USA gegen China: Die EU als Schlachtfeld eines Wirtschaftskrieges
Das Laisser-faire gegenüber China kommt an sein Ende. Die EU muss handlungsfähig werden - oder sie wird zum Opfer im neuen Kalten Krieg. Ein Kommentar.
Der Widerspruch könnte größer kaum sein. China, die neue Supermacht, ist ein unverzichtbarer Partner für die Europäischen Union. Jeden Tag handeln beide Seiten Waren für mehr als eine Milliarde Euro, allein die deutsche Autoindustrie erzielt im Reich der Mitte fast ein Drittel ihres Umsatzes. Aber China, die Parteidiktatur, nutzt skrupellos ihre wirtschaftliche Macht, um Kritiker ihrer Repression gegen Minderheiten und Dissidenten mundtot zu machen und ihren autoritären Staat als Modell zu verkaufen, auch in Europa.
Damit sind die EU-Regierungen lange gelassen umgegangen. Pflichtschuldig forderten sie immer mal wieder Freiheit für Chinas politische Gefangene, für die Tibeter oder wie jüngst Kanzlerin Merkel für die Bürger in Hongkong, während sie gleichzeitig die wirtschaftliche Verflechtung vorantrieben. Schon mehr als 300 Milliarden Dollar haben chinesische Unternehmen in der Europa investiert, und umgekehrt ist es sogar noch mehr.
Aber das Laisser-faire beim Umgang mit dem Wirtschaftsriesen in Fernost kommt jetzt an sein Ende. Denn Chinas Aufstieg stellt radikal die Vorherrschaft der USA in Frage, und dem antwortet die amerikanische Politik parteiübergreifend ebenso radikal: China soll am weiteren Zuwachs gehindert, sein Einfluss zurückgedrängt werden. Dafür ist der laufende Zollkrieg nur der Anfang. Langfristig wollen Amerikas Strategen China wirtschaftlich isolieren und die Volkswirtschaften beider Länder entkoppeln.
Das stürzt die Europäer in ein strategisches Dilemma. Exemplarisch ist der Streit über den Telekomriesen Huawei, der es als erster chinesischer Konzern zum Weltmarktführer gebracht hat. Genau darum traf ihn der Bannstrahl aus Washington. Zur Begründung führte die US-Regierung zwar Sicherheitsrisiken an, aber dafür gibt es keinerlei Beleg. Huawei ist sogar der einzige IT-Hersteller, der, anders als US-Firmen, den Sicherheitsbehörden alle Details seiner Technologie offenlegt. Gleichwohl droht die US-Regierung europäischen Firmen mit dem Ausschluss vom amerikanischen Markt, wenn sie mit Huawei im Geschäft bleiben.
Souveränität gegenüber beiden Supermächten
So droht die EU zum Schlachtfeld eines Wirtschaftskrieges zu werden, bei dem sie in ihrer jetzigen Verfassung nur verlieren kann. Eine Entkoppelung von China können sich die Europäer, anders die USA, nicht leisten. Aber das gilt erst recht für den US-Markt. Und zugleich müssen sie verhindern, dass Peking sich politischen Einfluss in Europa kauft.
Darum, so mahnte jüngst auch der Leiter der EU-Denkfabrik Bruegel, Guntram Wolf, wird den EU-Staaten nichts anderes übrig bleiben, als gegenüber beiden Supermächten eine eigene Souveränität zu entwickeln. Die Macht dazu haben sie durchaus. Für den Zugang zum weltgrößten Binnenmarkt könnten sie die Freiheit von politischen Übergriffen fordern und faire Handelsbedingungen auch gegenüber China durchsetzen.
Die nötigen harten Verhandlungen können sie aber nur führen, wenn sie die Außenwirtschaftspolitik der EU an Mehrheitsentscheidungen binden. Solange sie an ihrer nationalen Pseudo-Souveränität festhalten und nur einstimmig entscheiden können, kann schon eine gekaufte Regierung alles lahmlegen. Die EU muss handlungsfähig werden - oder sie wird zum hilflosen Opfer im neuen Kalten Krieg.