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Eine junge Muslima (Symbolbild)
© dpa/Patrick Pleul

Kopftuch-Debatte: Deutschland braucht eine Haltung zum Kopftuch

Religionsfreiheit auf der einen Seite, staatliche Neutralität auf der anderen. Dazwischen: Mächtig Streit und Ängste. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fatina Keilani

Es ist ein Dilemma, ach was, ein ganzer Haufen Dilemmata, ein fast unauflösliches Konfliktbündel, es spielen Gesetze und Gefühle hinein, Ängste und Unwissen: die Kopftuch-Frage. Sie ist zum Kern der Integrationsdebatte geworden.

Einerseits sind da massenhaft gut ausgebildete Frauen, die Lehrerinnen sind, Ärztinnen, Juristinnen, sie machen ordentliche Examina und werden auf dem Arbeitsmarkt gebraucht. Endlich die erwünschten Akademiker aus den muslimischen Zuwandererfamilien also, endlich nicht mehr nur die abgehängten Hauptschüler mit schlechten Schulabschlüssen oder gar keinen. Und dann – lässt man sie nicht rein.

Andererseits: Der Staat muss neutral sein, frei von religiösen Bekenntnissen. Wer als Juristin unbedingt Kopftuch tragen will, kann Anwältin werden, das ist ein freier Beruf, das Kopftuch ist erlaubt, auch im Gerichtssaal. Aber als Richterin oder Staatsanwältin mit Kopftuch auftreten, in einem deutschen Gerichtssaal, als Vertreterin des Staates? Auf keinen Fall! So ist bisher die Linie, diese ist bis hier sogar in allen Ländern einigermaßen einheitlich; sie zerfasert erst beim Lehramt.

Die derzeitige Situation führt zu dem kuriosen Ergebnis, dass der Staat das Referendariat für Juristinnen und Lehrerinnen ermöglicht, denn das muss er als Inhaber des Ausbildungsmonopols, ihnen dann aber keine vollumfängliche Berufstätigkeit gestattet. Darin liegt fraglos eine Benachteiligung, und ob diese gerechtfertigt ist, ist umstritten.

In Berlin geht der Riss mitten durch die Koalition. Die Grünen wollen das Neutralitätsgesetz loswerden, die SPD will daran festhalten. Die Chance, die Frage mal durchentscheiden zu lassen, hat der Senat vorerst verpasst, indem er vor einem Jahr die Revisionsfrist verstreichen ließ. Damals hatte eine aufgrund ihres Kopftuchs abgewiesene Lehrerin eine Entschädigung vom Land erstritten.

Ob mit Kopftuch oder ohne: Lehrer müssen zum kritischen Denken erziehen

Den meisten Bürgern verursacht die Vorstellung einer Richterin oder Staatsanwältin mit Kopftuch Unbehagen. Weiß man denn, ob die Person überhaupt verfassungstreu ist? Nein, das weiß man nicht, allerdings weiß man es auch bei niemand anderem. Und kann man bei einer Grundschullehrerin mit Kopftuch sicher sein, dass sie den Schülern den Unterrichtsstoff beibringt, ohne zugleich subkutan zu vermitteln, dass man als gute Muslima sein Haar verhüllen muss? Kann man nicht.

Und sollten nicht gerade Grundschulen völlig frei sein von allem religiösen Konfliktstoff? Schön wär’s, aber sie sind es auch jetzt nicht. Zu spüren bekommt das dann die Drittklässlerin, deren Mitschüler ihr einreden will, dass ihr Schinkenbrötchen ihr Ticket zur Hölle sei, oder dass sie des Todes sei, weil sie nicht an Allah glaube. Hier müssen die Lehrkräfte ran und Werte wie Freiheit und Toleranz vermitteln, Dogmen hinterfragen und die Kinder zu kritischem Denken anregen.

Es gibt keine Sicherheit, das weiß jeder, der lebt. Deutschland muss die Frage einfach entscheiden. Das Volk in seiner Gestalt als Gesetzgeber kann nicht immer auf das Bundesverfassungsgericht hoffen. Es gibt Länder mit Verbot, etwa Frankreich, und Länder ohne, etwa Großbritannien und Kanada. Das Abendland ist in beiden Fällen nicht untergegangen.

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