Berlins Vize-Feuerwehrchef: „Die Wahrzeichen der Stadt sind grundsätzlich sicher”
Ein Großbrand hat Notre-Dame in Paris schwer beschädigt. Für ähnlich herausragende Gebäude plant Berlins Feuerwehr im Voraus. Ein Interview.
Herr Göwecke, ein Großbrand hat Notre-Dame in Paris schwer beschädigt. Wie sicher sind Berliner Wahrzeichen?
Die Berliner Wahrzeichen sind grundsätzlich sicher. Aber man kann nicht ausschließen, dass es zu einem Brand kommt, wie vor kurzem in der Zionskirche in Mitte. Dort gab es Parallelen zu Notre-Dame: Das Feuer entstand bei Sanierungsmaßnahmen im Inneren der Kirche, während dort eine Veranstaltung stattfand. So etwas kann immer passieren, insbesondere bei Sanierungsmaßnahmen. In der Zionskirche konnten wir den Brand schnell löschen, weil wir schnell vor Ort waren und die Menschen sich auch selbst in Sicherheit brachten. Die Schäden hielten sich dort in Grenzen.
Bauarbeiten schränken also die Sicherheit ein?
Sanierungsmaßnahmen sind potenzielle Gefahrenquellen, weil der Brandschutz geschwächt ist, zum Beispiel bei Dacharbeiten mit offener Flamme. Es wird meistens in das Brandschutzsystem eingegriffen, weil zusätzliche Konstruktionen und brennbare Baumaterialen eingebracht oder Wege verstellt werden. Das Brandschutzsystem eines Gebäudes ist in der Bauphase geschwächt, deshalb braucht es ein gutes Brandschutzmanagement und Kompensationsmaßnahmen, wenn das Gebäude weiter genutzt wird, um das Risiko zu minimieren.
Angenommen, ein Wahrzeichen in Berlin gerät in Brand: Würde die Feuerwehr hier anders vorgehen als bei einem Feuer in einem Mehrfamilienhaus?
Das Vorgehen ist im Prinzip immer das gleiche, aber es gibt Unterschiede. Mit einzelnen herausragenden Gebäuden in der Stadt wie Notre-Dame werden die Feuerwehren vorab durch Begehungen vertraut gemacht. Für den Fall eines Einsatzes können die Betreiber der Feuerwehr vorab Feuerwehrpläne zur Verfügung stellen, die während der Anfahrt Pläne der Feuerwehr dann die wichtigsten Informationen über die Besonderheiten vor Ort bereitstellen.
Wie sieht es mit den Löscharbeiten bei so großen Monumenten aus: Ist es hier mit einer Drehleiter getan?
Drehleitern haben eine Arbeitshöhe von 30 Metern. Bei einem Gebäude, das höher ist, sind die Möglichkeiten von Außenlöschmaßnahmen begrenzt. Nach dem Großbrand am Deutschen Dom am Gendarmenmarkt 1994 haben wir eine Hubarbeitsbühne angeschafft, die eine Arbeitshöhe von 50 Metern hat. Eine Option ist. dass wir Unterstützung aus anderen Städten wie Cottbus, Leipzig und Hannover anfordern, die auch so eine Bühne haben – den Fall hatten wir aber noch nicht. Bei dem Feuer am Dach der Philharmonie 2008 haben wir mit der Hubarbeitsbühne und Höhenrettern gearbeitet und konnten schnell löschen. Die Brandursache waren hier Dachdeckarbeiten. Diese Ursache ist keine Seltenheit.
Wie schnell wird die Feuerwehr informiert, wenn es in Wahrzeichen wie den Staatlichen Museum brennt, wo es ja auch um die Sicherung hoher Sachwerte geht?
Idealerweise gibt es in solchen Objekten automatische Brandmeldeanlagen, die über die Auswertung von Lichtwirkung, die Detektion von Rauch und die Spektralmessung möglicher Flammen einen Brand früh erkennen. Bei solchen Objekten ist unsere Leitstelle mit der Brandmeldeanlage verbunden, der Disponent bekommt einen sehr schnellen, auf die Situation zugeschnittenen Alarmierungsvorschlag. Das geht schneller als beim manuellen Notruf über die 112. Bei den Brandmeldern spricht man von einer Einsparung in der Größenordnung von mehreren Minuten bis Stunden, das kommt darauf an, wie schnell sich der Brand entwickelt, ob es ein Vollbrand oder ein Schwelbrand ist.
„Idealerweise“ bedeutet, dass es diese Brandmeldeanlagen nicht in allen Museen und Wahrzeichen gibt?
Brandmeldeanlagen gibt es in allen Objekten, für die dies durch die Baugenehmigung eingefordert werden. Hierdurch sollten die großen Museen und vergleichbare Wahrzeichen erfasst sein.
Wie gehen Sie vor, um Sachwerte aus Museen oder Kirchen retten?
Wir kennen die Objekte, in denen sich wertvolle Kulturgüter befinden, berücksichtigen das im Fall eines Brandes, indem wir zusätzliche Einsatzkräfte schicken, die im ersten Zugriff die Kulturgüter herausholen oder gezielt schützen können. Üblicherweise wird das durch die Mitarbeiter der Einrichtungen vor Ort unterstützt. Das Abdecken der Objekte ist eine Maßnahme, um sie vor Brandrauch und bei Löscharbeiten zu schützen. Aber im Fall von Notre-Dame, wo es sicherlich eine Brandtemperatur von über 1000 Grad gab, hilft das Abdecken als Schutzmaßnahme nicht.
Karsten Göwecke ist Diplom-Physiker und stellvertretender Landesbranddirektor der Berliner Feuerwehr.