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Bei der WM 2006 feierten die Briten auf der Fanmeile.
© Thilo Rückeis

Anpfiff in Mariendorf: Deutschland gegen England im Olympiastadion

Am 26. März 2016 spielt Deutschland gegen England im Olympiastadion – eine Partie mit Historie in der ganzen Stadt.

England natürlich. Gegen wen sollten die Deutschen in Berlin auch sonst Fußball spielen, wenn nicht gegen eine Abordnung aus London, Manchester oder Liverpool. Kommendes Jahr am 26. März ist es mal wieder so weit. Natürlich im Olympiastadion, das natürlich wieder ausverkauft sein wird, wie schon beim letzten Duell in Berlin vor sieben Jahren, als der Deutsche Fußball-Bund sich die Engländer zur Feier seines 100-jährigen Länderspiel-Jubiläums eingeladen hatte (die dann wenig taktvoll 2:1 siegten).

Wer im Berlin der Siebziger oder Achtziger Jahre groß geworden ist, hat in seiner Schulkarriere mindestens zwei Wandertage bei deutsch-englischen Schülerländerspielen verbracht. Duelle mit England sind für die Berliner Fußballgemeinde, was Queen-Besuche für die höhere Party-Gesellschaft sind. Feiertage von ständig wiederkehrender Erhabenheit.

Beim ersten Mal wurde genau genommen gar nicht in Berlin gespielt, sondern in der 1908 noch selbstständigen Landgemeinde Mariendorf. Auf dem alten Viktoria-Platz an der Eisenacher Straße, wo es keine Duschen gab, worauf die kickenden Staatsdiener beider Nationen sich an fünf Waschschüsseln abseifen mussten. Die Deutschen verloren 1:5, obwohl die Engländer nur eine Amateurvereinsmannschaft geschickt hatten. Deswegen listen sie die deutsche Heimspielpremiere in ihrer Statistik bis heute nicht als offizielles Länderspiel auf.

Engländer kamen nicht zum Termin

Ein anderes Spiel in Berlin würden die Engländer heute auch ganz gern vergessen. Das aus dem Frühling 1938, zwei Monate, nachdem Hitler sich Österreich einverleibt hatte. Englands Premier Neville Chamberlain aber mochte nicht von seiner Appeasement-Politik lassen. Die Beschwichtigung ging so weit, dass vor 110.000 Zuschauern im Olympiastadion die englische Delegation mit erhobenem rechten Arm die versammelte Nazi-Entourage grüßen musste.

Die Spieler sollen alle dagegen gewesen sein. Entsprechend wütend gestalteten sie den sportlichen Teil der Veranstaltung und siegten 6:3. Tags darauf war in der „Times“ von einem Spiel zu lesen, „das so brillant gewonnen wurde, dass die Nazis mit stotternden Flüchen in der Führerloge zurückblieben.“

Ein halbes Jahrhundert und einen Weltkrieg später kamen die Engländer dann gar nicht erst zu einem vereinbarten Termin nach Berlin, und auch das hat im weiteren Sinne mit der braunen Vergangenheit zu tun. 1994 wollte sich Deutschland mit einem Spiel gegen England auf die Weltmeisterschaft in den USA vorbereiten.

Wir sind Hauptstadt, wir können das!

Dass der angesetzte Termin mit Hitlers 105. Geburtstag zusammenfiel, ging den Gastgebern erst drei Monate vor jenem 20. April auf, als Neonazis das Spiel schon längst zur Gedenkfeier umgedeutet hatten. Hamburg zog sich als Ausrichter zurück, und damit hätte die Angelegenheit ein halbwegs glimpfliches Ende nehmen können – wenn denn Berlin nicht eilends als Ausrichter eingesprungen wäre, mit der schlüssigen Argumentation: Wir sind Hauptstadt, wir können das!

Das wiederum war eine großartige Geschichte für die an Nazi-Themen traditionell sehr interessierte englische Presse. Recht häufig fand sich in den Zeitungen das berüchtigte Foto mit den englischen Nationalspielern, wie sie 1938 mit dem rechten Arm die Führerloge grüßten. Hooligans beider Länder trafen schon freudig Verabredungen für Prügeleien im inoffiziellen Rahmenprogramm, aber dann sagten die Engländer doch lieber ab. Ganze zwei Wochen vor dem geplanten Spiel.

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