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Polizisten von morgen: Bei einem Pressetermin informierte die Behörde kürzlich zum Thema Ausbildung bei der Polizei.
© Kai-Uwe Heinrich

Zustände in Polizeiakademie: Berliner Polizeispitze wehrt sich gegen "Diffamierung"

Berlins Polizeiführung verwahrt sich in einem internen Brief gegen die "diskriminierende" Kritik. Für die Opposition ist der Brief ein Beweis, dass die Polizeispitze nichts verstanden hat.

Von Ronja Ringelstein

Sie konnten wohl nicht länger schweigen: In einem Schreiben im Intranet der Polizei Berlin nehmen Polizeipräsident Klaus Kandt und die Vize-Chefin Margarete Koppers Stellung zu den Zuständen in der Polizeiakademie. Die Führungsspitze der Berliner Polizei schreibt darin, dass die Dynamik, die die öffentliche Diskussion über die Akademie entwickelt habe, ihnen "große Sorgen bereitet". Der Brief liegt dem Tagesspiegel vor. Kandt und Koppers werden sich an diesem Mittwoch auch in einer Sondersitzung des Innenausschusses gegenüber den Innenpolitikern des Parlaments zu den Vorwürfen verantworten.

Vergangene Woche war zunächst eine Audio-Datei eines Sanitäters, der als Gastdozent an der Schule gelehrt hatte, und ein anonymer Brief eines LKA-Beamten öffentlich geworden, in denen erhebliche Probleme mit Polizeischülern aus arabischen Familien beschrieben wurden. Gar von einer "Unterwanderung" der Polizei durch Mitglieder arabischer Clans war die Rede, dem "Feind in den eigenen Reihen".

Kandt und Koppers erklären, wie es zu der Audio-Datei kam

Kandt und Koppers beschreiben, wie die anonyme Audio-Datei entstanden sei. Zwei Kollegen des Polizeiärztlichen Dienstes seien in einer Klasse an der Akademie eingesetzt worden. Ein Teil der Klasse, darunter auch Auszubildende mit türkischen oder arabischen Wurzeln, habe sich "schlichtweg flegelhaft benommen" und dem Unterricht entzogen. Der Sanitäter sei von den Erlebnissen in der Klasse so schockiert gewesen, dass er seinem ehemaligen Streifenpartner eine WhatsApp-Nachricht schickte. Diese Nachricht verbreitete sich erst innerhalb der Polizei und schließlich in der Öffentlichkeit wie ein Lauffeuer.

"Feindbilder in unseren Köpfen"

Über den Inhalt des anonymen Briefs ärgern sich Kandt und Koppers. Er sei in einem "diffamierenden und diskriminierenden Stil verfasst". Und sie fragen: "Warum bricht sich dieser Frust dann anonym in einer Sprache Bahn, die rassistisch anmutet? Verstecken sich in der Anonymität Menschen, die nur hasserfüllt agitieren wollen und deshalb tatsächlich Repressalien zu befürchten hätten, wenn sie namhaft gemacht werden? Auch der anonyme Briefverfasser der letzten Woche würde ob seiner Behauptungen und Unterstellungen Gefahr laufen, strafrechtliche und disziplinare Reaktionen hervorzurufen. Oder stecken dahinter Menschen, die ernsthaft in Sorge sind und nur das falsche Mittel wählen?" Diese Fragen müsse man diskutieren und sich dabei auch Gedanken machen "über die Feindbilder in unseren Köpfen."

Koppers und Kandt kündigten deshalb in dem Brief an, einen Blog einzurichten, mit dem man mit den Kollegen über verschiedene Themen in den Austausch gehen wolle. Dazu gehörten das Thema Vielfalt, aber auch der Umgang mit Straftaten und das "Feindbild Strafverteidiger".

 Die Polizei versucht, den Schaden abzuwenden

Die Berliner Polizei versucht derweil den Schaden, den das Ansehen der Polizeiausbildung inzwischen genommen hat, wieder wettzumachen. In ihrem Statement auf der Facebook-Seite schreibt sie in Kochrezept-Metaphern: "Der mediale Fokus war vielleicht mehr als jemals zuvor auf das Innenleben unserer Behörde gerichtet. Wir wurden gerührt und geschüttelt, jeder wollte etwas beimengen, ohne Rücksicht auf ein mögliches Überkochen. Wir alle sahen uns sowohl im dienstlichen als auch privaten Umfeld vielen Fragen und Gerüchten ausgesetzt. Die Beantwortung dieser fiel hierbei aufgrund der Komplexität und Sensibilität des Themas nicht immer leicht."

Nicht nur die Öffentlichkeit, auch die Polizei selbst erwarte von sich stets das, "worauf wir einst einen Eid geschworen haben." Dabei orientiere man sich "an einem traditionellen Rezept, bei welchem grundlegende Werte und Richtlinien des Miteinanders eine Hauptzutat bilden", und auch "Offenheit und der Respekt für die Vielfalt, welche uns überall in der Stadt begegnet", gehörten dazu.

"Deutschkenntnisse sind nicht mehr erforderlich. Stimmt nicht!"

Auch die Polizei aber kritisiert die Emotionalität, mit der über die Zustände in der Polizeiakademie berichtet worden sei: Unser Ziel ist ein transparenter, aber vor allem auch ein fair und frei von Pauschalisierungen und Stigmatisierungen geführter Dialog inner- und außerhalb unserer Behörde. Geschmacklose Zutaten tragen nicht zu einem positiven Ergebnis bei. Deshalb bitten wir Sie, Ihre Argumente so zu wählen, wie sie Sie auch selbst zu verzehren bereit wären." Dazu postete sie kleine Fakten-Bilder, auf denen etwa steht: "Deutschkenntnisse sind nicht mehr erforderlich. Stimmt nicht!" und führt dazu aus: "Das Vorhandensein der verlangten Deutschkenntnisse wird im Rahmen des Einstellungstests durch einen Deutschtest (Rechtschreibung, Grammatik, Interpunktion, Fremdwörter) geprüft. Dieser hat absolute k.o.-Wirkung für den Gesamttest."

Die Sondersitzung kommt für manche zur Unzeit

Die drei Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus, AfD, FDP und CDU hatten die Sondersitzung des Innenausschuss durchgedrückt. "Die Sitzung des Ausschusses kommt etwas zu früh, weil die Untersuchungen vermutlich noch ein paar Tage länger dauern", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Frank Zimmermann dem Tagesspiegel. Die Polizei arbeitet derzeit an der Aufklärung der Vorwürfe. Auch, dass einer der Polizeischüler offenbar Kontakte zu kriminellen Clans unterhält, wie am Montag bekannt wurde, werde untersucht.

Für den innenpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Marcel Luthe ist die Aufklärung aber nicht Sache der Polizeiführung. "Die Aufklärung der Vorwürfe muss erfolgen - und zwar vom Parlament. Das Parlament hat den Auftrag der Bürger, des Souveräns. Deshalb haben Herr Kandt und Frau Koppers dem Parlament zu berichten. Und wenn dieser Bericht nicht ausreicht, werden wir die Sache weiter untersuchen." Für Luthe zeige der im Polizei-Intranet veröffentlichte Brief von Kandt und Koppers zudem "deutlich, dass die beiden externen Spitzen der Berliner Polizei das Problem entweder nicht verstanden haben oder bewusst ausblenden: es fehlt den Beamten nach vielen Jahren schlicht an Vertrauen in die Spitze, die durch die etablierte Kultur des Problemleugnens die jetzige Situation erst geschaffen hat."

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