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Schöne neue Welt. Das Thema Virtual Reality könnte durch die Gamescom einen neuen Schub bekommen.
© dpa

Die Gamescom startet: Angela Merkel entdeckt die Gameswelt

Die Kölner Spielemesse Gamescom ist in diesem Wahljahr so politisch wie nie zuvor. Sogar die Kanzlerin kommt erstmals.

Fünf Teilnehmer, eine Arena und ein Wettkampf: Das klingt für Computerspielexperten nach einem Fifa17-Turnier oder dem digitalen Kampfspiel Tekken. Doch was am Mittwoch auf der digitalen Spielemesse Gamescom in Köln stattfindet, ist kein Wettkampf digitaler Heldenfiguren. Stattdessen erwartet die Messebesucher ein analoger Wettstreit politischer Argumente und rhetorischer Schlagfertigkeit. In der „Wahlkampfarena" treffen Vertreter von CDU, SPD, Linken, Grünen und FDP aufeinander, um über Games und aktuelle politische Themen zu diskutieren. Moderiert wird der Auftakt des Gamescom-Kongresses von Youtube-Stars wie LeFloid und Pietsmiet. Die Fragen kommen aus den sozialen Netzwerken, das Ganze wird auch live gestreamt.

Die Gamescom (22. bis 26. August) ist politischer als je zuvor. Bereits am Dienstag – dem Fachbesuchertag – wird Angela Merkel höchstselbst durch die Kölner Messehallen wandeln, hier und da probespielen und mit Game-Designern sprechen. Es ist das erste Mal in der nunmehr neunjährigen Messegeschichte, dass die Kanzlerin die Gamescom besucht. Die Games-Branche sei eine „ganz wichtige“, betonte Merkel letzte Woche in einem Video auf ihrer Homepage. Vorurteile gegenüber Computerspielen würden zunehmend überwunden, die Spiele würden als Kulturgut und Bildungsträger aufgebaut, sagte Merkel. Was sie für den eigentlichen gesellschaftlichen Durchbruch hält.

Merkel macht Wahlkampf

Merkels Gamescom-Besuch ist natürlich auch Teil ihres Wahlkampfes. Schließlich sind deutsche Gamer im Durchschnitt 35 Jahre alt und potenzielle Stimmenlieferanten, zudem verfolgen viele mit Interesse, was die Politik zu ihrem ehemals verfemten Hobby sagt. Allein auf der Gamescom werden 350 000 Spielefans erwartet, viele von ihnen sind volljährig. In der „Wahlkampfarena“ treten zum Beispiel Peter Tauber (CDU) und Hubertus Heil (SPD) an, um über Themen wie digitale Bildung, Medienkompetenz, das Kulturgut Computerspiel, den Games-Standort Deutschland und den Breitbandausbau zu sprechen. Dem Online-Portal gameswirtschaft.de zufolge wollen rund 150 Politiker und Politikerinnen die Gamescom besuchen – weit mehr als in den Vorjahren. Für den Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) ist das politische Rampenlicht ein Gewinn. „Unsere wichtigste Forderung an die Politik ist eine stärkere Förderung der Computerspielentwicklung“, sagt BIU-Geschäftsführer Felix Falk. „Länder wie Kanada, Frankreich, England und Polen tun dafür sehr viel, Deutschland hingegen hat auf Bundesebene keinerlei Spieleförderung.“ Die beiden Verbände BIU und Game haben gerade erst gemeinsam zehn Eckpunkte für ein bundesweites Fördersystem veröffentlicht – ein ungewöhnlicher Schritt für die notorisch konkurrierenden Verbände.

Aus Deutschland kommen nur wenige Spiele

Laut einer gemeinsamen Studie sind die Deutschen zwar sehr gut im Konsumieren, aber nicht im Produzieren von Spielen. „Nur rund sechs Prozent des Umsatzes werden mit Spielen gemacht, die auch hierzulande entwickelt werden“, sagt Falk. „Da können wir deutlich mehr, brauchen dafür aber eine Entwicklungsförderung.“

Die stellvertretende Game-Vorsitzende Linda Breitlauch verweist darauf, welches Potenzial Computerspiele für den Technologietransfer bieten. „Ein Beispiel sind Game-Engines“, sagt Breitlauch. „Mittlerweile werden Game-Engines auch von anderen Industrien genutzt, etwa Architektur und Medizin.“ Berufserfahrung aus der Games-Branche sei auch in anderen Bereichen stark gefragt – etwa beim Entwurf benutzerfreundlicher Schnittstellen in Business-Software. „Kenntnisse in Level-Design kann man zum Beispiel auch bei der Planung städtischer Infrastruktur gebrauchen“, sagt Breitlauch.

Auch dieses Jahr ist die Gamescom nicht nur Spieleschau und Branchen-Treff, sondern auch eine Talentbörse für Nachwuchs-Entwickler. Im Vordergrund der fünftägigen Messe steht aber ganz klar die Präsentation der neuesten Blockbuster – von Action-Krachern wie „Assassin’s Creed: Origins“ und „Destiny 2“ über die offene Spielwelt von „Super Mario Odyssey“ bis hin zu Rennspielen wie „Gran Turismo Sport“ und Fußball-Simulationen wie „Pro Evolution Soccer 2018“. Einer der wichtigsten Trends ist der eSport-Boom. Der digitale Wettkampf um Ruhm, Preis- und Sponsorengelder hat sich vom Nischen- zum Massenphänomen entwickelt: Immer mehr Bundesliga-Teams betreiben eigene eSport-Ableger, die Turniere verfolgen Tausende Zuschauer vor Ort und Hunderttausende im Internet.

Virtual Reality wird wichtiger

2016 war Virtual Reality das große Gamescom-Thema. Inzwischen ist es etwas ruhiger um VR geworden, auch deshalb, weil die Hardware noch recht teuer ist. Mit der diesjährigen Gamescom könnte das Thema aber neuen Rückenwind bekommen: Beliebte Titel wie Skyrim und Fallout werden bald auch in VR spielbar sein, Messebesucher und Journalisten bekommen schon in Köln einen Vorgeschmack. Als offizielles Gamescom-Motto haben die Veranstalter „Einfach zusammen spielen“ gewählt: Immer mehr Games bieten lokale Multiplayer- und Koop-Modi für Familie und Freunde, zum Beispiel „Mario + Rabbids Kingdom Battle“ oder die „PlayLink“-Spiele von Sony. Und auch VR wird auf absehbare Zeit den Sprung vom Einzel- zum Gruppenerlebnis vollziehen. Nicht zuletzt durch den VR-Modus von Facebook.

Auch politische Inhalte werden in den Spielen wichtiger. „Insbesondere im Independent-Bereich gibt es schon sehr viele Spiele mit politischen Inhalten“, sagt Felix Falk. Die kleinen und mittleren Studios sind offenbar weniger auf den Mainstream fokussiert als die großen Spielefirmen. „Computerspiele sind eine Kunstform, mit der man auch sozialkritische Themen ansprechen kann. Das wird den Spieleentwicklern immer stärker bewusst“, sagt auch Linda Breitlauch. Ein aktuelles Beispiel ist das Rätselabenteuer „The Inner World: Der letzte Windmönch“ des Berliner Independent-Studios Fizbin, das sich mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandersetzt. Doch es gibt auch einen Blockbuster-Titel mit politischer Note. Das Shooterspiel „Far Cry 5“ von Ubisoft spielt im amerikanischen Mittelwesten, wo rechtsradikale Sektenanhänger ihr Unwesen treiben.

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