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Bruno Pellegrini hat seine Möbel noch immer in der Toskana gelagert.
© Kai-Uwe Heinrich

Hauptstadtflughafen BER: Die geplatzte Eröffnung kam den kleinen Händlern teuer zu stehen

Die vom BER-Desaster betroffenen Mittelständler wurden nicht entschädigt. Einige erhielten als Ausgleich Läden am Airport Tegel. Und viele hoffen weiter.

„Die Glubschis gehen besonders gut“, sagt Inga Röhlicke, „aber auch die Babyrasseln in Form des Fernsehturms oder die Berlin-Shirts.“ Inga Röhlicke ist Verkäuferin im Spielzeuggeschäft „Die kleine Gesellschaft“ am Flughafen Tegel und die Glubschis sind kleine Stofftiere mit großen hilflosen Augen. Als im Mai 2012 der Eröffnungstermin für den BER überraschend platzte, kam sich Inga Röhlicke auch ziemlich hilflos vor. Wie hunderte, wenn nicht gar tausende Menschen, die wie sie fest mit dem neuen Arbeitsplatz am Flughafen Berlin-Brandenburg gerechnet hatten.

Inga Röhlicke hatte einen Vertrag mit Beatrice Posch, der Chefin des Spielzeuggeschäfts „Die kleine Gesellschaft“, das auf 60 Quadratmetern Ladenfläche eröffnen sollte. Beatrice Posch hatte dafür wie viele Geschäftsinhaber bereits Waren bestellt, die Stornierung kostete mehr als 6000 Euro, von Entschädigungen für Härtefälle, wie sie der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) versprochen hatte, war schnell keine Rede mehr. Noch mehr aber belastete Beatrice Posch, dass sie ihre neuen Verkäuferinnen wieder entlassen musste – auch Inga Röhlicke. „Das nimmt mich wirklich mit“, sagte sie damals. Als ihr die Flughafengesellschaft ein Jahr später anbot, erst mal einen kleinen Laden in Tegel zu beziehen, willigte sie unter anderem deshalb ein, weil sie Inga Röhlicke und die anderen nun doch einstellen konnte.

Auch Bruno Pellegrini, der in Westend das italienische Restaurant „Ana e Bruno“ betreibt, hat im Frühjahr 2013 als Kompensation für seine auf 250 Quadratmetern geplante Gaststätte am BER zunächst ein 40-Quadratmeter-Bistro in Tegel eröffnet. „Was blieb uns anderes übrig?“, sagt er. „Wir sammeln schon einmal Erfahrungen. Die Flughafenwelt tickt anders, die Kundschaft kommt im Rhythmus der Flieger und wenn man die Welle nicht erwischt, ist es zu spät.“

Kredite müssen bedient werden

Er habe aber tolle Leute, erzählt Pellegrini, und der Espresso aus seinem Bistro gelte inzwischen als der beste am Flughafen Tegel. Das tröste ihn etwas über die finanziellen Verluste hinweg. „Ich habe, um alles einzurichten und in Erwartung der Einnahmen, Kredite aufgenommen“, sagt er: „Die müssen bedient werden, die Banken interessiert wenig, wer am Desaster schuld ist.“ Die Flughafengesellschaft habe sich mit der Bereitstellung der Fläche in Tegel zumindest bemüht.

Hans-Jörg Schulze hat auch fast drei Jahre nach der gescheiterten Eröffnung keinerlei Ausgleich erhalten. Der geschäftsführende Gesellschafter des Spandauer Busunternehmens Haru-Reisen wollte eine Schnellbuslinie vom Steglitzer Kreisel zum BER eröffnen. Die dafür angeschafften Spezialbusse musste er wieder verkaufen – mit rund 150.000 Euro Verlust. Mit Personalkosten für neu eingestellte Fahrer beläuft sich sein Gesamtschaden auf eine Viertelmillion Euro. Auf eine Schadenersatzklage habe er verzichtet. „Wir hatten keinen direkten Vertrag mit der Flughafengesellschaft“, sagt er. Die Industrie- und Handelskammer vertrete aber die Interessen vieler Geschädigter und halte Kontakt zur Flughafengesellschaft. „Wir haben wie die für Schönefeld zuständige Kammer in Cottbus von Anfang an versucht, eine Plattform für betroffene Firmen zu schaffen“, sagt der Berliner IHK-Sprecher Leif Erichsen: „Unser Kompetenzteam Mittelstand kümmert sich darum – auch weil ja von Anfang an Unternehmer aus der Region am neuen Flughafen angesiedelt werden sollten.“

Deshalb wollten viele die Zusammenarbeit fortsetzen, sagt Erichsen und tatsächlich glauben die meisten Unternehmen noch an eine Eröffnung. „Wenn es passiert, kaufen wir neue Busse“, sagt Haru-Chef Schulze: „Unsere Konzession verfällt nicht, der Bedarf ist da.“ Auf der Homepage der „Kleinen Gesellschaft“ verkündet Beatrice Posch unverdrossen: „Bald auch am BER“. Und Bruno Pellegrini meint: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Schließlich warten seine für das Flughafenrestaurant angefertigten Möbel in der Toskana noch immer auf den Flieger nach Schönefeld.

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