Berliner Universitätsklinik: Charité will 2500 Pfleger in eigener Schule
Die Charité wächst - nun arbeiten 18.000 Beschäftigte für die Hochschulklinik. Freude gibt es bei den Drittmitteln, Streit wegen fraglicher Rechnungen.
Die Berliner Charité möchte zusammen mit den ebenfalls landeseigenen Vivantes-Kliniken eine Pflegeschule mit 2500 Ausbildungsplätzen gründen. Ein solcher Pflegekräfte-Campus solle möglichst in der Innenstadt errichtet werden, sagte Charité-Vorstandschef Karl Max Einhäupl am Freitag, schon weil die Azubis in oft zentrumsnahen Kliniken eingesetzt werden sollen.
„Zu bebauende Grundstücke in Mitte gibt es nicht mehr“, sagt Einhäupl: „Wir suchen also in anderen Stadtteilen – wichtig ist aber, dass die jungen Leute sowohl schnell ihre Ausbildungsstätte als auch die Arbeitsplätze in den Krankenstationen erreichen können.“ Im besten Fall sollten die Auszubildenden auf dem Campus auch wohnen können – ein Konzept, das jahrzehntelang üblich war. Kürzlich hatte auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) angekündigt, für Polizeischüler neue Wohnungen neben den Ausbildungsstätten in Ruhleben und Friedrichsfelde bauen zu lassen.
An fast allen Kliniken werden Pflegekräfte gesucht. Die Charité wirbt derzeit Schwestern und Pfleger aus Albanien, Mexiko und Vietnam an. Anlass für die Äußerungen von Charité-Chef Einhäupl war die turnusmäßige Jahresbilanz der Universitätsklinik. Wie der Tagesspiegel schon vorab berichtet hatte, hat die Charité auch 2018 ein leichtes Plus erwirtschaftet: Das Jahresergebnis betrage 800.000 Euro, bestätigte Klinikdirektorin Astrid Lurati am Freitag. Gemessen an 1,8 Milliarden Umsatz ist dies allerdings äußerst knapp.
Die Charité ist zum besten Krankenhaus Europas gewählt worden
Charité-Dekan Axel Pries verkündete dabei am Freitag einen Rekord der Drittmitteleinnahmen mit 170 Millionen Euro – auch bundesweit sei das ein Spitzenwert. Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) sagte, das Gesamtplus sei bei steigenden Kosten „nicht hoch genug zu einzuschätzen“. Er verwies darauf, dass die Charité vom renommierten US- Magazin „Newsweek“ zu Europas bestem Krankenhaus gewählt wurde.
Am Freitag ging es noch um eine andere Summe, die zwar deutlich kleiner ist, aber beim Vorstand zu Freude führte: 508 neue Vollzeitstellen hat die Charité vergangenes Jahr geschaffen. Die meisten dieser Neubeschäftigten – Ärzte, IT-Leute, Pflegekräfte, Biologen – erhalten den jeweiligen Tariflohn. Zusammen mit ihren Tochterfirmen hat die Charité nun mehr als 18.000 Mitarbeiter, bald könnte sie Berlins größter Arbeitgeber sein.
Doch nicht alle Beschäftigten freuen sich über die Politik des Vorstands. So fordern die Ergo- und Physiotherapeuten der Tochterfirma CPPZ schon seit mehr als einem Jahr, nach dem gleichen Tarif bezahlt zu werden die Charité-Stammbeschäftigten. Dies würde für fast 100 Mitarbeiter mehrere Hundert Euro zusätzlich im Monat bedeuten. Am Freitag protestierten die Therapeuten deshalb vor der Charité-Aufsichtsratssitzung am Campus in Mitte. Aufsichtsratschef des landeseigenen Hochschulkrankenhauses ist Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD). Im vergangenen Jahr hatte das Abgeordnetenhaus beschlossen, dass die Tochterfirmen der landeseigenen Krankenhäuser wieder eingegliedert werden sollen.
„Ich verstehe die Streikenden bei der CPPZ“, sagte Einhäupl. „Bei den steigenden Kosten in Berlin kann man von diesen Löhnen nicht leben.“ Die Charité aber brauche auch Einnahmen, um die Therapeuten nach dem besseren Tarif zu bezahlen. Derzeit vergüteten die zuständigen Krankenkassen viele Tätigkeiten in einer Klinik zu knapp. Klinikdirektorin Astrid Lurati verwies darauf, dass die Fallpauschalen für die Behandlungen sich allenfalls an Durchschnittswerten orientieren. Komplexe Fälle, wie sie in der Charité behandelt werden, würden so nicht ausreichend vergütet.
Charité-Vorstandschef Einhäupl wird im September abgelöst
Den Aufsichtsrat beschäftigt derzeit noch eine andere Charité-Causa. Die Kassen beanstandeten offenbar auffallend viele Rechnungen der Klinik. Klinikdirektorin Lurati sagte, der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) stellte in den vergangenen fünf Jahren circa 26 Prozent aller Rechnungen infrage. Diese womöglich nicht korrekten Rechnungen gehören zu den besonders umfangreichen: Sie betreffen 50 Prozent des gesamten Umsatzes in der Krankenversorgung, also hunderte Millionen Euro.
Von diesen beanstandeten Rechnungen musste die Charité nach der MDK-Prüfungen auf 35 Prozent der Summen verzichten – mehr als 100 Millionen Euro behielten die Kassen also ein, weil die Charité sie mit fehlerhaften Rechnungen eingefordert hatte. Direktorin Lurati sagte, man habe Ärzte verstärkt auf die Bedeutung ordentlicher Abrechnungen hingewiesen. Der Anteil der beanstandeten Rechnungen sei inzwischen niedriger als in früheren Jahren.
In den 100 Einzelkliniken und Instituten an den vier Charité-Standorten stehen 3000 Krankenbetten. Im Jahr 2018 wurden hier 152.693 stationäre und 692.920 ambulante Fälle behandelt. Insgesamt entspricht dies ungefähr dem Vorjahr. An der medizinischen Fakultät, die zu den größten in Deutschland gehört, werden derzeit circa 7500 Studierende der Humanmedizin und der Zahnmedizin ausgebildet. Karl Max Einhäupl, der seine Laufbahn einst als Neurologe begann und die Charité seit 2008 leitet, wird in diesem September vom Göttinger Pharmakologen Heyo Kroemer abgelöst.