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Am 30. Januar 1965 wird der mit dem Union Jack geschmückte Sarg Winston Churchills die Themse hinaufgebracht und dann durch London gefahren.
© AFP

Staatsbegräbnis für Winston Churchill vor 50 Jahren: Der letzte Auftritt des Empires

Vor 50 Jahren fand das Staatsbegräbnis für Winston Churchill statt. Am Freitag gedenken die Briten feierlich ihres Kriegspremiers - und des Tages. Sie wissen, es war das Ende einer Epoche.

Körnige Schwarz-Weiß-Bilder aus dem TV-Archiv fassen einen der wehmütigsten Momente der britischen Geschichte zusammen. Am 30. Januar 1965 wird der mit dem Union Jack geschmückte Sarg Winston Churchills auf der Barke „Havengore“ die Themse hinaufgefahren. Lastenkräne, die damals noch in Reih und Glied am Südufer standen, senken, einer nach dem anderen, aus Respekt ihren Tragarm.

Briten, die dem Kriegspremier an jenem Tag zu Hunderttausenden das letzte Geleit geben, am Straßenrand oder zu Hause, wussten, dass sie nicht nur von ihrem großen Kriegspremier Abschied nahmen. Das Staatsbegräbnis war der letzte Auftritt des Empires. Die glorreiche Geschichte war endgültig vorbei.

2002 wählten ihn Millionen in einer BBC-Aktion zum „größten Briten der Geschichte“.
2002 wählten ihn Millionen in einer BBC-Aktion zum „größten Briten der Geschichte“.
© AFP

Am heutigen Freitag wird die „Havengore“ die Fahrt noch einmal machen. Eine Militärkapelle wird „Rule Britannia“ spielen, vom Tower werden Kanonen Salut schießen. „Churchills Worte und Taten haben auch heute ihren Widerhall in unserem nationalen Leben“, sagte Premier David Cameron, als er die Gedenkfeiern ankündigte. „Wir erinnern daran, was er leistete, nicht nur für Großbritannien, sondern die ganze Menschheit.“

Am 16. Januar 1965 hatte der 91-jährige Churchill einen Schlaganfall. „Es ist alles so langweilig“, sagte er – das letzte verständliche Wort des großen Redners, der mehr schrieb als Shakespeare und Charles Dickens zusammen. 1899 nahm er noch zu Pferd am Burenkrieg teil. Als Großbritannien 1952 seine erste Atombombe zündete, war er Premier. 64 Jahre lang war er Unterhausabgeordneter. Aber in die Geschichte geht er ein, weil er Englands Kampf gegen Adolf Hitler anführte und die Allianz mit Russen und den USA zusammenschweißte, die Europa befreite.

Winston Churchill starb am 24. Januar 1965 im Alter von 91 Jahren

Als er am 24. Januar starb, begann die Operation „Hopenot“ (Hoffentlich nicht), wie der Planungsname des Staatsbegräbnisses hieß. Im Radio wurde Beethovens Fünfte gespielt, die Lichter am Piccadilly Circus gingen aus, die „Times“ brachte zum ersten Mal einen Nachruf auf der Titelseite und schrieb: "Sein Ruhm wird so lange andauern, wie man die Geschichte dieses Landes erzählt." Beim Gottesdienst in St. Paul's ging die Queen vor dem Sarg.

Churchills Tod ist für viele noch lebendige Erinnerung. 2002 wählten ihn Millionen in einer BBC-Aktion zum „größten Briten der Geschichte“. In Management-Seminaren wird analysiert, wie er die Briten, gegen alle Hoffnung, für den fast aussichtslosen Krieg gegen Hitler und für die Freiheit mobilisierte.

Im Kabinett stand er oft allein gegen die, die Ausgleich mit Adolf Hitler suchten

So wie England 1940 im „Blitz“ allein gegen Hitler kämpfte, stand Churchill oft sogar im eigenen Kabinett allein gegen solche, die Ausgleich mit Hitler suchten – wie Premier Neville Chamberlain mit seiner „Beschwichtigungspolitik“ vor dem Krieg. Am 10. Mai 1940 trat Chamberlain zurück. Deutschland hatte die Westfront eröffnet und Chamberlain spürte, dass er der Sache nicht gewachsen war. Er schlug dem König Marineminister Churchill als Nachfolger vor. Churchill war 66 Jahre alt. „Mein ganzes Leben war die Vorbereitung für diesen Moment“, schrieb er.

Seine erste Rede als Regierungschef war auch seine berühmteste

Seine erste Rede als Premier wurde seine berühmteste. „Unser Ziel ist der Sieg. Sieg um jeden Preis, Sieg trotz allen Terrors, Sieg, wie lange und hart der Weg auch sein möge, denn ohne Sieg gibt es kein Überleben.“ Mit den Worten: „Ich habe euch nichts zu bieten als Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß“ mobilisierte er das Volk. Seither wird Churchill zitiert, wenn der Westen seine Freiheiten wehrhaft schützen soll. George W. Bush hatte seine Büste im Oval Office. Barack Obama räumte sie wieder weg.

Nach außen selbstsicher, aber innerlich voller Selbstzweifel

In Filmen und Büchern, Ausstellungen und Gedenkveranstaltungen wird zum Jahrestag über Churchill debattiert. Aber hinter der selbstsicheren Fassade verbarg sich ein Mann voller Ängste und Selbstzweifel. Er liebte den Whisky, litt unter Stimmungsschwankungen und Depressionen, war jähzornig und unberechenbar. Ein BBC-Film beschrieb ihn als „skrupellosen Egoisten“ und „leichtsinnigen Opportunisten“, der in unserer Zeit politischer Korrektheit und abgesicherter Karrieren, bei denen Image und schnelle Schlagzeilenerfolge mehr zählen als Prinzip und Weitsicht, nie gewählt worden wäre. „Er hielt allein enorme Macht in den Händen, das würde heute nicht funktionieren“, sagt Filmautor Jeremy Paxman. Ein Chor des Widerspruchs ging durch die Presse.

Nach dem Krieg wählten die Briten ihn ab

Gleich nach dem Krieg wählten die Briten Churchill ab. Sie hielten eine Labour- Regierung für besser geeignet, den Frieden zu gestalten. Churchill, der den Kalten Krieg schon ahnte, schlug Europa den Zusammenschluss zu „Vereinigten Staaten von Europa“ vor. Dabei war für ihn selbstverständlich, dass Großbritannien „Freund und Förderer“ dieses neuen Europas, nicht Mitglied sein würde. 1951 wurde er noch einmal Premier. Bis dahin schrieb er die Geschichte des Weltkriegs. Als Motto schrieb er darüber: „Im Krieg Entschlossenheit. In der Niederlage Trotz. Im Sieg Großmut. Im Frieden Nachgiebigkeit.“

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