Grünen-Spitzenkandidatin Ramona Pop beim Tagesspiegel: "Die SPD ist machtverwöhnt"
Die grüne Spitzenkandidatin Ramona Pop forderte im Wahlforum nicht weniger als einen Neuanfang in der Berliner Politik. Von einem Dreierbündnis sprach sie nicht gern.
Atmosphärisch könnte es in einer rot-rot-grünen Koalition in Berlin Spannungen geben. Eher reserviert äußerte sich Grünen-Fraktionschefin und Spitzenkandidatin Ramona Pop beim Tagesspiegel-Wahlforum am Dienstagabend auf die Frage, ob sie dem Regierenden Bürgermeister und SPD–Spitzenkandidaten Michael Müller vertraue. „Wir kennen uns seit vielen Jahren und haben ein vernünftiges, kollegiales Verhältnis miteinander.“ Und wie kommt sie mit Klaus Lederer, dem Spitzenkandidaten der Linken, aus? „Gut, wir duzen uns“, sagte sie betont knapp.
Die Linke sei für die Grünen ein politischer Konkurrent. Man habe punktuell gut in der Opposition zusammengearbeitet. Es gebe aber unterschiedliche Schwerpunkte. „Die Grünen stellen sich breiter auf, von der Verwaltungsmodernisierung bis zum Klimaschutz“, sagte Pop und betonte, unter Rot-Rot sei der Klimaschutz unter die Räder gekommen.
Die Grünen sprechen nicht gern von einem Dreierbündnis. „Ich möchte mich nicht darauf einrichten, dass es eine Dreier-Koalition gibt, das hat sich noch nicht ganz entschieden“, sagte Pop. Vieles sei in Bewegung. Und deshalb führten die Grünen einen Wahlkampf um jede Stimme bis zum Wahltag.
Vertrauen in SPD nicht groß
Eine „Art Neuanfang“ wollen die Grünen. Und dafür brauche man einen „neuen Politikstil miteinander“. Doch das Vertrauen in die SPD scheint nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen 2011 nicht groß zu sein. „Die SPD ist machtverwöhnt. Sie blinkt grün, und dann bekommt man schwarz“, sagte Pop. Dass sie der Regierende in einer Kandidatenrunde als ahnungslose Oppositionskraft hinstellte, erklärt sich Pop mit „Nervosität im Wahlkampf. Aber diesen Ton sollte man nicht miteinander pflegen“.
Pop antwortete eineinhalb Stunden inhaltlich fundiert auf Fragen, ließ aber keine Gelegenheit aus, über die CDU und deren Spitzenkandidaten Frank Henkel zu schimpfen. Mit der CDU könne man „keine moderne Politik“ machen. Seit eineinhalb Jahren habe sich der Weg zwischen Grünen und CDU geschlossen. Das habe mit der Ablehnung der „Ehe für alle“ begonnen und sei „Schlag auf Schlag in den letzten Monaten“ weitergegangen mit Henkels Forderung nach einem Burka-Verbot und der Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft. Und deshalb habe man letztlich eine Koalition mit der CDU ausgeschlossen. Pop verschwieg, dass der Ausschluss nach Müllers Aussage zu einer Präferenz für Rot-Grün verkündet wurde – wohl auch aus Furcht, nach dem SPD-Strategiewechsel rot-grüne Wechselwähler an die SPD zu verlieren. Gelächter im Publikum löste ihre Antwort auf die Frage aus, ob die Grünen Steigbügelhalterin der SPD sein wollten. „Man kann nur mit den Mädchen tanzen, die auf der Tanzfläche sind.“ Und in diesem Fall seien es eben Männer.
Der BER war auch in der letzten der fünf Tagesspiegel-Wahlrunden Thema. Pop will dem Großflughafen „keinen Euro mehr“ als die sechs Milliarden Euro EU-Hilfen aus Brüssel genehmigen. „Das ist ausreichend. Er wird zuende gebaut ohne weitere Girlanden und Firlefanz“. Die von der FDP geforderte Offenhaltung von Tegel bezeichnete sie als „Wahlbetrug mit Ansage“. Für eine Schließung gebe es mehrere Gerichtsurteile und einen Planfeststellungsbeschluss.
„Darüber wird nach der Wahl gesprochen“
In der Verkehrspolitik setzen die Grünen auf einen sukzessiven Austausch von Firmenflotten durch Elektrofahrzeuge, um die Feinstaubbelastung zu reduzieren. Eine „Art Revolution“ erlebe man derzeit durch die Zunahme des Fahrradverkehrs auf den Straßen. Die Grünen unterstützen zwar den Fahrrad-Volksentscheid. Explizit sagte Pop, dass die Forderungen keine Bedingungen für eine Koalition wären. „Die Notwendigkeit orientiert sich an der Wirklichkeit“. Eine Regierung könne sich nicht mehr davor drücken, Radschnellwege oder mehr Parkmöglichkeiten zu errichten.
Die Grünen wollen auch mehr Wohnungen bauen und Konflikte „im Dialog mit den Bürgern“ lösen. Pop forderte eine klare Aufgabenverteilung zwischen Senat und den Bezirken, um die Verwaltungsabläufe zu beschleunigen. Die früheren Regierungen hätten viel Personal abgebaut, parallel aber kein Personalentwicklungskonzept vorgelegt.
Welche Bereiche den Grünen in einer Koalition wichtig wären, wollte Pop nicht beantworten. „Darüber wird nach der Wahl gesprochen.“ Immerhin ließ sie sich entlocken, dass die Grünen für ein eigenständiges Kulturressort plädieren und die Reibereien zwischen freier Szene und Hochkultur beenden wollen.