15 Experten und ein Auftrag: Diese Fachleute sollen Berlins Schule umkrempeln
Ein neues Gremium aus Verwaltungsfachleuten, Schulleitungen und Forschern soll Berlin aus der Bildungsmisere holen. An diesem Freitag geht's los.
Ein Gremium jenseits von Corona-Themen – gibt es so etwas noch? Ja, und zwar ab diesem Freitag um 10 Uhr. Das soll der Moment sein, in dem sich 15 ausgewählte Fachleute zusammenfinden, um Berlins Schule neu zu erfinden. Oder zumindest: besser zu machen, als sie ist.
Zu denen, die sich per Videokonferenz treffen, gehören neben Verwaltungsfachleuten und Forschern vier Berliner Schulleiter. Vier von rund 1000. Je einer von jeder allgemeinbildenden Schulform. Sie sollen den Blick aus der Praxis beisteuern. Mehr wissen sie noch nicht. Schulreform als Blackbox?
Ein bisschen schon, denn die vier Schulleitungen sind weder Verbandsvertreter noch hatten sie bisher viel mit dem zu tun, was von ihnen jetzt erwartet wird: Der Bildungsverwaltung und ihren Institutionen dabei zu helfen, schlagkräftiger zu werden und die Leistungen der Schüler zu verbessern. Denn das sind die beiden großen Aufgaben, die der neue „Beirat für die Umsetzung der Empfehlungen der Expertenkommission“ erfüllen soll.
Während die erste Aufgabe vor allem an die Adresse der anderen Beiratsmitglieder geht, sind die Schulleiter stärker gefragt bei der Schülerleistung. Auf Berlinerisch übersetzt: Schwänzerraten und Schulabbrüche reduzieren und verhindern, dass ein Drittel der Schüler die Mindestanforderungen unterschreitet. Anders gesagt: Brennpunktaufgaben.
Entsprechend ließ Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) die Leitungen auswählen – was in besonderem Maße für Ute Winterberg gilt: Deren Pusteblume-Grundschule liegt im sozial abgehängten Hellersdorf, entsprechend ist die Schülerschaft zusammengesetzt. Aber nicht nur das. Die Schule war rekordverdächtige drei Mal durch die Schulinspektion gefallen, bevor Winterberg kam. Sie weiß, wie man eine Schule „dreht“, und macht auch beim neuen "Berlin-Challenge-Programm" mit.
Für einen ebenso unbeirrbaren wie zugleich umsichtigen Ton soll auch Nina Hauer stehen. Sie ist in Steglitz-Zehlendorf bekannt, weil sie die große Bröndby-Sekundarschule erfolgreich führt. Da in ihrem Bezirk die Gymnasien den Ton angeben, haben es Sekundarschulen nicht leicht, sich im Wettbewerb zu behaupten, „aber sie schafft das“, lautet das Urteil ihrer Kollegen.
Erfahrung im schulischen Brennpunkt
Äußere Zeichen: Erfolgreiche Teilnahmen bei Wettbewerben und klare Signale. So bietet die Schule eine Türkisch-AG an, damit Schüler ihre Muttersprache „weiter ausbauen und auf dem bildungssprachlichen Niveau sprechen können“. Hauer könnte im Beirat Einiges beitragen zur Förderung einer Schüler-„Gruppe“, die vielfältig ist und über 40 Prozent der Berliner Schülerschaft ausmacht.
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Das Gleiche gilt für Michael Wüstenberg, der im Beirat die Gymnasien repräsentiert. Er ist der einzige der vier, der schon öfters Kommissionen angehörte, weil er erfahren ist und als Leiter des Weddinger Lessing-Gymnasiums ebenfalls weiß, was „Brennpunkt“ bedeutet. Seine Rolle sieht er vor allem darin, den Experten die Praxissicht nahe zu bringen.
Eine Schule, die Grenzen auslotet
Diese Vermittlerrolle passt auch zu Judith Bauch, denn ihre Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule in Pankow sucht die Nähe zur Wissenschaft, wenn es darum geht, Schule neu zu erfinden und mutige Schritte wissenschaftlich begleiten zu lassen. Bauch steht für den Versuch, an die Grenzen des in öffentlichen Schulen Erlaubten zu gehen – etwa beim Verzicht auf Noten. Sie in den Beirat aufzunehmen, dürfte ein Signal sein, ungewöhnliche Wege im Beirat mitzudenken.
Bis es soweit ist, müssen erstmal alle Aufgaben verteilt werden. Klar dürfte sein, dass sich der ehemalige Lageso-Chef Sebastian Muschter die internen Strukturen der Bildungsverwaltung vornehmen wird. Die Wissenschaftler und Verwaltungsfachleute werden es mit den großen Aufgaben wie der Neuaufstellung der Schulinspektion und der Lehreraus- und weiterbildung zu tun haben.
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Zusammenführen soll all das der Hamburger Staatsrat a. D. Michael Voges. Er hatte in der Expertenkommission mit dem Kieler Forscher Olaf Köller bereits die Vorarbeit für den Beirat geleistet.
„Ich freue mich wirklich, dass die Arbeit jetzt losgeht, und ich denke, das neue Gremium bietet gute Chancen, das Berliner Bildungssystem wirksam und nachhaltig zu verbessern“, sagte Voges dem Tagesspiegel. Dass jetzt ein Beirat die Umsetzung der Empfehlungen begleite , sei „ein Novum, und wenn es gut läuft, könnte das ein Vorbild für die Republik werden“.
Nachdem die Bildungssenatorin am Donnerstag erneut einen CDU-Entlassungsantrag überstand, wird sie jetzt auf die Expertise des Beirats setzen können. Dessen Tätigkeit soll erst dann enden, wenn alle Aufgaben abgearbeitet sind.