Zwei Bezirksverordnete, Polizisten und ihr Wechsel zur SPD: "Die CDU in Spandau ist farblos und festgefahren."
Eben noch Christdemokrat, jetzt schon Genosse: In Spandau wechselten gleich zwei Politiker die Lager. Andreas Hehn und Jochen Anders über ihre Parteivorlieben, die Polizei, Spaß am Politikbetrieb – und Integration.
Der überraschende Wechsel von zwei Spandauer CDU-Bezirksverordneten zur SPD sorgt für Aufsehen. Jochen Anders war bisher einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und sozialpolitischer Sprecher der BVV-Fraktion. Andreas Hehn war integrationspolitischer Sprecher seiner Fraktion.
Sie gehörten der CDU seit 20 und sechs Jahren an, warum der Schritt?
Anders: Integrationspolitik muss mit Herzblut betrieben werden und darf nicht aufgesetzt sein. Die Politik der Spandauer CDU ist farblos und festgefahren in ihren Strukturen. Herrn Saleh kenne ich seit Jahren und er hat mir einmal auf den Kopf zugesagt, ich würde eher sozialdemokratisch denken. Schließlich haben wir sehr viele Schnittmengen gefunden.
Hehn: Für mich verkörpert Herr Saleh das offene, moderne Berlin. Er hat die Dynamik, die ich mir erhoffe. Integration ist ein Zukunftsthema, wenn wir da erfolgreich arbeiten, tun wir auch etwas für unsere Gesellschaft.
Sie arbeiten beide hauptberuflich bei der Polizei – sind Sie unzufrieden auch mit der Innenpolitik von Innensenator Henkel und mit dem Polizeipräsidenten Kandt?
Anders: Ich wünsche mir eine moderne Hauptstadtpolizei, die den gesellschaftlichen Aufgaben gerecht wird. Die SPD hat die besseren Konzepte für einen Fortschritt bei diesen Themen.
Hehn: Ich arbeite dienstlich wie kommunalpolitisch in der Integrations- und Migrationspolitik und habe meinen Wechsel ausschließlich aus kommunalpolitischen Erwägungen getroffen.
Was kann man im Bezirk überhaupt tun?
Anders: Da gibt es den Migrationsbeirat und den Integrationsausschuss, da kann man eine Menge machen. Auch im Bereich der inneren Sicherheit, die Polizei ist auch in Spandau tätig, und wir haben auch das bezirkliche Ordnungsamt.
Hehn: Ich halte die Kommunalebene für äußerst wichtig, denn gerade an der Basis kann man etwas für die Menschen vor Ort tun. Es geht darum, dass man nicht immer das Trennende sondern die Gemeinsamkeiten hervorhebt.
Herr Anders, die CDU behauptet, Sie seien enttäuscht über den Ausgang der letzten Wahlen zum Fraktionsvorstand und Ihre persönliche Behandlung durch den Polizeipräsidenten?
Anders: Was die Fraktion betrifft, so bin ich als stellvertretender Vorsitzender wiedergewählt worden. Meine Entscheidung ist politisch und nicht persönlich.
Herr Hehn, Sie sind schon einmal aus der CDU ausgetreten?
Hehn: Ich bin damals in die Junge Union und die CDU eingetreten und dann wieder ausgetreten, weil damals in Bereichen der Sozial- und Integrationspolitik ein Kurs gefahren wurde, der einer modernen Hauptstadtpolizei nicht entsprach. Zeitweise dachte ich, das hätte sich geändert, bekam dann aber den Eindruck, dass das nur halbherzig betrieben wird und ich nur eine Art Feigenblattfunktion hatte während die Inhalte nicht wirklich ausgelebt wurden.
Wie lange haben Sie sich mit dem Gedanken des Wechsels getragen – und sind Sie auf die SPD zugegangen oder umgekehrt?
Anders: Es ist über ein- bis eineinhalb Jahre gewachsen, wir haben uns lange locker unterhalten und immer ein gutes Verhältnis gehabt. Aus Spaß ist vor drei oder vier Wochen Ernst geworden.
Hehn: Ich habe in der CDU sozialdemokratische Politik gemacht, weil ich eine Öffnung wollte in die Moderne. Dieser Kurs wurde in der eigenen Partei nicht unterstützt.
Wie wollen Sie sich nun einbringen?
Anders: Natürlich in der Sozial- und Integrationspolitik. Da muss man reinwachsen, man wird sich sicher erst in der Fraktion beschnuppern.
Hehn: Ich möchte mich mit meinem Schwerpunkt Integration und Migration engagieren. Alles weitere wird man sehen.
Die CDU hat erklärt, Sie hätte eher erwartet dass Sie zur AfD wechseln, weil Sie dem rechten Parteiflügel zugerechnet werden?
Anders: Das ist mir völlig neu, ich war immer der linke Flügel.
Hehn: Ich war schon überrascht, weil das aus meiner Sicht völlig weltfremd ist.
Rainer W. During