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Michael Braun, neuer Berliner Justizsenator.
© dapd
Update

Schrottimmobilien-Affäre: Druck auf Senator Braun wächst

CDU-Senator Michael Braun steht in der Kritik, weil er als Notar Geschäfte mit Schrottimmobilien beurkundete. Nun fordert ein SPD-Bundestagsabgeordneter: Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, muss Braun zurücktreten.

Der Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz sagt: "Wenn sich die Vorwürfe gegen den CDU-Justizsenator Michael Braun bewahrheiten, muss er unverzüglich zurücktreten. Selbst wenn das notarielle Beurkunden von Geschäften mit Schrottimmobilien nicht justiziabel ist, ist es moralisch unanständig und nicht tragbar." Nach Informationen des Tagesspiegels hat Justiz- und Verbraucherschutzsenator Michael Braun (CDU) in der Tat selbst auch Geschäfte mit Schrottimmobilien beurkundet. Dem Tagesspiegel liegt eine Kopie eines solchen Vertrages vor. Dieser gibt Einblick in die Gepflogenheiten einer Branche, die Verbraucher durch geschickte Regelungen unter Druck setzen.

Acht geschädigte Mandanten vertritt Rechtsanwalt und Notar Marcel Eupen. Drei Ehepaare und zwei Alleinstehende vertrauten Braun und dessen Notarvertreter und CDU-Parlamentarier Uwe Lehmann-Brauns. Beide firmieren in einer Kanzlei. Einige der Geschädigten klagen auf Rückabwicklung der Verträge.

Eines der Immobiliengeschäfte, die Michael Braun als Notar am 14. Juli 2010 testiert hat, betrifft eine Wohnung in der Steglitzer Alsenstraße. Das Objekt liegt im Keller eines Altbaus aus dem Jahr 1904 und war wiederholt vergeblich zum Verkauf angeboten worden. Der Preis: rund 50 000 Euro. Für dieselbe Kellerwohnung beurkundete Michael Braun etwa ein Jahr später das „Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages“ für das Dreifache dieser Summe, für 143 100 Euro.

Der Käufer hatte die Kellerwohnung nie gesehen. So steht es im Kaufvertrag mit der Firma „sendasign“. Diese wälzte sogar alle Risiken des Geschäfts auf den Käufer ab. „Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels sind ausgeschlossen“, heißt es im Vertrag. Diese Regelung gelte „für alle Ansprüche auf Schadensersatz“. Sendasign ließ sich zudem von jeglicher Haftung freistellen: „für Größe, Güte und Beschaffenheit, für offene und versteckte Mängel“. Kurzum, der Käufer zahlte viel Geld für ein ihm völlig unbekanntes Objekt. Auf Anfrage des Tagesspiegels lehnte Braun am Montag eine Stellungnahme ab.

Auch die acht Mandanten von Rechtsanwalt Eupen versichern, der Vertragstext sei ihnen nur vorgelesen, aber nicht erläutert worden. Viele beurkundete Angebote sind für den Käufer „unwiderruflich“ – für eine gewisse Zeit. So steht es in dem von Braun beurkundeten Vertrag für die Alsenstraße. Das heißt: Widerruft der Käufer nicht unmittelbar, bevor die Urkunde dem Verkäufer vorliegt, kann er nicht mehr vom Vertrag zurücktreten.

Hat Braun seine Notars-Pflichten verletzt?

„Als Verbraucherschutzsenator ist Braun nicht geeignet“, sagt Rechtsanwalt und Notar Eupen. Er habe sich in seiner Funktion als Notar offenbar nicht um die Belange der Verbraucher gekümmert. Eine der Betroffenen ist Sylke Brinkert. Sie wurde durch einen Telefonanruf und nach einem persönlichen Gespräch am 20. Juni 2011 zum Kauf einer vermieteten Immobilie in der Friedenauer Rubensstraße überredet. Eingefädelt wurde das Geschäft von der Best Concept Immobilien GmbH. Auch Brinkert hatte die 145 000 Euro teure Wohnung nie gesehen, die sie per Kredit finanzieren sollte: In der Kanzlei von Braun, Lehmann-Brauns und Dietrich Mahlo wurde das Angebot um 20.30 Uhr notariell beurkundet. Einige Tage nach Vertragsabschluss kamen der Frau Zweifel. Sie wandte sich an Rechtsanwalt Eupen. Ihm gelang es, dass der Verkäufer nicht mehr auf Einhaltung des Kaufvertrags bestand. Braun beharrte auf Zahlung seiner Notarkosten von 599,05 Euro. Eupen bemühte sich um eine gütliche Regelung. Als dies nicht gelang, reichte er eine Notarkostenbeschwerde ein, die beim Landgericht Berlin anhängig ist.

In einem anderen Fall unterzeichnete ein Fahrlehrer in der Kanzlei von Braun ein Angebot für eine 68 000 Euro teure Eigentumswohnung. Derzeit läuft vor dem Landgericht die Klage von Eupen im Auftrag seines Mandanten auf Rückabwicklung des Kaufvertrags, aber nicht gegen die Kanzlei von Braun direkt. Ein vom Gericht bestellter Gutachter taxierte den Wert der Wohnung auf 30 000 Euro. Eupen wirft Braun vor, dass er seiner „besonderen Schutz- und Belehrungsfunktion nicht nachgekommen ist“. Dafür reiche das Vorlesen schwer verdaulicher juristischer Texte allein nicht aus.

In der Regel ist die systematische Aufspaltung von Verträgen in Angebot und Annahme unzulässig und nur aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. So steht es in den Richtlinienempfehlungen der Bundesnotarkammer. In Brauns Notariat sollen aber nur Kaufangebote beurkundet worden sein. Verboten ist das zwar nicht. Die Berliner Notarkammer aber schreibt vor, dass der Notar auf die „Schutz- und Belehrungsfunktion“ bei einer Vertragsaufspaltung „besonders zu achten“ habe. Denn: Nach der Beurkundung eines Angebots bindet sich der Käufer zwingend.

Im vorliegenden Vertrag wird auf diese Aufspaltung hingewiesen. Fraglich ist aber, ob dem betroffenen Käufer die Bedeutung überhaupt klar geworden ist. Andreas Krahl, Geschäftsführer der Berliner Notarkammer, sagt: „Der Notar soll darauf hinwirken, dass der Verbraucher Gelegenheit erhält, sich mit dem Beurkundungstext auseinanderzusetzen. In der Regel soll dies geschehen, indem der Verbraucher den Entwurf zwei Wochen vor Beurkundung erhält.“ Den Entwurf müsse der Notar nicht selbst übersenden. Der Kammer lägen keine Beschwerden über Brauns Kanzlei vor. „Michael Braun ist ein unbeschriebenes Blatt“, sagt Krahl.

Am Freitag hatte Braun die Vorwürfe „ausdrücklich als unrichtig“ zurückgewiesen. Morgen will er im Rechtsausschuss Stellung nehmen. Am gestrigen Montag war entdeckt worden, dass Unbekannte vier Fensterscheiben im neuen Amtssitz Brauns in der Salzburger Straße eingeworfen hatten. Ob dies möglicherweise im Zusammenhang mit den Vorwürfen steht, ermittelt nun die Polizei.

Sabine Beikler, Ralf Schönball

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