Mai-Sitzung der BVV Steglitz-Zehlendorf: „Die BVV soll effektiver werden“
Die Bezirksverordnetenversammlung fordert sowohl die Wiederinbetriebnahme der Stammbahn als auch einen Radexpressweg entlang der Trasse. Die Sitzung der BVV glich in ihrer Qualität einer Berg- und Talfahrt.
Wenn die gesamte Debatte ein Berg wäre und die Höhe für die Qualität der Diskussion spräche, dann war die Sitzung der Bezirkspolitiker im Mai wohl mit viel gutem Willen der Hügel mit dem Spielplatz vor dem Teufelsberg. Ab und zu gab es allerdings auch Teufelsberg-Besteigungen – zum Beispiel die Debatte um die Stammbahn und den Fahrradschnellweg: SPD, CDU, Grüne und Linke forderten in einem Antrag, dass sowohl die Stammbahn wieder in Betrieb gehen und zugleich ein Fahrradschnellweg entlang der Trasse geschaffen werden sollte. Kay Ehrhardt, Fraktionsvorsitzender der FDP widersprach: Weil die Deutsche Bahn und das Eisenbahnbundesamt sich keinen Fahrradexpressweg auf der Trasse selber vorstellen können, sollte man den Fahrradweg aus dem Antrag streichen und nur noch die Reaktivierung der Stammbahn fordern. Er betonte: „Wenn der Radweg machbar ist, werden Sie die Unterstützung meiner Fraktion haben.“ Die Antragsteller fochten für die Original-Formulierung, dass der Fahrradschnellweg "soweit wie möglich direkt neben der Stammbahnstrecke" gebaut werden solle – wenn direkt neben den Gleisen nicht ginge, dann sei das eben so.
Einstimmig nach langer Debatte
Nach einer langwierigen Debatte, die sich im Wesentlichen darum drehte, welche Partei als erste die Stammbahn wieder haben und einen kreuzungsfreien Fahrradexpressweg bauen wollte – das Niveau hatte den Parkplatz vor dem Teufelsberg erreicht –, stimmten schließlich doch alle Bezirksverordneten für den Antrag: Die BVV Steglitz-Zehlendorf fordert sowohl die Reaktivierung der Stammbahn als auch den Bau eines Fahrradschnellwegs.
Absoluter Tiefpunkt des Abends – gefühlt weit unterhalb des Tiergartentunnels – waren die Ausführungen der AfD-Bezirksverordneten Yvonne Cremer zum Antrag der Grünen, den 80. Jahrestag der Bombardierung von Guernica angemessen zu begehen. Was eigentlich ein kurzer Tagesordnungspunkt hätte sein können, schließlich liegt der 80. Jahrestag schon drei Wochen zurück, wurde zum Politikum. „Das war kein Terrorakt gegen die Bevölkerung“, erklärte die AfD-Politikerin. Das Ziel der Bombardierung sei eine Brücke gewesen, das sei „kriegstechnisch legal“ gewesen. Raunen im Saal.
Und dann ging der Grüne Lukas Uhde an das Rednerpult und zitierte aus der Neuen Zürcher Zeitung vom 28. April 1937: „Montag war Markttag in Guernica: Der Marktplatz war mit Bauern angefüllt, als die Kirchenglocken Alarm läuteten.“ Und weiter: „Die ganze Stadt wurde schematisch vernichtet.“ Es war einen Augenblick still im Bürgersaal des Rathauses Zehlendorf. Die Ausführungen dieses Abends hätten gezeigt, so Uhde, dass der Antrag als politisches Zeichen für die Zukunft wichtig sei. Mit seinem Redebeitrag hatte er die Debattenkultur ins Voralpenland getragen. Hans-Walter Krause von den Linken erklärte, „der Beitrag von Frau Cremer hat mir in den Magen gehauen“. Auch der Fraktionsvorsitzende der CDU, Torsten Hippe, distanzierte sich klar: „Diese Verbrechen entziehen sich einer Instrumentalisierung“, sagte er, sie dürften nicht „entweiht und entwürdigt“ werden. Der Antrag zum Guernica-Gedenken wurde mit den Ja-Stimmen von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken verabschiedet.
Kein Sonderausschuss für Schulsanierungen
Doch dann stieg die Qualität der Plenardebatte wieder ab, streifte kurz bei der Frage, ob es mehr öffentliche Toiletten im Bezirk geben müsste, die Höhe der Friedenauer Senke – „irgendwo scheint ihr Toilettenverständnis nicht ganz rund zu laufen“, schimpfte Kay Ehrhardt gegen die SPD – und kämpfte sich dann noch einmal auf die Höhe des Fichtenbergs: Die Linken warben um Weitsicht und schlugen vor, einen Sonderausschuss für die Schulsanierungen zu gründen. Doch fehlte den Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und AfD an dieser Stelle die reformatorische Puste und der politische Wille. Nach einem Redebeitrag von Hans-Walter Krause wurde der Antrag ohne weitere Wortmeldungen abgelehnt.
Einstimmig votierten die 55 Volksvertreterinnen und Volksvertreter jedoch dafür, einen neuen Unterausschuss zur Modernisierung der BVV-Arbeit zu schaffen. „Die BVV soll effektiver, inklusiver und familienfreundlicher werden“, twitterten die Grünen im Anschluss.
„Die sind doch alle am Kiffen“
Doch am Ende der Sitzung ging es noch einmal tief unter die Erde – was erstaunlich war, weil inhaltlich ein luftiges Thema diskutiert wurde, nämlich der Hubschrauber-Landeplatz am Charité Campus Benjamin Franklin. Geplant ist, die Promenade am Ufer des Teltowkanals zu überdachen. Die SPD schlug vor, dass die Wand – das Dach soll auf einer einzigen Stützwand zum Klinikum hin lagern – nicht wie bisher geplant mit Moos bepflanzt, sondern als legale Graffiti-Wand der bezirklichen Jugendarbeit genutzt werden sollte. Während sich einige Bezirkspolitiker fragten, ob Graffiti den Ort wirklich aufwerten würde, schlug Yvonne Cremer von der AfD heftige Töne an: „Die sind doch alle am Kiffen“, pöbelte sie lautstark gegen die Jugendlichen. Die Rechtspopulisten wollten Ungewolltes nicht „adeln“ und überhaupt würde eine solche legale Graffiti-Wand „eine Szene anziehen, die wir dort nicht haben wollen“. Am Ende stimmten nur SPD und FDP für den Graffiti-Wand-Antrag; Grüne, CDU und Linke hatten Bedenken, die ganze Fläche unbegrünt zu lassen.