Berlin im Kalten Krieg: Die Rosinenbomber kehren zurück
Zum 70. Luftbrückenjubiläum besucht eine Rosinenbomber-Flotte Berlin. Auch der 97-jährige Ex-Pilot Gail Halvorsen will kommen
Auch Gail Halvorsen will unbedingt wieder dabei sein. Das hat er sich fest vorgenommen. Gesundheitlich sei er noch voll fit, hat der 97-jährige einstige Pilot der US Air Force in seiner Heimatstadt Salt Lake City jüngst mit einem Schmunzeln erklärt. So erzählen es die Organisatoren eines geplanten Spektakels am Himmel über Berlin und Brandenburg, wie es die Stadt letztmals während der Luftbrücke vom 26. Juni 1948 bis zum 30. September 1949 erlebt hat.
Es dauert noch eine gute Weile, bis die weltberühmte Hilfsaktion 70 Jahre zurückliegt und 2019 das Jubiläum ihres erfolgreichen Endes gefeiert wird, aber die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.
Der „Big Lift“ der Westalliierten zur Rettung von West-Berlin soll vom 10. bis 19. Juni 2019 bundesweit neu inszeniert werden – mit Care-Paketen, Candy-Dropping, Schauflügen und vielem mehr. Als Höhepunkt werden mindestens 40 der legendären „Rosinenbomber“ aus aller Welt Kurs auf Berlin nehmen und wie einst in Reih und Glied hintereinander über die frühere sowjetische Besatzungszone fliegen – mit dem dumpf-satten Dröhnen der Pratt&Whitney-Kolbenmotoren.
Also: „Ready for take off“ auch für Gail Halvorsen. Ein Passagiersitz in einer der beteiligten DC-3 oder DC-4 ist für ihn reserviert. Schließlich hat man ihn zum Schirmherrn der Aktion gekürt. Halvorsen hatte als Luftbrücken-Pilot die Idee zur Candy-Aktion, wackelte im Anflug auf Tempelhof mit den Flügeln und warf aus seinem „Rosinenbomber“, wie die Maschine bald genannt wurde, an Taschentuch-Fallschirmen befestigte Süßigkeiten für die Kinder ab.
„Die Rückkehr der Rosinenbomber nach 70 Jahren war eigentlich eine verrückte Idee“, erzählt der Hamburger Unternehmensberater Thomas Keller. „Aber dieses Projekt hat uns derart fasziniert, dass wir es nun verwirklichen.“ Seit Mitte 2016 plant Keller zusammen mit zwei Kompagnons die Jubiläumsaktion. Zu den Initiatoren gehören noch Peter Braun, ein Berufskollege von Keller aus dem niederländischen Groningen, und Jörg Siebert von der Nordseeinsel Föhr.
Die Drei sind luftfahrtbegeistert, kennen sich vom sportlichen Fallschirmspringen und haben schon jede Menge in die Wege geleitet: Die Länder Berlin und Brandenburg gaben ihr Okay, Bundeswehr und US-Armee sowie etliche zivile Sponsoren unterstützen das Vorhaben, 40 Besitzer noch flugfähiger Kult-Maschinen haben bereits fest zugesagt, und das organisatorischen Drumherum steht weitgehend. Nun ist das Trio dabei, seine Privatinitiative in einen gemeinnützigen Verein umzuwandeln. Und am heutigen Montag stellt Thomas Keller das Projekt in der Technischen Universität (TU) erstmals öffentlich vor. Die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt hat ihn eingeladen.
Wo soll die beeindruckende Veteranen-Flotte überhaupt landen? Die früheren Flughäfen Tempelhof und Gatow waren zwar in den Tagen der Luftbrücke die wichtigsten Start- und Landeplätze, sind aber längst stillgelegt. Tegel und Schönefeld kämen aus Kapazitätsgründen gleichfalls nicht in Frage, sagt Keller.
„Die Parkflächen würden für derart viele Oldies nicht ausreichen.“ Deshalb hat man sich auf den Airport Schönhagen bei Trebbin im Süden Berlins geeinigt. Dort sollen die fliegenden Luftbrücken-Denkmäler am 15. Juni 2019 wie einst im Drei-Minuten-Takt aufsetzen und anschließend „hautnah zu besichtigen sein“. Inwieweit sie zuvor oder bei späteren Schauflügen wenigstens Berlin überqueren und Candys abwerfen können – diesmal auch über dem Osten der Stadt – muss mit den Luftsicherheitsbehörden noch geklärt werden.
Dreißig Meter von Flügelspitze zu Flügelspitze, zwölf Tonnen Gewicht, Höchstgeschwindigkeit 290 km/h – aber vor allem voller Berliner Geschichte: Das ist der Steckbrief der zweimotorigen DC-3 aus den Werkshallen der Douglas Aircraft Company. Etwa 16.000 Exemplare des „Silbervogels“ wurden als Transport- und Passagiermaschine von 1936 bis1945 produziert, kein anderes Flugzeug revolutionierte den Flugverkehr so wie die DC-3 und ihre ab 1942 gebaute viermotorige Nachfolgerin, die DC-4. Beide haben wie ihre militärischen Varianten, die C-47 Skytrain und die C-54 Skymaster, seit dem Big Lift das beste Image – gelten als unverwüstliche fliegende Packesel.
Monatelang haben die Initiatoren weltweit korrespondiert, um an die mehr als 150 noch flugtauglichen Maschinen heranzukommen. Inzwischen liegen Zusagen aus Deutschland und ganz Europa vor, aber auch aus Australien sowie vom amerikanischen Kontinent. Die meisten Maschinen gehören Privatleuten oder Vereinen, doch einige sind auch noch voll in Betrieb: Rosinenbomber aus Blockade-Tagen versorgen kolumbianische Dschungeldörfer aus der Luft, in Kanada können Nostalgiker mit „Buffalo Airways“ Linienflüge mit der DC-3 erleben, in Kenia ebenfalls.
Eine Schweizer DC-3 umrundete im Sommer 2017 die Welt, und nach dem Hurrikan „Maria“ in Puerto Rico absolvierte eine DC-3 im vergangenen September Hilfsflüge. „Das ist eben ein klasse Flugzeug“, schwärmt Thomas Keller.
Der Flugplan der engagierten Jubiläumsmaschinen sieht eine Wiedersehenstour zu den Schauplätzen von 1948/49 vor. Nach ihrer Ankunft in Deutschland steuern sie zuallererst den Flughafen Wiesbaden-Erbenheim der US Air Force an, wo sie vom 10. bis 12. Juni bleiben und besichtigt werden können.
Anschließend sind sie vom 13. bis 14. Juni auf dem Bundeswehr-Flugplatz Faßberg bei Celle zu Gast, von dort geht es weiter zum Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel. Das macht historisch gesehen Sinn, denn von allen drei Orten starteten während der Luftbrücke Rosinenbomber nach West-Berlin.
Am 15. Juni folgt dann die letzte Etappe von Hamburg nach Schönhagen, wo die Candy-Bomber bis zum 18./19. Juni bleiben. Im Anflug soll auf jeden Fall Berlin-Gatow überquert werden. Und im Gepäck sollen sie zahlreiche Care-Pakete für Berliner Kinder und Jugendliche haben. Mit Faßberger Schulen ist bereits abgesprochen, dass sie diese als Luftfracht für die Hauptstadt zusammenstellen.
Der „Big Lift“ sei ja keineswegs nur eine militärische Aktion gewesen, betont Thomas Keller. „Es war ein internationaler, friedlicher Widerstand, der vom Militär stark unterstützt, aber auch von tausenden Zivilisten getragen wurde.“ Als „Heerschau“ wollen die Initiatoren ihre Jubiläumsaktion deshalb keinesfalls verstanden wissen.
Die Rückkehr der Rosinenbomber, sagt Keller, soll vielmehr „die technisch-logistische Meisterleistung“ erlebbar machen, mit der zwei Millionen West-Berliner versorgt wurden. „Das ist eine Geschichte von Freundschaft, Solidarität, Mut und Durchsetzungskraft.“
Wo kann man in Berlin schon heute „Rosinenbomber“ aus den Zeiten der Luftbrücke besichtigen?
Am Rande des einstigen Tempelhofer Flughafens, hinter dem Zaun zum Columbiadamm, ist eine Douglas C-54 Skymaster geparkt, die Militärversion der DC-4. Über der Terrasse des Deutschen Technikmuseums am Landwehrkanal schwebt eine zweimotorige C-47 B Skytrain, die militärische Variante der DC-3.
Das Militärhistorische Museum auf dem früheren Flugplatz der britischen Royal Air Force in Gatow zeigt eine DC-3 der australischen Luftwaffe, die während der Luftbrücke eingesetzt war. Und im Hof des Alliierten Museums an der Zehlendorfer Clayallee steht die britische Variante des Rosinenbombers: eine Hastings TG 503 des Herstellers Handley Page. Davon gibt es weltweit nur noch vier Exemplare. Im Bauch der Maschine werden sonntags von April bis Oktober Dokumentationsfilme über den „Big Lift“ gezeigt.
Die einzige flugtaugliche DC-3 der Stadt war bis 2010 eine für Rundflüge genutzte Maschine des Air Service Berlin. Doch vor sieben Jahren machte sie in Schönefeld eine Bruchlandung, erlitt dabei gravierende Schäden und konnte danach nicht mehr starten.
Um die Maschine wieder flugfähig zu machen, hat der „Förderverein Rosinenbomber“ mit Spendengeldern einen baugleichen Flieger aus England gekauft – und zwar als Ersatzteillager. Doch bis der alte Vogel wieder abheben kann, ist noch viel zu tun. Zahlreiche behördliche Auflagen müssen zuvor erfüllt werden.
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