in den Kabinen, alles wäre damit eigentlich erledigt gewesen.

Mit dem nächsten Problem hatte niemand gerechnet.

Es waren Betten mit orientalischen Elementen, sie sahen wunderschön aus, nur waren sie leider auch ziemlich hoch. Höher als vorgesehen. Wenn man zwei von ihnen als Stockbetten installierte, war das obere Bett so hoch, dass man über die Wand in die Nachbarkabine schauen konnte. Das wollte nun auch niemand. Aber es waren Handwerker mit Sägen da. Und irgendwann war auch dieses Problem gelöst.

„Die orientalischen Betten“, sagt Czaja, „die stehen heute noch auf dem Tempelhofer Feld.“

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