Bundestagswahl: Was die Parteien in der Digitalpolitik wollen
Von Glasfaser über Start-ups bis zu E-Sports: In den Parteiprogrammen spielt die Digitalisierung eine größere Rolle als bislang im Wahlkampf.
Miriam Graf musste mit ihren Mitarbeitern vor einigen Wochen umziehen. Schuld war die schlechte Internetverbindung, dabei saß sie im Zentrum der deutschen Hauptstadt. „Dass es in Berlin-Mitte in der schicken Auguststraße keine zuverlässige Internetverbindung gibt, kann ich noch immer kaum glauben, wenn ich ehrlich bin“, sagt Graf, die das Berliner Büro der britischen PR-Agentur Clarity leitet. Das Unternehmen betreut ausgerechnet Technologieunternehmen. „Unsere Kollegen aus New York oder London machten sich immer über unsere schlechte Verbindung lustig“, sagt Graf. Nun ist das Team nach einem Jahr umgezogen.
Die Versorgung mit schnellen Internetverbindungen ist das bekannteste Problem bei der Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland. Bei der durchschnittlichen Netzgeschwindigkeit liegt die Bundesrepublik mit 15Mbit/Sekunde laut einer Erhebung des Internetunternehmens Akamai weltweit auf Platz 25 – hinter Bulgarien und Rumänien. Das Hauptproblem liegt laut Experten darin, dass die Deutsche Telekom alte Kupferkabel mit der sogenannten Vectoring-Technik aufmotzt und dafür zu wenig Glasfaserleitungen gelegt werden.
Dabei hatte der für den Netzausbau zuständige Minister Alexander Dobrindt (CSU) nach der Wahl erklärt: „Deutschland braucht das schnellste Netz der Welt.“ Dafür sollte im Jahr 2018 jeder deutsche Haushalt einen Anschluss mit 50Mbit/s erhalten können. „Es darf bezweifelt werden, ob das angestrebte Ausbauziel erreicht wird“, sagt Harald Summa, Geschäftsführer des Verbands der Internetwirtschaft eco.
Bitkom: Ausbau mit Glasfaser braucht 20 Jahre
Zudem ist auch das Ziel von 50Mbit viel zu wenig, wie inzwischen alle Parteien einräumen. Und so fordern die meisten in ihren Wahlprogrammen mehr Glasfaser und Gigabitnetze. Union und SPD versprechen dies bis 2025, sagen jedoch wenig zur Umsetzung. Die Grünen und die FDP fordern, dass der Bund seine Telekom-Aktien verkauft. Die Erlöse sollen in den Netzausbau fließen. Die Linke setzt sich dafür ein, „dass jeder Haushalt ein Anrecht auf einen bezahlbaren, schnellen Breitband-Internetanschluss hat“. Die AfD will, dass Haushalte und Betriebe innerhalb von zwei Jahren an schnelle Breitbandnetze angeschlossen werden können.
Welche Geschwindigkeit und Technologie sie damit meinen und wie das Ziel erreicht werden soll, bleibt offen. Doch selbst ein Ausbauziel bis 2025 ist ehrgeiziger als es klingt. „Für eine flächendeckende Versorgung bräuchten wir etwa eine Million Kilometer Glasfaser, doch es gibt bei den Baufirmen aktuell nur Kapazitäten, um jährlich 50.000 bis 70.000 Kilometer zu legen“, sagt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bitkom. „Es wird also 20 Jahre dauern, bis zu jedem Haus in Deutschland Glasfaser zu haben.“
Doch der Breitbandausbau ist natürlich nur ein Aspekt der Netzpolitik. Die Digitalisierung der Wirtschaft wälzt derzeit ganze Branchen um und auch die gesellschaftlichen Auswirkungen sind enorm. Es ist daher verwunderlich, dass das Digitalthemen im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle spielen – sieht man einmal von Softwareupdates für Dieselautos ab. Im TV-Duell wurde nicht danach gefragt und auch im Wahl-O-Mat gibt es von den 38 Fragen keine einzige zu diesem Komplex. Dabei beschäftigt es die Wähler durchaus: Laut einer Umfrage des Meinungsinstitutes Forsa im Auftrag des Medianet Berlin Brandenburg ist jedem zweiten Berliner (49 Prozent) das digitale Programm beziehungsweise die Netzpolitik der Parteien wichtig.
Brauchen wir einen Internetminister?
Und auch in den Wahlprogrammen spielt die Digitalisierung eine große Rolle. Die FDP macht daraus sogar einen Schwerpunkt und plakatiert Sprüche wie „Digitalisierung first. Bedenken second“. Im Programm der Liberalen taucht das Wort „digital“ auch mehr als hundert Mal auf – so oft wie bei keiner anderen Partei. Setzt man es allerdings ins Verhältnis zum sehr unterschiedlichen Gesamtumfang der Wahlprogramme, liegt die CDU vorn. Die FDP will auch als einzige Partei explizit ein eigenes Internetministerium schaffen. Eine Forderung, die beispielsweise auch der Bundesverband Digitale Wirtschaft und der Deutsche Start-up-Verband erheben.
Die CDU setzt dagegen auf einen Staatsminister für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, laut den Grünen soll das Thema in der Bundesregierung „besser koordiniert werden und im Kabinett eigenständig vertreten sein“. Die Programme von SPD, den Linken und AfD enthalten keine Festlegung dazu. „Ebenso wichtig wie die Frage, ob es einen Internetminister oder einen Staatssekretär gibt, ist die Person die den Posten bekleidet“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Sie muss mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet sein und große Autorität in den anderen Ministerien haben, um auch etwas bewegen zu können.“
Fast alle wollen Start-ups fördern
Eine bessere Förderung für Start-ups fordern bis auf die Linke alle Parteien. Die Grünen wollen dafür beispielsweise allen, die sich selbstständig machen wollen ein Gründungskapital von 25.000 Euro als zinsfreies Darlehen zur Verfügung stellen. Die FDP will mit einem Schulfach „Wirtschaft“ schon frühzeitig Menschen für Unternehmertum interessieren und das auch an den Hochschulen stärker fördern.
Auch die SPD will Gründer an Unis durch Freisemester und Sabbaticals unterstützen. Die Liberalen fordern zudem Steuererleichterungen und ein Venture-Capital-Gesetz, mit dem Wagniskapital gefördert wird. Das sollte es eigentlich längst geben, Union und SPD hatten es im Koalitionsvertrag vereinbart – es kam allerdings nicht zustande, dem Vernehmen nach auch wegen des Widerstandes von Finanzminister Schäuble. In den Programmen der beiden großen Parteien taucht es nun nicht mehr auf.
Um mehr Kapital aus Deutschland zur Verfügung zu haben plädieren Experten aber auch für eine Praxis, die in den USA aber auch in Dänemark und in der Schweiz schon länger üblich ist: „Versicherungen und Pensionskassen sollen zumindest ein Prozent ihres Vermögens in Technologie und Startups investieren dürfen“, sagt Florian Nöll, Vorsitzender des Startupverbandes. Auch bei den Liberalen findet sich diese Forderung.
Die große E-Sports-Koalition
Dagegen fehlt bei der FDP ein digitales Modethema: E-Sports. SPD und Grüne wollen die Rahmenbedingungen für professionelle Computerspieler fördern. Und selbst die Union, die lange gern über „Killerspiele“ geschimpft hat, hat nun plötzlich ihr Herz für die Gamer entdeckt. Kanzlerin Angela Merkel besuchte in diesem Jahr erstmals die Spielemesse Gamescom in Köln und auch im Wahlprogramm heißt es nun: „Die Entwicklung des E-Sports begleiten wir positiv.“