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Seitdem der Streit um die Doktorwürde wieder aufgebrochen ist, nagen Zweifel an einigen Genossen.
© Michael Kappeler/dpa

Franziska Giffey – Problem oder Hoffnungsträgerin?: Die Berliner SPD gruselt es vor dem Worst-Case-Szenario

Zweimal wurde der Wahl-Parteitag der Sozialdemokraten verschoben, am Wochenende findet er teilweise digital statt. Die Stimmung ist gemischt.

„Alle sind froh, dass wir jetzt endlich den Landesvorstand neu wählen können“, sagt eine Genossin. Dieses Gefühl eint die Berliner SPD, und niemand zweifelt daran, dass die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und der Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, am Freitagabend auf dem ersten „hybriden Parteitag“ der SPD-Geschichte mit respektablen Ergebnissen zum neuen Führungs-Duo des Landesverbands gewählt werden.

Es zweifelt auch niemand daran, dass der Regierende Bürgermeister als langjähriger Chef der Berliner Sozialdemokraten von den Delegierten würdig verabschiedet wird. Noch einmal wird er eine lange Rede halten, aber Müller habe sich innerlich längst auf die neue Perspektive als Bundestagsabgeordneter eingestellt, heißt es in der Partei.

Bis zur Abgeordnetenhauswahl am 26. September, die zeitgleich mit der Bundestagswahl stattfindet, bleibt er aber noch Regierungschef. Auch das ist inzwischen unumstritten.

Und noch in diesem Jahr soll Giffey vom SPD-Landesvorstand zur Spitzenkandidatin für die Berliner Wahl gekürt werden. Soweit scheint alles klar.

Doch ist die Stimmung in der Berliner SPD eher gemischt. Seitdem der Streit um die Doktorwürde der Spitzengenossin wieder aufgebrochen ist, mit ungewissem Ausgang für die Autorin der Dissertation, hüllen sich die Parteigremien in Schweigen.

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Parteiintern bleibe es, sagen auch führende Genossen, ein „Aufregerthema“ – und an vielen Mitgliedern nagen leise Zweifel, ob Giffey im Wahlkampf 2021 noch jene Hoffnungsträgerin sein wird, die der SPD zum Sieg verhilft.

Von einem „Schwebezustand“ ist die Rede, der anhalten werde, bis die Freie Universität voraussichtlich im Februar nächsten Jahres neu darüber entscheidet, ob Giffey den Doktortitel doch weiter führen darf. „Sie ist und bleibt unsere Kandidatin und genießt die große Solidarität des Landesvorstands und der Kreisverbände“, sagen jene Genossen, die sich nicht vorstellen können, dass die Sache schlecht ausgeht.

Manche gruselt es vor dem schlimmsten Fall

Anderen gruselt es vor dem Worst-Case-Szenario: Die FU erkennt Giffey den Titel ab und sie muss auf Druck der Bundes-CDU als Ministerin zurücktreten. Was dann?

Einen Plan B gibt es bisher  nicht. Niemand traut sich ernsthaft, jetzt an Giffey zu rühren. Am Freitagabend wird sich der engere SPD-Vorstand und das Parteitags-Präsidium im Hotel Estrel darum bemühen, gute Laune und Zuversicht zu verbreiten. Die Delegierten werden zugeschaltet, die Debatte und die Antragsbeschlüsse erfolgen digital.

Ein Kongress im Livestream, nur zur Neuwahl des Vorstands müssen sich die Delegierten am Freitag und Samstag mehrfach in ein bezirkliches Wahllokal bemühen. Falls drei Wahlgänge nicht reichen, wird der Rest als Briefwahl durchgeführt.

Digitaler Parteitag - realer Urnengang

In jedem Fall sollen die neue Doppelspitze, die Vize-Landeschefs und der Kassierer am späten Freitagabend gewählt werden. Die Auszählung der Stimmen und die Verkündung des Ergebnisses findet erst am Samstagvormittag statt.

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Eine Kampfkandidatur ist bisher nur für den Posten des SPD-Schatzmeisters absehbar: Michael Biel, einflussreicher Vorsitzender des SPD-Ortsverbands Schöneberg, tritt mit guter Erfolgsaussicht gegen den Planungschef im Roten Rathaus und Müller-Vertrauten Robert Drewnicki an.

Offen ist noch, wann die SPD ihre Kandidaten für die Bundestagswahl nominiert. Voraussichtlich erst im Februar oder März. Ob der scheidende Regierungs- und Parteichef Müller oder der Bundes-Vize der SPD, Kevin Kühnert, auf Platz 1 der Landesliste landen wird, ist ebenfalls noch in der Schwebe.

Ulrich Zawatka-Gerlach

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