Flüchtlinge in Potsdam: Die ersten Flüchtlingsheime stehen leer
Die Zahl der ankommenden Asylsuchenden in Potsdam ist stark gesunken. Jetzt verstärkt die Stadt Integrationshilfen – mit Lotsen für jeden Flüchtling.
Es war im Herbst 2015, als die Zahl der in Potsdam ankommenden Flüchtlinge ihren Höhepunkt erreicht hatte. Über 200 Asylsuchende monatlich wurden der Stadt zeitweise aus den Erstaufnahmeeinrichtungen zugewiesen, bis zum Jahresende zählte man knapp 1500 Neuzugänge. Damals beschäftigte die Verwaltung vor allem die Frage, wo die vielen Menschen kurzfristig untergebracht werden – und welche Gebäude dafür schnellstmöglich angemietet und umgebaut werden können. Seit der Schließung der sogenannten Balkanroute sind die Zahlen stark gesunken, in den vergangenen Wochen wurden kaum noch Flüchtlinge nach Potsdam geschickt. Jetzt tritt ein anderes Thema in den Vordergrund, nämlich das der Integration. Hier ist ein Überblick über die aktuelle Lage und künftige Aufgaben.
Wie viele Flüchtlinge kamen 2016?
526 Flüchtlinge wurden seit Jahresbeginn in Potsdam aufgenommen – deutlich weniger als zu diesem Zeitpunkt vor einem Jahr. Vor allem in den vergangenen drei Monaten wurden der Stadt kaum noch Menschen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes zugewiesen.
Wie sieht es in den Unterkünften aus?
Die Potsdamer Unterkünfte mit mittlerweile 1660 Plätzen sind derzeit durchschnittlich zu 80 Prozent belegt, sagt der städtische Koordinator für Flüchtlingsunterkünfte, Jörg Bindheim. Zwei Einrichtungen wurden in den vergangenen Monaten bereits geschlossen, nämlich die Leichtbauhalle an der Sandscholle in Babelsberg und der Wohnungsverbund in der Haeckelstraße. Andere Unterkünfte werden hingegen noch neu eröffnet – weil die eilig geschlossenen Verträge aus dem Herbst das so vorsehen. So wurde erst kürzlich eine Unterkunft im Konsumhof in Babelsberg eröffnet. Zunächst sind laut Bindheim dort nur vier der 53 Plätze belegt gewesen. Noch vorbereitet werden außerdem Unterkünfte im Handelshof am Industriegebiet und ein Gebäude in der Marquardter Chaussee.
Wie geht es mit der Spendenstelle weiter?
Das ist immer noch unklar. Bereits seit Ende Juli ist die zentrale Sammelstelle in der Haeckelstraße wegen des Verdachts auf Schadstoffbelastung geschlossen. Noch warte die Stadt auf das Ergebnis eines Gutachtens, ob auch die dort gelagerten Spenden belastet seien, so Sozialdezernent Mike Schubert (SPD). Erst dann könne entschieden werden, ob die Spenden – überwiegend Kleidung– bedenkenlos an Flüchtlinge ausgegeben werden könnten oder ob man sie reinigen oder entsorgen müsse. Noch im Oktober soll dann die neue Sammelstelle in der leer stehenden Leichtbauhalle in Drewitz eingerichtet werden. Auch diese war einst für die Unterbringung von Flüchtlingen errichtet worden, wurde aber wegen der rückläufigen Zahlen nie eröffnet. Erst dann könne die Stadt wieder Sachspenden annehmen. Nötig sei jetzt Winterkleidung.
Was wird für die Integration getan?
Sozialdezernent Schubert will dafür in der Verwaltung neue Strukturen schaffen, zum Beispiel in Form eines eigenen Geschäftsbereichs. Derzeit seien viele Bereiche mit dem Thema Flüchtlinge und Integration beschäftigt, es fehle aber an der zentralen Koordination. Schubert will, dass Flüchtlinge künftig nur noch einen Ansprechpartner in der Verwaltung haben, mit dem sie von der gesundheitlichen Untersuchung über den Sprachkurs bis zur Wohnungssuche alles regeln könnten. Übernehmen sollen dies die neu geschaffenen Integrationslotsen – die ersten beiden solchen Stellen seien derzeit ausgeschrieben.
Langfristig benötige man aber deutlich mehr Stellen. Außerdem will Schubert die Situation für Familien in den Potsdamer Gemeinschaftsunterkünften verbessern. Zwar sieht das Integrationskonzept der Stadt derzeit vor, dass Flüchtlinge maximal sechs Monate in einer Sammelunterkunft leben sollen. Angesichts des angespannten Potsdamer Wohnungsmarktes leben sie dort aber meist deutlich länger. 2018 könnte sich die Situation noch verschärfen, weil dann viele Frauen und Kinder im Zuge des Familiennachzugs erwartet würden, so Schubert. „Wir wollen das Ziel von sechs Monaten nicht aufgeben“, sagte er. „Aber wir müssen überlegen, was passiert, wenn wir es nicht einhalten können.“
Was bewirkt das neue Integrationsgesetz?
Im Sommer ist das neue Integrationsgesetz des Bundes in Kraft getreten, rückwirkend zum 1. Januar. Bei einer Fachtagung wurde jetzt in Potsdam debattiert, welche Auswirkungen das für die Stadt hat. Viel diskutiert wurde laut Schubert vor allem die neu eingeführte Wohnsitzauflage. Durch diese können auch anerkannte Flüchtlinge unter Umständen gezwungen werden, an dem Ort zu bleiben, der ihnen während des Asylverfahrens zugewiesen wurde. Potsdam erlebe es oft, dass Flüchtlinge aus anderen Regionen Brandenburgs sich hier niederlassen wollten, so Schubert. Derzeit werden sie abgewiesen – weil das Land noch nicht entschieden hat, wie es das Gesetz umsetzen will.
Katharina Wiechers