"Berliner Pakt für die Pflege": Dilek Kolat will bis zu 10.000 Pflege-Azubis für Berlin
"Berliner Pakt für die Pflege" unterzeichnet: Berlins Gesundheitssenatorin will bessere Vergütung für Pflegekräfte - und kritisiert private Heimbetreiber.
Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) will die Zahl der Auszubildenden in der Pflege in Berlin verdoppeln. Das hat Kolat am Montag in der Senatsverwaltung angekündigt, wo sie mit Vertretern der Krankenkassen, der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerverbände den „Berliner Pakt für die Pflege“ unterzeichnete. Die Unterzeichner einigten sich auch darauf, Pflegekräften solche Löhne zu zahlen, die sich am Tarif des öffentlichen Dienstes orientieren. Altenpfleger werden laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung unterdurchschnittlich bezahlt: 2017 bekamen sie im Durchschnitt 2740 Euro Bruttomonatslohn. Kolat sagte, der Pakt verpflichte auch dazu, die Arbeitsbedingungen in Kliniken, Heimen und Pflegediensten familiengerechter zu gestalten. Derzeit werben Arbeitgeber um Pflegekräfte aus dem Ausland.
Die meisten Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt
In Berlin sind circa 45 000 Pflegekräfte tätig, ausgebildetes Personal gibt es jedoch deutlich mehr. Doch in nur wenigen Branchen wechseln Fachkräfte so oft in andere Berufe wie in der Pflege. Gabriele Schlimper vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sprach von einer „immensen Personalfluktuation“. Es müsse gelingen, Pflegekräfte zu halten und erfahrenes Personal wiederzugewinnen. Sonja Weißpflog von „Junge Pflege“ im Berufsverband für Pflegeberufe sagte, sie wünsche sich eine Veränderung des Berufsbildes: Pflegekräfte seien anfangs oft hochmotiviert. Erst der Druck im Joballtag demotiviere oft schon junge Kollegen, zumal Pflegekräfte in der Praxis oft weniger selbst entscheiden dürften als ihrem Können entspräche.
Senatorin Kolat sagte, im Lehrjahrgang 2017/2018 wurden in der Altenpflege 3038 und in der Krankenpflege 2856 Männer und Frauen in Berlin ausgebildet. Tausende neue Azubis seien aber nötig; in den nächsten Jahren müssten bis zu 10 000 Nachwuchskräfte pro Ausbildungsgang fertig werden, um den Bedarf zu decken. Rund 130 000 Berliner erhalten Hilfe aus der Pflegeversicherung – tatsächlich „pflegebedürftig“ dürften in der Stadt aber weitere Menschen sein. Fast 40 000 Betroffene werden in Heimen gepflegt, 70 Prozent werden zu Hause versorgt. Davon wiederum wird die Hälfte von Angehörigen gepflegt. Bis zum Jahr 2030 benötigen Schätzungen zufolge 200 000 Berliner Pflege. Für die angekündigte Pflegeoffensive dürfte die Akademie bedeutsam werden, die Charité und Vivantes gründen sollen. Die landeseigenen Klinikkonzerne wollen dort bis zu 2500 Ausbildungsplätze einrichten. Kolat sagte, sie suche geeignete Grundstücke für die Akademie.
Senatorin Kolat: Die privaten Verbände haben den Schuss nicht gehört
Finanziert werden soll die Ausbildungsoffensive aus Landesmitteln, den Krankenkassen und Geldern einer Umlagefinanzierung. Zu den Unterzeichnern des Paktes zählen Paritätischer Wohlfahrtsverband, Rotes Kreuz, Diakonisches Werk, Caritasverband, AOK, Arbeiterwohlfahrt, Arbeitsgemeinschaft Hauskrankenpflege, Landespflegerat, Kommunaler Arbeitgeberverband, die Gewerkschaft Verdi sowie der Berufsverband für Pflegeberufe. Es fehlen die privaten Arbeitgeber. Kolat sagte deshalb, die Privaten hätten „den Schuss nicht gehört“. Sich dem Pakt mit Blick auf die demografische Entwicklung nicht anzuschließen sei falsch.
Explizit erwähnte Kolat die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) und den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (Bpa). BpA-Landeschef Alexander Waldow sagte auf Anfrage, der Senat habe auf Vorschläge seines Verbandes nicht reagiert: So seien vom BpA entwickelte Arbeitsvertragsrichtlinien nicht aufgenommen, die zu einer besseren Bezahlung der Pflegekräfte geführt hätten. In der ambulanten Pflege werden zwei Drittel der Arbeit durch private Dienste erledigt.
Kritik kommt auch von der oppositionellen FDP. Pflegeexperte Thomas Seerig sagte, in Kolats Fokus stünden Fragen, „bei denen das Land Berlin keine Regelungskompetenz hat“. Gemeint ist die Finanzierung der Ausbildung, die von den Kassen weitgehend auf Basis von Bundesbestimmungen bezahlt werden müsste.