Kriminelle Clans und die Berliner Polizei: „Die Behauptung der Unterwanderung ist definitiv falsch“
Die Polizeiführung widerspricht in der Sondersitzung im Abgeordnetenhaus dem Vorwurf der Unterwanderung durch kriminelle Clans. Die CDU fordert einen Sonderermittler.
- Ronja Ringelstein
- Hannes Heine
Zufrieden sind sie nicht mit dem Ergebnis: Auf Druck der Opposition hatte sich die Berliner Polizeispitze, Klaus Kandt und seine Vize Margarete Koppers sowie Innensenator Andreas Geisel (SPD) in einer Sondersitzung des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus zu den Vorwürfen angeblicher Missstände in der Polizeiakademie geäußert. Doch man habe nach wie vor „erheblichen Klärungsbedarf“, sagte CDU-Innenexperte Burkard Dregger im Anschluss. Die CDU-Fraktion fordert deshalb nun den Einsatz eines unabhängigen Sonderermittlers, der alle Vorwürfe untersucht.
Grund für die Sondersitzung waren die durch eine Sprachnachricht und einen anonymen Brief eines LKA-Beamten erhobenen Vorwürfe zu Missständen in der Polizeiakademie. Vor allem Schülern mit Migrationshintergrund mangele es an Disziplin, Respekt und Deutschkenntnissen. Von Gewalttaten und einer Unterwanderung durch Familienmitglieder krimineller Clans war die Rede. Am Montag wurde bekannt, dass ein Polizeischüler Kontakt zur organisierten Kriminalität haben soll: Der 27-Jährige war bei einer Polizeikontrolle in einer entsprechenden Szene-Bar angetroffen worden.
Es hat Bewerbungen gegeben, die aber nicht erfolgreich waren
Den Vorwürfen der „Unterwanderung“ trat die Polizeiführung nun entgegen. „Die Behauptung, dass sich Angehörige arabischer Großfamilien in der Ausbildung befänden, ist definitiv falsch“, sagte Kandt. „Richtig ist: Es hat Bewerbungen gegeben, die aber nicht erfolgreich waren.“ Koppers führte aus, dass der Fall des 27-Jährigen disziplinarrechtlich nicht relevant sei, aber statusrechtlich. „Da sieht es nicht so gut aus für den jungen Mann.“ Seine charakterliche Eignung werde nun überprüft. Koppers geht von einer zügigen Entscheidung aus. Der Mann soll seit zwei Jahren in der Polizeiakademie sein. Ein drittes wird es wohl nicht geben.
Koppers führte aus, dass in diesem Jahr bislang 33 Disziplinarverfahren in der Akademie eingeleitet wurden: wegen Täuschungsversuchen in Tests, Beleidigungen und eines wegen einer gefährlicher Körperverletzung. In zwei Fällen habe es Entlassungen gegeben.
Innensenator warnte vor dem Schüren fremdenfeindlicher Ressentiments
Senat und Polizeispitze ärgern sich über die Art und Weise, wie die Vorwürfe bekannt gemacht wurden. Der Innensenator warnte vor dem Schüren fremdenfeindlicher Ressentiments und betonte, die Anschuldigungen seien „noch an keiner Stelle belegt“. Geisel habe die Polizeiführung damit beauftragt, innerhalb der nächsten vier Wochen einen Bericht zu erstellen, der alle Vorwürfe aufklären soll.
„Herauszufinden, ob und welche Missstände es in der Polizeiakademie tatsächlich gibt, traue ich der Polizeiführung nicht zu“, sagte hingegen CDU-Politiker Dregger, und begründet das damit, dass dort kein Klima der Offenheit bestehe. „Sonst müssten die Vorwürfe schließlich nicht anonym geäußert werden, wie es geschehen ist.“ Dregger und auch Karsten Woldeit, innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, sagten dass sie täglich weitere anonyme Zuschriften erreichten, welche die Zustände in der Polizeischule beklagten. FDP und AfD erwägen, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. „Die Frage ist noch offen, ob 2010, als Frau Koppers Polizeipräsidentin wurde, die Anforderungen gesenkt wurden“, sagte FDP-Innenexperte Marcel Luthe.
In der Truppe heißt es: "Die heutige Sitzung hätte man sich sparen können"
Auch in der Truppe wurde die Sondersitzung von einigen Beamten verfolgt. Auf den Revieren seien sie gefragt worden, wie es gelaufen sei. Erwartungsgemäß, hieß es dann. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP), der größte der drei Berufsverbände in den Sicherheitsbehörden, teilte mit: „Die heutige Sitzung hätte man sich sparen können, weil die politischen Parteien es verpasst haben, das Wesentliche in den Fokus zu rücken.“ Es gehe nicht um die Aufklärung möglichen kriminellen Verhaltens einzelner, „das gab es in der Vergangenheit und wird es immer wieder geben“.
Entscheidend sei, ob die Struktur an der Polizeiakademie geeignet ist, um geeignete und ungeeignete Anwärter zu erkennen. „Wir haben große Probleme bei der Ausbildung, die im Übrigen intern von mehreren Kollegen persönlich an die Verantwortlichen herangetragen wurden.“ Die GdP kritisiert die umstrittene Reform der Spandauer Polizeiakademie, die unter anderem dazu geführt habe, dass die Schüler weniger eng betreut werden.
SPD, Linke und Grüne wollen Posten eines unabhängigen Polizeibeauftragten
In den Koalitionsfraktionen hört man das ungern: „Die Sondersitzung selbst hat ergeben, dass es für eine Unterwanderung der Polizei durch kriminelle Clans keine Anhaltspunkte gibt.“ Die Innenexperten von SPD, Linke und Grüne erklärten zudem, dass sie – unabhängig vom Untersuchungsbericht – weiter den Posten eines unabhängigen Polizeibeauftragten schaffen wollen. Dies ist eine alte rot-rot-grüne Forderung – die Chancen auf Umsetzung sollten inzwischen gestiegen sein.