Wind, Holz und Blei: Deshalb breitete sich das Feuer so schnell in Notre-Dame aus
Viele ungünstige Faktoren förderten die rasche Ausbreitung der Flammen in Notre-Dame. Auch die Renovierungsarbeiten könnten eine Rolle gespielt haben.
Notre-Dame ist als gotisches Bauwerk eigentlich eher bekannt als Gebäude aus solidem Stein. Tatsächlich allerdings war der Anteil an Holz beim Bau der Kathedrale höher als bei vielen ähnlichen Bauwerken dieses Stils. Der Dachstuhl bestand aus Eichenholz, das so trocken war wie Holz nur sein kann. Eiche hat von den häufig vorkommenden einheimischen Hölzern den höchsten Brennwert. Pro Volumeneinheit liefert es sehr viel Energie, brennt also besonders heiß und hat damit auch das größte Potenzial, das Feuer sich weiter ausbreiten zu lassen.
Auch der eingestürzte Vierungsturm bestand zu großen Teilen aus Holz, allerdings überzogen mit Blei – eine Konstruktion aus dem 19. Jahrhundert. Weil Blei einen niedrigen Schmelzpunkt hat, kann es das Holz kaum vor Feuer schützen. Auch im gesamten Dach war reichlich Blei verbaut. Heruntertropfendes hocherhitztes Blei kann ebenfalls zur Ausbreitung des Feuers beigetragen haben.
Beobachter berichteten zudem, dass die Windrichtung eine Rolle gespielt haben könnte. Tatsächlich sorgen solche Brände aber selbst für den nötigen Nachschub an Luft und damit Sauerstoff. Die aufsteigende Hitze erzeugt Unterdruck, wodurch Luft angezogen wird.
Zur Brandursache gibt es bislang keine konkreten Untersuchungsergebnisse. Sie werden wahrscheinlich auch noch lange auf sich warten lassen. Manchmal kann die Ursache bei solchen Bränden auch gar nicht geklärt werden, da oft alle Evidenz schlicht mit verbrennt. Tatsächlich sind Feuer während Restaurierungsarbeiten aber offenbar häufiger als wenn sich Gebäude im Normalbetrieb befinden. Und wenn es möglich ist, die Ursache zu finden, hat sie oft mit den Arbeiten am Gebäude zu tun. So war für den Brand des Schlosses Windsor 1992 vermutlich ein überhitzter Bauscheinwerfer verantwortlich, und für die Verwüstungen der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar 2004 ein Elektrokabel.
Nicht der erste Großbrand bei Sanierungsarbeiten
Sascha Hothan, Leiter des Fachbereiches Brandingenieurwesen der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung in Berlin, sagte dem Tagesspiegel, aufgrund der Bauarbeiten könne tatsächlich "noch eine besondere Situation vorgelegen" haben: "Bei solchen Arbeiten kann es vorkommen, dass nicht alle im normalen Betrieb eines Gebäudes vorhandenen Maßnahmen betriebsbereit sind. Auch von offiziellen Pariser Stellen waren bereits am Montagabend Vermutungen geäußert worden, das Feuer könne im Zuge der Sanierungsarbeiten verursacht worden sein.
Auch einige andere Großbrände der jüngeren Geschichte brachen während Sanierungsarbeiten aus - etwa 1996, als La Fenice in Venedig - höchstwahrscheinlich aufgrund von Brandstiftung - bis auf die Grundmauern niederbrannte. Und 2014 und noch einmal 2018 brannte das im Jugendstil erbaute Hauptgebäude der Glasgower Kunsthochschule, ebenfalls jeweils während Sanierungsarbeiten im Gange waren.
Ursächlich für solche Brände im Zuge von Renovierungsarbeiten können neben elektrischen Installationen auch Schweißarbeiten sein, oder schlicht Zigarettenkippen. Brände, auf diese Weise ausgelöst, können unter Umständen auch auch einige Zeit im Verborgenen schwelen, bevor sie bemerkt werden. Leicht entzündliche Abfälle aus Holz oder Kunststoff seien ebenfalls häufig ein Problem, sagte der Restaurierungsexperte Edward Lewis von der University of South Florida in St. Petersburg dem Magazin 'Fast Company'.
Und erst kürzlich veröffentlichte die amerikanische Nationale Brandschutzbehörde ein Bulletin, in dem es heißt, Gebäude seien generell während des Baus oder der Renovierung „in ihrem empfindlichsten und schwächsten Zustand“. Gründe dafür seien unter anderem „Ansammlungen entzündlicher Abfälle, eingeschränkte Zugangsmöglichkeiten, begrenzter Zugang zu Wasser und riskante Arbeiten“.