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Im Durchschnitt verlangen Vermieter 9,79 Euro/qm nettokalt, 8,8 Prozent mehr als 2016, so der „Wohnmarktreport Berlin“.
© Kitty Kleist-Heinrich

Wohnen in Berlin: Die große Preistreiberei

Wohnen wird immer teurer. „Anhaltendes Markt- und Politikversagen“, diagnostiziert der Mieterverein. Kreisel-Investor bemängelt dagegen fehlenden Zuzug von Besserverdienern.

Ratlosigkeit macht sich breit, denn nicht einmal Marktexperten hatten das erwartet: Trotz Mietpreisbremse, weiterer Milieuschutzgebiete und der Begrenzung der Modernisierungsumlage stiegen die Mieten und die Kaufpreise für Wohnungen im vergangenen Jahr erneut und zwar noch stärker als im Vorjahr.

Im Durchschnitt verlangen Vermieter 9,79 Euro je Quadratmeter nettokalt, 8,8 Prozent mehr als 2016, so der „Wohnmarktreport Berlin“. Heftig stiegen die Angebotsmieten in Mitte: um fast 13 Prozent auf 11,83 Euro im Durchschnitt. Wer eine Wohnung am Hackeschen Markt oder an der Chausseestraße hat, zahlt dafür fast die Hälfte seines Einkommens.

„Anhaltendes Markt- und Politikversagen“, bilanziert der Chef des Mietervereins, Reiner Wild. Der Staatssekretär für Wohnen von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Sebastian Scheel, verteidigte auf einer Podiumsdiskussion zwar seine Arbeit: „Wir gehen schon an Grenzen“ und 650 000 Berliner lebten nun schon in den 42 Gebieten mit Erhaltungssatzungen, die Luxusmodernisierungen und starke Mieterhöhungen verbieten.

Außerdem stelle das „kooperative Baulandmodell“ auch bei neuen Siedlungsprojekten sicher, dass ein Teil der Neubauten Sozialwohnungen sind. Andererseits gingen von den jährlich 25 000 neu genehmigten Wohnungen nur gut die Hälfte „wirklich in Produktion“ und das mache ihm schon Sorgen.

"Klientelpolitik" und Subventionen

Kein Wunder, bei einem Wachstum der Bevölkerung um zuletzt 60 000 Menschen im Jahr bräuchte es doppelt so viele Neubauten, allein um diese Neuberliner unterzubringen – rein statistisch. Zur Realität des Marktes gehört aber auch, dass die Hälfte aller neu gebauten Wohnungen als Eigentum verkauft wird und nur eine Minderheit der Berliner zum Erwerb derselben genug verdienen.

„Wir können keine Wohnungen instandhalten und sanieren bei Mieteinnahmen von vier Euro je Quadratmeter“, sagt aber Christoph Gröner, der den Steglitzer Kreisel und das frühere Postscheckamt in Kreuzberg in Wohntürme umwandelt, das erkläre die „Aufholjagd“ der Mieten und Kaufpreise. Häme hat er für die Parteien: sie reagierten nur mit „Klientelpolitik“ und noch mehr Subventionen statt sich zu überlegen, „wie man Leute zuziehen lässt, die mehr verdienen“.

Einmal die Bevölkerung der Stadt austauschen, bitte! – Gröners Vorschlag sorgte für Erheiterung. Wobei die Wanderungen in der Region ihm durchaus Recht zu geben scheinen: Um die 17 000 Menschen verlassen Berlin jährlich Richtung Umland, fast ein Drittel mehr als vor zwei Jahren.

Aber das führt erst mal zu noch höheren Mieten und Kaufpreisen in Potsdam, Kleinmachnow und dem Südwesten Berlins, den beliebtesten Zielen der aus der Stadt Flüchtenden. In Potsdam ist die Durchschnittsmiete (9,32 Euro) schon höher als in Berlin, und auch in Kleinmachnow ist das Wohnen teuer (9,20 Euro).

"Großhandelspreise" für Wohnblöcke

Wie rasant die „Aufholjagd“ ist, zeigen die Wohnungspreise in Neukölln, die sich binnen fünf Jahren von 1450 Euro auf 3300 Euro je Quadratmeter mehr als verdoppelten. Schuld daran ist die Spekulation mit „Wohnungsportfolien“, wie Investoren den Mietshaus-Handel nennen.

Die „Großhandelspreise“ für Wohnblöcke stiegen auf den Quadratmeter gerechnet mit plus 15 Prozent sogar noch stärker als beim Verkauf einzelner Eigentumswohnungen (plus 12,6 Prozent; 3706 Euro). Vorneweg unter den Käufern: die Deutsche Wohnen, die für ihren Umgang mit Mietern wiederholt in der Kritik stand.

Die hohen Preise steigern noch den Druck der Käufer, jede Gelegenheit zu Mieterhöhungen auszunutzen. Dadurch schmilzt das Angebot günstiger Mietwohnungen noch schneller: 3500 Sozialwohnungen mit Mieten um die 6,50 Euro je Quadratmeter sollen Scheel zufolge dieses Jahr entstehen – „aber selbst wenn wir 5000 jährlich bauen würden, reicht es nicht, um den Verlust mietpreisgebundener und günstiger Altbauten auszugleichen“, sagt Wild.

Wohnungen bauen, sehr viele mehr als heute, ist geboten. Dafür „brauchen wir Grundstücke, aber das Land verkauft keine mehr, der Bund hat sich angeschlossen und es bleiben nur noch die Privaten“, sagt der Bauträger Helmut Kunze.

Gröner ergänzt: „Die Bodenpreise haben sich verdreifacht und für 1500 Euro je Quadratmeter kaufen wir nicht mehr“. Daran könne auch „die beste Regierung“ nichts ändern. Und damit jedenfalls lagen die Investoren ganz nahe beim Politiker Scheel und Mietervertreter Wild: Weil auch der Vertrag der neuen Groko im Bund kein Heilmittel bietet, macht sich Resignation breit angesichts des Unausweichlichen: auf Jahre hin weiter steigenden Wohnkosten.

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