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Kein Schlussstrich: Die Abiturienten des Tagore-Gymnasiums wollen an ihrer Schule etwas ändern.
© Tobias Kleinschmidt/dpa

Berliner Prüfungen lieber im September?: Die Suche nach dem idealen Abitur-Timing hat begonnen

Fair soll es sein, Corona-sicher und praktikabel: Die Planung des Abiturs 2021 könnte noch schwieriger werden als 2020. Die ersten Vorschläge liegen vor.

Eigentlich sollten die Berliner Abiturprüfungen am 12. April beginnen. Darauf waren die Berliner Schulen eingestellt – in Abwartehaltung mit Blick auf die Corona-Zahlen. Nun hat ein Forderungskatalog des Berliner SPD-Landesvorstandes die Schulen aufhorchen lassen.

"Wir sind überzeugt, dass das Augenmerk jetzt auf die Abiturprüfungen zu richten ist", heißt es in dem Vorstoß. In diesem Sinne fordert der Vorstand das Land Berlin – also die Bildungsverwaltung unter Senatorin Sandra Scheeres (SPD) – auf, "sich innerhalb der KMK für eine Erleichterung der Abiturprüfungen einzusetzen, "um die besonderen Härten der Pandemiezeit auszugleichen".

Zudem solle Berlin den Schulterschluss mit den anderen Ländern suchen, die ebenfalls einen frühen Abiturtermin haben. Das verfolgte Ziel laute, "dass die Berliner Abiturtermine deutlich später stattfinden, um eine Rückkehr zum Präsenzunterricht sowie eine ausreichende Vorbereitung für die Prüfungen zu ermöglichen". Die Verschiebung solle "mindestens sechs Wochen betragen".

Auf diesem Weg ermögliche man es den Berliner Schülerinnen und Schülern, dass sie im Vergleich zu den anderen Ländern durch den besonders frühen Termin und die zeitliche Nähe zum aktuellen Lockdown keine Nachteile erfahren.

Berliner Schulleiter reagierten seither mit den unterschiedlichsten Gegenvorschlägen. So befürwortet es Ralf Treptow von der Vereinigung der Oberstudiendirektoren, das Abitur entweder wie geplant zu schreiben – oder aber im September ein „Deutschlandabitur“. Dafür gab es am Donnerstag vereinzelt Unterstützung von Schulleitern.

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"Man könnte es im September machen wie die Bayern – von der Logik spricht alles dafür", lautete eine spontane Beifallsbekundung. Da die Lehrkräfte und die Familien der Schüler Pandemie-bedingt wohl kaum bereits ihren Sommerurlaub gebucht hätten, sei es durchaus denkbar, in den September auszuweichen und bis Weihnachten fertig zu sein, bekräftigte ein anderer Gymnasiallehrer.

"Wir tun alles, um die Termine zu halten"

Hingegen hält der Leiter des Weddinger Lessing-Gymnasiums, Michael Wüstenberg, eine derartige Verschiebung für "nicht durchsetzbar": "Wir tun alles, um die Termine zu halten", lautet Wüstenbergs Ansage. Auf jeden Fall solle kein Abiturthema aus dem Stoff des vierten Semesters bestehen.

Sven Zimmerschied, der Co-Vorsitzende der Sekundarschulleitervereinigung, hält es für selbstverständlich, dass es Vorkehrungen für eine eventuell notwendige Verschiebung gebe. Wenn für eine längere Zeit auch nach den Winterferien keine Präsenzveranstaltungen möglich seien, sei eine Verschiebung „wahrscheinlich notwendig“, sagte Zimmerschied, der die Charlottenburger Friedensburg-Schule leitet.

Für den anderen Fall, falls also der Unterricht bald nach den Winterferien weitergehe, könne das Abitur aber termingerecht stattfinden, "denn dieser Abiturjahrgang kommt mit dem Online-Unterricht gut zurecht".

"Im Brennpunkt ist jede zusätzliche Woche gut"

In diesem Punkt gibt Tilmann Kötterheinrich-Wedekind dem Charlottenburger Kollegen recht. Andernfalls brauche man mehr Zeit – zumal im Brennpunkt, betont der Leiter des Neuköllner Ernst-Abbe-Gymnasiums: "Im Brennpunkt ist jede zusätzliche Woche gut", es müssten aber nicht über sechs Wochen sein, wie die SPD es fordert.

Im Übrigen könne man alternativ auch dadurch Entlastung schaffen, dass man Themen aus dem vierten Semester weglasse, gibt er ebenso wie Michael Wüstenberg zu bedenken.

Gefordert wird eine Reduktion der Prüfungsthemen

Diesen Ruf nach einer Entschlackung der Aufgaben hört man jetzt an vielen Abiturschulen: "Man sollte nicht nur über organisatorische Alternativen diskutieren, sondern auch über die inhaltlichen Spielräume", sagte etwa der Lichtenberger Lehrer Robert Rauh. Der Stoff des zweiten und vierten Semesters müsse "nicht zwingend Prüfungsstoff sein".

Exemplarisches Lernen sei seit langem eine didaktische Vorgabe: "Nun müssen wir sie konsequent zu Ende denken – und auch exemplarisch prüfen", lautet sein Appell, "um diesen Corona-Jahrgang nicht unnötig zu benachteiligen". 

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Darüber hinaus hält es der Deutsch- und Geschichtslehrer des Barnim-Gymnasiums "schon allein aus Planungsgründen" für "unrealistisch", die Abiturprüfungen um "über sechs Wochen" zu verschieben, reagiert er auf den SPD-Vorstoß. Es solle aber geprüft werden, ob sich nicht wenigstens "der zeitliche Spielraum von zwei Wochen" ausschöpfen lasse.

Ein weiterer Anstoß Rauhs: "Es wäre überlegen, den diesjährigen Abiturient*innen ein freiwilliges Ersatzjahr einzuräumen".

Auch 2020 hatte es leidenschaftliche Diskussionen über das Abitur gegeben. Am Ende wurde es an den Nachschreibeterminen durchgezogen.

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