Flüchtlinge in der Hauptstadt: Sozialsenator Czaja: "Berlin gerät an die Grenzen der Kapazität"
Kaum ist Hangar 3 im früheren Flughafen Tempelhof geöffnet, ist die Halle auch schon wieder voll belegt. Weiterhin kommen täglich rund 700 Flüchtlinge in Berlin an.
Berlin muss bei der Unterbringung von Flüchtlingen dringend gemeinsame Lösungen mit Brandenburg finden, „weil die Kapazitäten in Berlin an ihre Grenzen geraten“. Das sagte Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Montag bei der Eröffnung des zweiten Tempelhofer Flughafenhangars als Notunterkunft. Hangar 3, gerade eröffnet, sollte am Montagabend mit seinen 830 belegten Doppelstockbetten als Männerunterkunft schon wieder voll sein. Das ICC, das gerade als eine der letzten in Berlin verfügbaren Großunterkünfte vorbereitet wird, kann laut Czaja aus Brandschutzgründen weniger als 1000 Menschen beherbergen.
Nun appelliert Czaja an das Nachbarbundesland, der Unterbringung von potenziell bis zu 5000 Syrern, Irakern, Iranern oder Pakistanern in den Ila-Messehallen am künftigen Großflughafen BER zuzustimmen. Das Gelände gehöre Berlin, die Messe Berlin bewirtschafte es, sagte der Sozialsenator.
Eine Million Wohnungen stehen leer
Am Montag tagten die für Flüchtlinge zuständigen Minister mit Oberbürgermeistern und Kommunenvertretern. Experten in Brandenburg geben zu bedenken, es sei auch eine Frage der Logistik und der Sicherheit, eine derart große Anzahl von Flüchtlingen unmittelbar an einem Hochsicherheitsbereich wie einem Luftdrehkreuz zu beherbergen.
Zum Appell des Sozialsenators, es könne nicht sein, dass in den neuen Ländern eine Million Wohnungen leer stehen, während die großen Städte mit ihrer hohen Attraktivität für Migranten „alle an den Grenzen der Leistungsfähigkeit arbeiten“, gibt es Entgegnungen aus Brandenburg. Die Wohnungen stünden vor allem in strukturschwachen Regionen ohne Arbeitsmöglichkeiten leer. Dort Flüchtlinge unterzubringen, die keinerlei Jobs und Perspektiven finden können, hält etwa Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) für wenig sinnvoll.
Der Berliner Sozialsenator verweist darauf, dass etwa München selbst nur 12.000 Flüchtlinge in der Stadt untergebracht habe und die übrigen Ankommenden in Bayern verteile, während der Stadtstaat Berlin bereits mehr als 50 000 Flüchtende beherbergt – in nunmehr 90 Not- und Gemeinschaftsunterkünften. Täglich kommen laut Czaja 600 bis 700 Flüchtlinge neu in Berlin an.
Im Schwimmbad duschen
Jeden Tag so viele, wie nun in Hangar 1 leben. In der beheizten Familienunterkunft stehen Zelte. Auch Hangar 4 wird – zum Schutz der wenigen ankommenden Frauen – als reine Männerunterkunft eingerichtet, mit 830 Etagenbetten. Genau so viele Männer sind es nun in Hangar 3. Je vier Doppelstockbetten stehen dicht an dicht in mit Stellwänden abgetrennten improvisierten Zimmern. Im hinteren Hangarbereich sind die Toiletten, es wird ein Essraum improvisiert, größere Aufenthaltsräume gibt es nicht. Die Menschen können auf einen Bereich des Flughafenvorfelds treten, wo die Sonne am Montag den Rosinenbomber beschien. Und sie können in ein Schwimmbad am Columbiadamm zum Duschen. Auf die bestellten Duschcontainer warten Betreiber und Sozialverwaltung noch dringlich.
Laut der Tempelhof Projekt GmbH werden alle Veranstaltungen in die Hangars 5, 6 und 7 verlegt. Vier Events gibt es noch 2015. Für 2016 seien keine Events abgesagt. Hangar 2 kann nicht genutzt werden. Im neuen Wohn-Hangar 3 sind die Doppelstockbetten aus Kiefernholz, andere Modelle wirken orientalisch verschnörkelt. Beim Rundgang sprach Berlins Sozialsenator – dank der Farsi-Kenntnisse einer ZDF-Journalistin – mit Babak Nazari, 21, und Kourosh Shariadi, 35.
Die Iraner erzählten, wie sie ihr Fluchtboot im türkischen Gebüsch selbst zusammenbauen mussten, wie der Schlepper sich auf dem Meer absetzte, wie sie die Balkanroute bewältigten, und wie einer von ihnen schon als 15-Jähriger wegen Alkoholtrinkens auf einer Party ausgepeitscht und inhaftiert wurde.
Flugzeughalle finden einige lustig
Er wolle auch zum Christentum übertreten, sagte einer – das geben übrigens viele Flüchtlinge gerade an. Auf keinen Fall wollen sie zurück in den Iran, schon aus Angst vor Strafen. Dass sie in einer alten Flugzeughalle untergekommen sind, fanden die Männer „eher lustig“.
Weniger schön fand Senator Czaja, dass in der Nacht zu Montag sogar rund 250 bereits registrierte Flüchtlinge mit Schlafsack und Decken vor dem Lageso auf der Turmstraße übernachteten, weil sie in den Schlangen für Terminkunden oder Leistungsempfänger vorne stehen wollten. Und das trotz einer Turnhalle gleich um die Ecke, die am Wochenende als Nachtstätte geöffnet worden war.
Unterdessen ist jetzt mit Klaus Keese neben Dieter Glietsch der zweite Ex-Polizeileiter ein Flüchtlingsmanager: Der verrentete Leiter der Polizeidirektion I ist nun Chef der „Besonderen Aufbauorganisation Tempelhof (BAO)“ beim Senat.