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110.000 Wohnungen hat die Deutsche Wohnen bereits in der Stadt – und dazu einen schlechten Ruf bei Mietern. Der aktiennotierte Konzern setzt weiter auf Zukauf und spekuliert dabei auf steigende Mieten.
© Kitty Kleist-Heinrich

Wohnungsmarkt in Berlin: "Deutsche Wohnen" will knapp 4000 Wohnungen kaufen

Wieder schluckt ein Aktienkonzern fast 4000 Wohnungen in Berlin und setzt auf Rendite. Für Mieter sind das schlechte Nachrichten: Der Käufer gilt als einer, der Mieten um jeden Preis erhöht.

Ein Gigant auf dem Wohnungsmarkt wächst weiter: Erst schluckte die Aktiengesellschaft „Deutsche Wohnen“ die GSW, einen von Berlins größten, ursprünglich landeseigenen Konzernen. Jetzt will sie weitere 3900 Wohnungen und 270 Gewerbeobjekte in der Stadt kaufen. Richtig viel Geld, mehr als 650 Millionen Euro, lässt sich der Konzern das kosten. Die Mieter müssen deshalb wohl mit Mieterhöhungen rechnen und vielleicht sogar mit schlechtem Service.

110.000 Wohnungen hat die Deutsche Wohnen in Berlin und dazu noch einen so schlechten Ruf, dass die Parlamentarier sie wegen wiederholter Angriffe auf den Berliner Mietspiegel und Klagen von Mietern über verschleppte Reparaturen vor wenigen Wochen ins Abgeordnetenhaus zitierten. Dort wurde über kalte Heizungen mitten im Winter, Schäden an Gebäuden und Schimmel in Wohnungen gestritten, über schlecht erreichbare Verwaltungen und viele Mieterhöhungen zudem.

Die Deutsche Wohnen bestreitet vieles und versichert: „Nahezu alle Heizungsausfälle werden innerhalb eines Tages oder am Folgetag behoben.“ Sie gibt aber zu, dass es zu längeren Ausfällen kommen könne, „wenn keine passende Ersatzteile vorrätig oder verfügbar sind“, etwa bei veralteten Anlagen. Außerdem habe der „bestehende Handwerkermangel“ zu Beginn des Winters dazu geführt, dass Reparaturen „nicht immer so schnell wie gewünscht“ erfolgt seien.

"Kein anderer Vermieter greift so vehement den Mietspiegel an"

Dagegen vermutet Katrin Schmidberger, Wohnungsmarktexpertin der Grünen, hinter den Vorfällen System: „Unser Eindruck ist: Die Firma zögert notwendige Reparaturen so lange hinaus, bis eine umfassende Modernisierung nötig ist“. Dadurch wolle die Firma einen Wechsel der Mieter herbeiführen und umgehe außerdem die Mietpreisbremse. Der Ärger, dass der eingeladene Konzernchef vor dem Parlament gar nicht erschien, ist noch nicht abgeklungen: „Wir laden Herrn Zahn Ende Mai noch einmal vor“, sagte Schmidberger.

Unter Spekulanten ist Berlin deshalb eine Eldorado, weil viele langjährige Mieter mit alten Verträgen halb so viel zahlen wie zugezogene Nachbarn für die gleiche Wohnung im selben Haus ein Stockwerk höher. Wer 100 oder gleich 3900 Wohnungen mit Altverträgen kauft und dann langjährige Mieter zugunsten von neuen verdrängt, verdient schlagartig Millionen.

Eine „Strategie der harten Kante“ bescheinigt die stellvertretende Chefin des Berliner Mietervereins der Deutschen Wohnen: „Kein anderer Vermieter greift so vehement den Mietspiegel an.“ Nachdem die Firma im vergangenen Jahr aber mehrere Schlappen vor Berliner Gerichten kassiert habe, sei sie mit Klagen zurückhaltender, so Werner weiter. Allerdings nutze man jede auch nur denkbare Möglichkeit zur Anhebung der Mieten.

Rendite "auf Basis" von "Neuvermietungsmieten"

Bei der Deutschen Wohnen heißt es dazu: „Der Berliner Mietspiegel erfüllt aus unserer Sicht den hohen wissenschaftlichen Anspruch nicht vollständig.“ Diese „kritische Sicht“ teile man mit „bundesweit anerkannten Statistik-Experten“. Die „Begründung von Mieterhöhungsverlangen“ könnten laut Gesetz auf unterschiedlichen Wegen erfolgen. Der Mietspiegel sei nur eine davon. „Daneben können Gutachten oder Vergleichswohnungen herangezogen werden“.

Bemerkenswert ist, dass die Deutsche Wohnen genau das mit ihrem Großeinkauf im Sinn haben könnte. Jedenfalls lässt die Mitteilung des Konzerns an deren eigene Aktionären aufmerken. Darin heißt es, die „derzeitigen Vertragsmieten“ in Höhe von 6,92 Euro brächten dem Käufer „anfänglich“ 22 Millionen Euro Miete im Jahr ein. Aber die Deutsche Wohnen rechnet ihren Aktionären außerdem eine Rendite „auf Basis“ von „Neuvermietungsmieten“ vor. Weil man die Pläne für systematische Mieterhöhungen bei den – Experten zufolge – teuer eingekauften Wohnungen schon in der Schublade hat? Die Deutsche Wohnen wiegelt ab: Die Aussage sei „schlicht als Information“ gemeint, die „zur Ankündigung der Transaktion“ gehöre.

Die Senatorin für Stadtentwicklung Katrin Lompscher sagte auf Anfrage: „Käufe und Verkäufe von Wohnungsgesellschaften sind leider nicht zu verhindern.“ Im Zuge der Finanzkrise habe deren Zahl „dynamisch“ zugenommen. „Um diese Spekulationen einzudämmen, brauchen wir eine Steuerreform auf Bundesebene.“ Hintergrund: Die Spekulation mit Wohnungen lassen sich viele Konzerne außerdem noch vom Fiskus vergolden: Keinen einzigen Euro Grunderwerbsteuer müssen sie zahlen, da sie formaljuristisch keine Wohnungen, sondern ein Wohnungsunternehmen erwerben.

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