Neu in der BVV Steglitz-Zehlendorf: Die Linksfraktion muss jetzt liefern
Nachdem sie in die BVV Steglitz-Zehlendorf gewählt wurde, will die Linksfraktion ihre Themen auch durchsetzen: Schulsanierung, bezahlbarer Wohnraum, attraktiver öffentlicher Nahverkehr.
Wenn Gerald Bader (Linke) an den mit großer Mehrheit in der Mai-Sitzung der BVV abgelehnten Antrag seiner Fraktion zur Bildung eines Sonderausschusses für Schulsanierung in Steglitz-Zehlendorf denkt, sitzt er plötzlich aufrecht. Der sonst eher zurückhaltende Typ spricht hierzu klare Worte. „Dass der Antrag ohne Überweisung in einen Ausschuss und ohne Diskussion zur Abstimmung kam, zeigt, dass die Idee schnellstmöglich und unauffällig abgewickelt werden sollte“, erklärt er.
Eine herbe Niederlage, aber auch ein Lernprozess für die junge und derzeit kleinste Fraktion in der BVV von Steglitz-Zehlendorf. In dieser Legislatur sind die Linken zum ersten Mal als Fraktion hier im Bezirksparlament vertreten.
Und so mischen sich in Enttäuschung und Ärger zugleich auch Angriffslust und Tatendrang. „Wir wurden gewählt, jetzt müssen wir liefern“, sagt Fraktionsvorsitzender Bader und lehnt sich wieder in seinen Stuhl zurück. Der 49-jährige studierte Sozialpädagoge ist in Wannsee aufgewachsen, wo er heute auch wieder wohnt. Sein Studium finanzierte er sich als Pfleger in Krankenhäusern und Altersheimen. Später arbeitete er lange mit behinderten Menschen. Die Themen, um die er sich hauptsächlich in der BVV kümmert, kommen deshalb aus den Bereichen Gesundheit, Pflege und Soziales.
In Bezug auf den Sonderausschuss für Schulsanierung bleibt Gerald Bader bei seiner Forderung. Damit könne man den Bürgern signalisieren, dass das Thema ganz oben auf der Agenda im Bezirk steht. Es könnten Kräfte gebündelt, Experten, Schulleiter und Eltern eingeladen werden. Zugleich würde der Ausschuss für Schule, Bildung und Kultur von diesem übergroßen Thema entlastet.
So will seine Fraktion noch einen weiteren Anlauf nehmen, möglicherweise einen Gemeinschaftsantrag mit anderen Fraktionen. Denn im persönlichen Gespräch nach der letzten BVV-Sitzung, etwa mit Vertretern von SPD und Grüne, die den Antrag zuvor abgelehnt hatten, sei aufgefallen, dass es durchaus Befürworter der Idee gebe. Ihre Entscheidung hätten sie unter anderem gerechtfertigt mit: „Wir haben uns nicht ausreichend mit dem Antrag beschäftigt.“
Und genau in diesem Punkt, im politischen Miteinander in der BVV, sehen die drei Linken - Gerald Bader, Mathias Gruner und Hans-Walter Krause - ein Problem. „Vielleicht hatten wir hier zu idealistische Vorstellungen“, geben sie zu.
Hinter den Kulissen seien alle freundlich und zugänglich, anders dann in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Manche Anträge, die ihrer Ansicht nach diskussionswürdig seien, würden abgewickelt, hingegen andere, die weniger komplexe Themen behandelten, in so viele Ausschüsse wie möglich verschoben. Damit wolle man wohl Zeit gewinnen, glauben sie. „Das ist ein destruktiver Politikstil und lähmt die Arbeit der BVV“, erklärt Hans-Walter Krause.
Beispiel: ein Antrag, dass rund 25 Prozent mehr Stühle für Besucher der BVV-Sitzungen in den Rathaussaal gestellt würden. Das sei notwendig, weil viele Bürger, die die Sitzung besuchen, mitunter stundenlang stehen müssen. Der Antrag wurde in den Ausschuss für Hochbau überwiesen. „Das ist eine Politposse“, ärgert sich Krause und lacht laut. Doch es ist kein fröhliches Lachen, eher ein bitteres, ein verachtend klingendes. Denn eine Diskussion sei hier bei dem Thema überflüssig. „Entweder man ist dafür oder dagegen, Stühle gibt es genügend, das kostet doch nichts.“
Hans-Walter Krause, 58 Jahre alt, kommt ursprünglich aus Solingen, lebt seit 1991 in Berlin, seit sieben Jahren in Steglitz-Zehlendorf. Bevor der Diplom-Sozialarbeiter sich bei den Linken engagierte, war er in den 1980er Jahren in seiner Heimatstadt bei den Grünen politisch aktiv, unter anderem als Mitglied im Solinger Stadtrat.
Auch bezahlbarer Wohnraum ist ein Thema
Jetzt in der BVV-Fraktion hier im Bezirk kümmert er sich beispielsweise um die Bereiche Integration, Naturschutz, Schule, Bildung und Kultur. Das dritte und mit 29 Jahren jüngste Fraktionsmitglied ist Mathias Gruner. Er ist in Neuhaus (Thüringen) aufgewachsen und lebt seit 2008 in Berlin. An der Freien Universität (FU) studierte er Chemie, arbeitet jetzt aber als Bundesfreiwilliger in einer Einrichtung für körperlich und geistig beeinträchtigte Menschen. Er kümmert sich in der BVV unter anderem um die Bereiche Bauen, Stadtplanung, Ordnung und Verkehr.
Neben der schnellen Schulsanierung gibt es zwei weitere Schwerpunktthemen, der sich die Linksfraktion annehmen möchte: sich für einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr, wie etwa für die Wiederinbetriebnahme der Stammbahn einzusetzen und für bezahlbaren Wohnraum zu kämpfen.
Allen voran fällt ihnen da das Bauvorhaben in Lichterfelde-Süd auf dem ehemaligen Militärgelände „Parks Range“ ein. Hier plant die Groth-Gruppe etwa 2850 Wohneinheiten. Laut der Linksfraktion seien 25 Prozent für 8,50 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete, der Rest für 11,50 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete sowie als Eigentum vorgesehen. Zu wenig bezahlbarer Wohnraum, finden sie.
„Selbst die 8,50 Euro sind viel zu teuer für Menschen, die Lohnersatzleistungen oder eine niedrige Rente bekommen“, erklärt Mathias Gruner. Außerdem finde er es ungerecht, dass die Wohnungen mit niedrigeren Mietpreisen meist eine unattraktive Lage hätten, etwa zur Straße hinaus oder mit Aussicht auf eine Lärmschutzwand. Es ist zu spüren, wie nah ihm das Thema geht, denn er redet sich regelrecht in Rage. Gruner habe viel mit Zurückgelassenen zu tun und er selbst sei in einfachen Verhältnissen aufgewachsen.
Deshalb wolle sich seine Fraktion dafür einsetzen, dass die Menschen, die in der so genannten Thermometersiedlung wohnen, also in unmittelbarer Nähe zu dem geplanten neuen Wohngebiet, nicht zurückgelassen werden. Gruner schlägt vor, das Gebiet unter Milieuschutz zu stellen, es als soziales Erhaltungsgebiet auszuweisen. Dann wäre die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig und auch für Sanierungsmaßnahmen und andere bauliche Veränderungen bräuchte der Eigentümer jeweils eine Genehmigung.
Es mangelt ihnen also offenbar nicht an Ideen. Die drei neuen Fraktionäre scheinen in der BVV von Steglitz-Zehlendorf angekommen zu sein. Zwar hat es ein wenig gedauert, wie sie selbst zugeben, „aber jetzt sind wir da.“ Und dann verraten sie noch, welches Image ihnen ganz gut gefallen würde: „wenn wir als soziales Gewissen in der BVV wahrgenommen werden.“
Der Artikel ist Teil unserer Mini-Serie zu den neuen Fraktionen in der BVV Steglitz-Zehlendorf. Die nächste Fraktion, die wir vorstellen, ist die AfD.