Pflegenotstand: Rettung aus dem Ausland?
Die Bundesregierung will Pflegekräfte aus Osteuropa und vom Balkan anwerben - zu Recht. Auch wenn es mehr braucht. Ein Kommentar.
Die Bundesregierung kann in diesen turbulenten Tagen auch mal gelobt werden. Dass gleich drei Minister aus zwei Parteien gemeinsames Handeln ankündigen, ist – mindestens atmosphärisch – ein gutes Zeichen. Und dann haben Jens Spahn (Gesundheit), Franziska Giffey (Familie) und Hubertus Heil (Arbeit) auch noch fachlich recht mit ihrer „Konzertierten Aktion Pflege“. Ja, auf dem Balkan und in Osteuropa junge Pflegekräfte anzuwerben, hilft den Heimen und Kliniken in Deutschland tatsächlich. Die Qualifizierung in Albanien, Kosovo, Serbien, auch Ungarn, der Slowakei und vor allem Polen ist hochwertig.
Pflegekräfte aus Polen haben studiert
Von Sprachkenntnissen einmal abgesehen bringen sie fast alles mit – in Polen beispielsweise haben anerkannte Pflegefachkräfte sogar drei Jahre lang studiert. Zudem gibt es schon heute wenige Rettungsstellen, Pflegeheime, ja selbst Arztpraxen, die ohne Fachkräfte aus dem Ausland auskommen. Das wohl bekannteste Krankenhaus hierzulande, die Berliner Charité, kündigte erst vor wenigen Monaten an, künftig auch Pflegekräfte aus Albanien und Mexiko zu holen, denen man bei Wohnungssuche und Deutschkursen helfen werde. Letztlich kündigt die Bundesregierung an, was die einzelnen Kliniken ohnehin tun: den Pflegenotstand durch Arbeitsmigranten abmildern zu wollen.
Nicht nur Anwerben im Ausland, auch höhere Löhne helfen
Wichtiger als das fast zwingende Bekenntnis von Minister Spahn zur Suche im Ausland sind die von Ministerin Giffey angekündigte Ausbildungs- und Informationsoffensive und das von Minister Heil angekündigte Engagement für höhere Löhne und Flächentarife. Pflegekräfte werden heute besser bezahlt als vor zehn Jahren – und trotzdem kann sich eine OP-Krankenschwester, von deren Nervenstärke, Fachwissen und Aufopferungswillen täglich das Überleben von Patienten abhängt, kaum eine Single-Mietwohnung in den Innenstädten von Berlin, Hamburg oder München leisten. Für Altenpfleger, die zudem oft in Teilzeit arbeiten, gilt das auch für viele Kleinstädte. Absehbar fehlen 50.000 Fachkräfte, sagte Spahn, vielen Stimmen aus der Branche zufolge sind es eher 100.000. Die Bundesregierung wird also beides tun müssen: im In- und Ausland in die Offensive gehen.