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Christoph Bareither forscht an der an der Humboldt-Universität.
© picture alliance / dpa

Computerspiele: „Die Industrie nutzt das Potenzial der Spiele nicht immer aus“

Christoph Bareither untersucht als Ethnologe die kulturelle Bedeutung von Computerspielen - als "Kulturgut" möchte er sie gleichwohl nicht nicht bezeichnen.

Herr Bareither, mit Games werden Milliarden umgesetzt, woher kommt die Faszination der Spieler?

Es handelt sich um ein verhältnismäßig neues Medium, das seine Spieler starke Emotionen erleben lässt. Was Spiele beispielsweise im Vergleich zu Filmen ermöglichen, ist die körperlich sehr aktive Teilnahme an dem Geschehen auf dem Bildschirm. Dadurch sind Spieler auf andere Weise emotional involviert, fühlen sich mit ihren virtuellen Spielkörpern eng verbunden und erleben Wettkämpfe oder Geschichten intensiv mit. Allerdings wird dieses Potenzial auch nicht immer ausgereizt. Viele große Mainstream-Produktionen setzen lieber auf altbewährte Konzepte und trauen sich oft nicht, Neues, Interessantes auszuprobieren.

Woher kommt diese Mutlosigkeit?

Historisch betrachtet steckt die Spieleindustrie, beispielsweise im Vergleich zum Film oder zur Literatur, noch in den Kinderschuhen. Gleichzeitig unterliegt sie den gleichen marktwirtschaftlichen Zwängen wie alle anderen Branchen auch. Das war während der Anfänge des Films ganz ähnlich: Zunächst dominierten Unterhaltungsfilme die Branche, erst im Verlauf der Jahrzehnte hat sich die Vielfältigkeit entwickelt, die wir heute kennen. Heute verstehen wir Filme als eigenständige Kunstform.

Noch also zählen Sie das Computerspiel nicht zu den Kulturgütern?

Mit diesem Begriff wäre ich vorsichtig, weil er von Industrie und Politik instrumentalisiert wird – selbst Kanzlerin Angela Merkel hat ihn sich bei einer Rede auf der Spielemesse „Gamescom“ 2017 angeeignet. Meistens wird mit diesem Schlagwort eine größere gesellschaftliche Akzeptanz für Spiele eingefordert. Das unterstütze ich zwar, aber das Wort „Kulturgut“ droht zur hohlen Phrase zu verkommen. Unabhängig davon sollten wir mehr darüber diskutieren, inwiefern Spiele ihre Spieler durch starke Emotionen und Erlebnisse zu neuen Perspektiven inspirieren und auch einen Beitrag zu gesellschaftlichen Debatten leisten können.

Christoph Bareither ist Juniorprofessor für Europäische Ethnologie mit dem Schwerpunkt Medienanthropologie an der Humboldt-Universität.

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