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Bedrohliche Enge. In der Warteschlange für die Erstregistrierung vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales geht es nicht immer so geordnet zu wie hier.
© REUTERS/Fabrizio Bensch

Flüchtlinge in Berlin: Die Zustände vor dem Lageso sind lebensgefährlich

Verschollen, überrannt, bewusstlos. Fast täglich gibt es neue Schreckensnachrichten vom Lageso. Innensenator Henkel kündigt nun beschleunigte Verfahren im einstigen LBB-Haus an.

Eine Vierjährige wird leblos in den Gängen des Lageso aufgefunden und muss 20 Minuten lang wiederbelebt werden.

Ein Mann wird in der Warteschlange von anderen Asylsuchenden überrannt und schwer verletzt.

Ein Junge verschwindet vor dem Lageso spurlos.

Ein schwerkrankes Kind muss wochenlang auf eine Unterkunft warten.

Das sind vier Fälle, die sich nach Angaben des Flüchtlingsrats und der Initiative „Moabit hilft“ in den vergangenen Wochen an der Zentralen Aufnahmestelle für Asylsuchende des Landesamtes für Gesundheit und Soziales ereignet haben.

Flüchtlinge bekommen keine ausreichende medizinische Versorgung

Der  Flüchtlingsrat spricht von „menschenrechtswidrigen Zuständen“. Die Fälle zeigten nur Ausschnitte dessen, was dort seit Wochen passiere, sagte Diana Henniges von „Moabit hilft“. „Senatsverwaltung und Lageso versagen auf ganzer Linie“, heißt es in einer Erklärung der Initiative. Die Flüchtlinge müssten nach wie vor wochenlang vor dem Lageso in der Moabiter Turmstraße warten, ohne ausreichende medizinische Versorgung, und viele auch bei Regen und Kälte im Freien.

„Die Umstände sind nicht zufriedenstellend“, sagt eine Sprecherin des Lageso. Sie wisse, dass ein Mann wiederbelebt werden musste, der kurz nach einer Herzoperation in der Warteschlange zusammengebrochen sei. Zu dem Fall des leblosen Mädchen hat sie keine Informationen, hält ihn aber nicht für ausgeschlossen. Täglich kämen rund 500 Menschen neu am Lageso an, die Mitarbeiter könnten aber nur etwa für 300 bis 400 Menschen pro Tag eine Wartenummer ausgeben, sagte die Sprecherin. Am Tag würden etwa 100 Verfahren zum Abschluss gebracht.

In Wilmersdorf soll eine zweite Erstaufnahmestelle eröffnet werden

Senat und Lageso hoffen, dass sich die Lage ab nächster Woche entspannt, wenn in Wilmersdorf eine zweite Erstaufnahmestelle eröffnet wird. Innensenator Frank Henkel (CDU) kündigte am Donnerstag im Parlament an, dass es in der Einrichtung in der früheren Zentrale der Berliner Landesbank (LBB) in der Bundesallee beschleunigte Verfahren geben solle. „Wir probieren ein Berliner Modell“ aus, sagte Henkel während der Aktuellen Stunde zur Flüchtlingspolitik.

Das zehnstöckige Gebäude mit Büros und Schaltern, die für die Registrierung von Flüchtlingen genutzt werden können, soll nach Tagesspiegel-Informationen am 15. Oktober eröffnet werden.

Die überlastete Aufnahmestelle in Moabit soll zuständig für Flüchtlinge bleiben, die länger als drei Monate in Berlin sind. In der Bundesallee sollen Neuankömmlinge aufgenommen werden. Diese machen die Hälfte der Lageso-Besucher aus. In diesem Jahr sind bisher etwa 30 000 Flüchtlinge in Berlin angekommen.

Trotz des großen Andrangs waren die bis frühmorgens um 6 Uhr und am Abend bis 19.30 Uhr verlängerten Öffnungszeiten des Lageso am Donnerstag Streitpunkt einer Gerichtsverhandlung. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschied per einstweiliger Verfügung, dass der erweiterte Service rechtswidrig erfolgt ist. Grund: Dies wurde ohne vorherige Zustimmung des Personalrates verordnet. Die Dienststelle hatte argumentiert, man habe eine Eilmaßnahme im Interesse des Amtsauftrages umsetzen müssen. Das sahen die Richter anders. Für eine solche Kompetenz der Behörde fehle in Berlin die gesetzliche Grundlage, heißt es in ihrem Beschluss. Die Klage war vom Personalrat initiiert worden, der sich übergangen fühlte. Für die Flüchtlinge wird sich durch das Urteil aber voraussichtlich nichts ändern: Behörde und Personalrat wollen über Konsequenzen sprechen, aber den Service keinesfalls verschlechtern.

Henkel erwartet "Masse der Abschiebungen"

Innensenator Henkel sagte, Bund und Land seien an den Grenzen der Leistungsfähigkeit. Durch die vielen ehrenamtlichen Helfer könne man eine „gelebte Willkommenskultur“ beobachten. Allerdings müsse jetzt das Verwaltungshandeln „stabilisiert“ werden. Neben der Unterbringung der Flüchtlinge bedeute das auch: „Wer nicht bleiben kann, muss unser Land auch wieder verlassen.“ Das Asylrecht solle die schützen, die vor politischer Verfolgung geflohen seien. Henkel geht davon aus, dass durch den Bearbeitungsstau der Asylanträge die „Masse der Abschiebungen“ noch kommen werden. „Wir müssen Zeichen setzen und Anreize minimieren.“ Das betreffe vor allem Flüchtlinge aus dem Westbalkan, bei denen die Anerkennungsquote bei fast null liege. Man dürfe die Sorgen und Ängste der Bürger nicht unterschätzen, die „aus der Mitte unserer Gesellschaft kommen“, warnte Henkel. Er könne nachvollziehen, dass der gesellschaftliche Wandel für viele zu schnell verlaufe. Die Menschen, die in Deutschland Schutz suchen würden, müssten sich „an das anpassen, was sie hier vorfinden“. Es gebe zwei Grundsätze: „Nicht jeder kann bleiben, und wer bleibt, muss sich an die Regeln halten.“

Grüne, Linke, Piraten kritisierten den Umgang des Senats mit den Flüchtlingen und forderten kürzere Wartezeiten für die Registrierung . Katastrophal seien die Unterbringung in Zelten und das fehlende Taschengeld für die Flüchtlinge über Wochen, sagte die Grüne Canan Bayram. Sie sprach von einem „inszenierten Notstand“.

Erklärung zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts:

Trotz der vielen Flüchtlinge: Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) darf die Arbeitszeiten seiner Mitarbeiter trotz des starken Flüchtlingszustroms nicht ohne Zustimmung des Personalrats ändern. Das teilte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am Donnerstag mit.

Hintergrund ist die Beschwerde eines Arbeitnehmervertreters, über dessen Kopf hinweg die Berliner Behörde die Schichtmodelle der Beschäftigten geändert hatte. Grund dafür ist demnach der große Andrang von Flüchtlingen auch in Randzeiten.

Eigentlich liegt die Kernarbeitszeit am Lageso zwischen 9.00 und 17.00 Uhr. Mitarbeiter können allerdings nach eigenem Ermessen in Gleitzeit kommen. Das Amt stellte das aufgrund der aktuellen Situation aber auf Früh- und Spätschicht um. Eine Sprecherin kündigte an, sich noch einmal mit dem Personalrat zusammensetzen zu wollen.

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