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Der Eingang des Kriminalgerichts Moabit.
© dpa / Sven Braun

Urteil gegen Berliner Frauenärzte: Ein Freispruch im Fall des getöteten Zwillings wäre richtig gewesen

Wer sich in einer quälenden Lage entscheidet, Leben zu schützen, ist kein Totschläger. Die Bewährungsstrafen gegen die Ärzte sind falsch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fatina Keilani

In dieser Situation möchte niemand stecken, weder als Elternteil noch als Arzt. Eineiige Zwillinge, 32. Schwangerschaftswoche, und dann die Diagnose, dass eines der Babys eine massive Hirnschädigung hat und kaum lebensfähig ist.

Nun die Frage: Wie kann das gesunde Kind gerettet werden? Diese Frage haben zwei Ärzte aus Sicht des Berliner Landgerichts falsch beantwortet. Am Dienstag wurden sie deshalb wegen Totschlags verurteilt, wenn auch nur zu Bewährungsstrafen.

Dennoch: Im Schuldspruch liegt das Diktum, dass das Handeln der Ärzte Unrecht war. Das kann man auch anders sehen. Sie hätten freigesprochen werden können.

Der Fall liegt neun Jahre zurück. Er ist medizinisch wie rechtlich kompliziert. Strafrechtlich wird der Fötus mit Beginn der Geburt zum Menschen – anders als im Bürgerlichen Recht, wo die Rechtsfähigkeit des Menschen mit Vollendung der Geburt beginnt (relevant bei Erbschaften).

Das heißt, der todgeweihte Fötus war strafrechtlich seit wenigen Minuten oder Sekunden ein Mensch, als er getötet wurde. So sahen es Staatsanwaltschaft und Gericht, deswegen Totschlag. Korrektes Handeln hätte aus ihrer Sicht bedeutet, den Fötus im Mutterleib "vor Öffnung des Uterus" zu töten, denn eine Indikation für eine Spätabtreibung lag vor.

Oder eben: auch das kranke Kind zur Welt zu bringen. Die Angeklagten hätten sich von dem Willen der Eltern leiten lassen, dass das kranke Kind nicht zur Welt kommt, obwohl es lebensfähig gewesen sei, so das Gericht. Ein derartiges „Aussortieren“ von kranken oder behinderten Säuglingen sei nach dem Willen des Gesetzgebers strafrechtlich aber nicht zulässig.

Das mag generell stimmen - hier jedoch gab es die Möglichkeit der legalen Tötung, allerdings um den Preis des höheren Risikos für die gesunde Schwester.

Die Zwillinge waren auf Leben und Tod verbunden

Die Ärzte jedoch wollten vor allem sichergehen, dass dem lebensfähigen Kind nichts passiert. Eine strafrechtlich korrekte Tötung hätte Gefahr für das Baby bedeutet, denn die tödliche Injektion konnte auch das gesunde Kind schädigen.

Die eineiigen Zwillinge teilten sich eine Plazenta und waren einander auf Gedeih und Verderb verbunden. So entschieden sich die Ärzte, das todgeweihte Baby erst zu töten, als das Gesunde in Sicherheit war. Diese Entscheidung verdient Respekt.

Hätten sie gehandelt wie vom Gericht verlangt, so hätten sie eine Schädigung des gesunden Kindes in Kauf nehmen müssen – auch das wäre bedingter Vorsatz, wenn nicht zur Tötung, so doch zur Körperverletzung. Das Gericht sah keine "Pflichtenkollision", da im Moment der Injektion das gesunde Kind geboren war. Bei strafrechtskonformem Handeln wäre aber genau diese Kollision entstanden.

Steht man als Arzt oder Elternteil aber vor der – quälenden – Entscheidung, in der beide Alternativen rechtlich fragwürdig, eine von beiden aber mit größerer Gewissheit lebensschützend ist als die andere, so erscheint es arg formaljuristisch, sich als Ankläger ganz und gar auf die Frage zu stützen, wann aus dem Fötus ein Mensch wird - zumal wenn in der Waagschale die Unversehrtheit seiner Schwester liegt. Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof den Schuldspruch aufhebt.

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