Rigaer Straße in Friedrichshain: Die Berliner SPD setzt sich von der CDU ab
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Schneider warnt die CDU davor, den Rechtsstaat in Gefahr zu bringen. Die Opposition beantragt eine Sondersitzung des Innenausschusses – und auch ein SPD-Abgeordneter.
Es ist das Schlimmste, das einem Innensenator passieren kann: Der Nachweis, dass er das Recht gebrochen hat – oder einen Rechtsbruch durch staatliche Organe toleriert. Dieser Nachweis soll jetzt geführt werden, der Anlass ist eine massive Polizeiaktion während der teilweisen Räumung der Rigaer Straße 94 am 22. Juni. Die politischen Akteure, die den Beweis erbringen wollen, dass der Polizeischutz während der Räumung rechtswidrig war, sind die Oppositionsparteien. Mit der Regierungspartei SPD im Schlepptau, deren Koalitionspartner CDU mit Frank Henkel den Innensenator stellt.
Am Freitag beantragten Grüne, Linke und Piraten eine Sondersitzung des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus. Auf der Tagesordnung sollen stehen: „Rigaer Straße“ und „Verschiedenes“. Auch der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber unterschrieb den Antrag. Und der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider wirft der CDU in einem Beitrag für den Tagesspiegel vor: „Der Rechtsstaat ist in Gefahr, wenn eine Regierungspartei zu verdecken sucht, dass es im Rahmen der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung Sache der Gerichte ist zu entscheiden, ob sich jemand ins Unrecht setzt“.
Seit 1979 sei es ständige Rechtsprechung, so Schneider, dass sich ein Hauseigentümer „nur dann gegen den Besitzer durchsetzt, wenn sich Besitzer- und Eigentümer-Ansprüche gerichtlich entscheidungsreif gegenüber stehen“. Voraussichtlich werde auch in der Rigaer Straße 94 der Eigentümer seine Rechte gerichtlich durchsetzen können. Bis dahin könnten sich aber die Besitzer (aktuell die Betreiber der Kadterschmiede) sogar auf ein spezielles Notwehrrecht gegen den Eigentümer berufen, „das im Ernstfall durch den Staat zu verteidigen ist“. Und solange diese Besitzer nicht „gerichtlich delegitimiert“ wären, schlussfolgert Schneider, sei der Rechtsstaat in höchster Gefahr, „wenn ein Innenminister Polizisten verheizte und mit wahltaktischen Spielchen Ausschreitungen in Kauf nähme“.
„Das Recht missachten, wäre Rücktrittsgrund“
Trotz des Konjunktivs ist dies ein juristischer und politischer Schuss vor den Bug, den der engste Vertraute des SPD-Fraktionschefs Raed Saleh in Richtung Innensenator abgibt. Schon mal begleitet von Rücktrittsforderungen der Juso-Landeschefin Annika Klose gegen Henkel, die von der linken SPD-Abgeordneten Franziska Becker via Twitter aufgenommen wurde: „Das Recht missachten, wäre Rücktrittsgrund“. Das ist kein schönes Deutsch, aber unmissverständlich. Währenddessen übernimmt der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Zimmermann, die Rolle des abwägenden Experten.
Es sei jetzt noch nicht die Zeit für abschließende Bewertungen, sagte er am Freitag. Ein Bericht der Innenverwaltung, der auf Bitten der Senatskanzlei gerade angefertigt wird, reichte ihm dafür auch nicht aus. „Ich will die Akten sehen und erwarte, kurzfristig Einsicht in alle Unterlagen nehmen zu können“, forderte Zimmermann. Der Entscheidungsprozess für die Polizeiaktion müsse bis ins Detail geklärt werden.
Während die SPD-Fraktion und der linke Parteiflügel im Kampf gegen den Innensenator und CDU-Spitzenkandidaten Henkel gut gerüstet zu sein scheint, ringt der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef noch um Worte. Seit Montag, als er nach einem Treffen mit Henkel im Roten Rathaus auf dessen harte Linie einschwenkte, war von ihm öffentlich nichts mehr zu hören. Das dürfte sich auch übers Wochenende nicht ändern.
Erst am Dienstag wird es um die Rigaer gehen
Voraussichtlich wird sich der Senat erst am Dienstag erneut mit der Rigaer Straße befassen, auch wenn das Kabinett da auf Bezirksbesuch in Pankow weilt. Spätestens dann wird Henkel die von der Senatskanzlei angeforderte Stellungnahme zur rechtlichen Grundlage des Polizeieinsatzes am 22. Juni vorlegen.
Der Termin für die Sondersitzung des Innenausschusses, die für Henkel wohl keine lustige Veranstaltung wird, muss zwischen den Innenpolitikern der Fraktionen noch ausgehandelt werden. Sie wird gewiss noch im Juli stattfinden. Die Zustimmung des Parlamentspräsidenten Ralf Wieland (SPD), die er wegen der Sommerpause aus Kostengründen erteilen muss, gilt als Formsache. Ob der Streit um die Polizeiaktion in der Rigaer Straße für den Innensenator ernsthafte Konsequenzen haben wird, vermag derzeit niemand zu sagen. Vor allem die SPD balanciert auf einem schmalen Grat und will vermeiden, am Ende als klammheimlicher Sympathisant von Autonomen und Hausbesetzern dazustehen, nur um Henkel im Wahlkampf eins auszuwischen.
Die Opposition macht aber Druck – der Regierende Bürgermeister sei gefordert, sagen die Grünen. Müller dürfe nicht länger zusehen, „wenn sich ein Innensenator über Recht und Gesetz stellt“. Die Linken fordern den Senat und das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg auf, zu Gesprächen für eine friedliche Lösung des Konflikts in der nächsten Woche einzuladen. Und was muss Henkel befürchten? Vielleicht einen Missbilligungsantrag der Opposition in der letzten Parlamentssitzung dieser Wahlperiode, die am 8. September stattfindet. Im schlimmsten Fall könnte Müller seinen Innensenator entlassen.