Pop-Ikonen in Berlin: Die Rolling Stones spielen im Olympiastadion
Einst zerlegten Fans die Waldbühne. Ein halbes Jahrhundert später laden die Rolling Stones ins Berliner Olympiastadion. Und eine neue Ausstellung gibt's auch.
An den roten Zungen sollt ihr sie erkennen. Die sind ja längst Pop-Ikonen, aber die Rolling Stones haben in Berlin schon viele Gesichter gezeigt. Wenn sie an diesem Freitagabend im Olympiastadion auftreten, werden sicher Veteranen dabei sein, auch solche, die schon 1965 in der Waldbühne auf den für eine schlappe halbe Stunde angesetzten Auftritt der Stones warteten.
Die Jugendzeitschrift „Bravo“ hatte geladen. Aber nach 20 Minuten musste dieses frühe Kapitel der Berliner Rockgeschichte schon beendet werden mit einer verheerenden Bilanz, die sich im Tagesspiegel so las: „Pilzleuchten, Hydranten, die gesamte Rasenfläche, der größte Teil der Holzzäune und des eisernen Geländers, 70 bis 80 Prozent der Sitzgelegenheiten mussten dran glauben...“. Die Polizei zählte 85 Festnahmen und 87 Verletzte. Lange her.
Der sechste Auftritt in diesem Monat
Ganz so wild wird es am Freitag nicht zugehen, denn nicht nur die Rockstars sind älter geworden, sondern auch ihre Zuhörer. Und die jüngeren Zuhörer, die schon mal Mick Jaggers modelnde, jüngste Tochter Georgia May auf der Fashion Week anhimmeln, sind ja sowieso viel vernünftiger. Die Eminenzen der Rock-Geschichte sind groß in Form.
Der Auftritt im Berliner Olympiastadion ist für die Rolling Stones der sechste in diesem Monat. Gerade waren sie in Großbritannien unterwegs und was von den dortigen Shows bekannt geworden ist, lässt schon einige Schlüsse für den noch nicht ausverkauften Berliner Auftritt zu. Am Donnerstag sind sie in Berlin gelandet; die Nacht verbrachten sie laut "Bild" im Hotel Adlon am Brandenburger Tor.
So spielten die Stones zuletzt stets 19 Songs, wobei sie – im Unterschied zu den meisten anderen Stadionbands – nicht überall mehr oder weniger dieselbe Setlist runterrissen, sondern sie munter durchmischten. Einzig das „Let It Bleed“-Album mit vier Titel stach ein wenig heraus.
Und wie geht’s los? Zuletzt sind Mick & Co. zwei Mal mit dem Dreierschlag aus „Street Fighting Man“, „It’s Only Rock’n’Roll (But I Like It)“ und „Tumbling Dice“ eingestiegen. Aber auch „Start Me Up“ und „Jumping Jack Flash“ waren auf der „No Filter“-Tour schon einige Male die Show-Opener. Diese beiden Superhits sind auf jeden Fall immer dabei.
Kaum eine Rolle wird hingegen das letzte Album „Blue & Lonesome“ spielen, von dem sie meist nur einen Titel einstreuen. Im Dezember 2016 als erstes Studioalbum seit elf Jahren veröffentlicht, war es eine Rückkehr zu den Blueswurzeln. Wie einst verneigten sich die Rolling Stones, die sich nach einem Muddy-Waters-Song benannt haben, vor ihren Idolen, indem sie ihre Stücke coverten. Buddy Johnsons „Just Your Fool“ war dabei auch auf der Tour einige Male zu hören – mit Mick Jagger an der Mundharmonika.
Der agile 74-jährige Sänger wird wie immer das Geschehen dominieren und in kleinen schnellen Trippelschritten auf der Bühne herumwiseln, während Keith Richards cool hinter ihm steht. Für zwei Songs in der Konzertmitte kommt der Leadgitarrist nach vorn ans Gesangsmikro. Zugaben wird es nur zwei geben, aber die haben es in sich. So weit es sich jetzt schon sagen lässt, dürfte für die Fans „Satisfaction Guaranteed“ sein.
Nach dem turbulenten Auftakt 1965 war das nicht nur bei Konzerten der Fall. Über ein besonderes Erlebnis konnten sich die Gäste beim Berlinale-Eröffnungsfilm vor zehn Jahren freuen, bei der Weltpremiere von „Shine a Light“. Während Hollywood-Stars sich während der Vorführung oft in einschlägige Restaurants abseilen, blieben die Band-Mitglieder sitzen, und Mick Jagger hatte eine sehr einleuchtende Begründung.
Zwar habe ihn allein das Zuschauen völlig erschöpft, sagte er damals am Ende der Vorstellung: „Aber es ist großartig, den Film auf einer so großen Leinwand zu sehen.“ Die Begegnung mit der eigenen Jugend genossen damals unter anderem der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ex-Außenminister Joschka Fischer.
Ausstellung in der CWC Gallery
Selbst wenn sie als solche nicht auf Anhieb erkennbar sind, werden auch am Freitag Honoratioren auf der Bühne stehen. Sir Mick Jagger wurde schon vor über 20 Jahren von der Queen zum Ritter geschlagen, er ist Ehrenpräsident der University of London, außerdem Vater von acht Kindern, Großvater von vier Enkeln und außerdem bereits Urgroßvater.
Also ein geradezu überlebensgroßer Beweis für die These, dass, wer seine wilde Jugend gründlich auslebt, es dann im Leben auch richtig zu was bringt. Warum er sich das anstrengende Bühnenleben immer noch antut, die Frage ließ Mick Jagger bei seinem Berlinale-Auftritt 2008 unbeantwortet, vielleicht weil er sie als rhetorisch empfunden hat. Wie kann man mit der Musik aufhören, wenn sie das Lebenselixier ist? Das hat ja nichts mit Geld und Würden zu tun.
Was dieses Leben mit Gesichtern macht, ist immer eine spannende Frage, egal, ob man Politiker ist oder Rockstar. Dazu zeigt die CWC Gallery von Camera Work eine eigene Ausstellung, die sich die Musiker allerdings selber nicht anschauen werden, obwohl sie natürlich eingeladen wurden. Bis zum 21. Juli kann man sich die Stones-Portraits von 15 weltberühmten Fotografen, darunter Peter Lindbergh, Herb Ritts und Bryan Adams, in Ruhe und Stille anschauen.
Ausstellung „The Rolling Stones“, CWC Gallery, Auguststr. 11-13, Di-Fr 10-18, Sa 11-18 Uhr, Eintritt frei.