Bilanz der Berliner Polizei: Derzeit nur 20 von 33 Blitzeranlagen in Betrieb
So viel Vandalismus war nie: Sieben Blitzer der Polizei sind zerstört worden. Eine gute Nachricht: zwei Geräte in Tunneln sind jetzt in Betrieb.
Polizei und Finanzsenator leiden unter gezieltem Vandalismus. Sieben stationäre Blitzersäulen sind derzeit außer Betrieb - mutwillig zerstört.
Dem Tagesspiegel liegt eine Liste aller 33 Anlagen in Berlin vor, die Rotlicht- oder Tempoverstöße erfassen. Bei sieben Anlagen ist vermerkt: "Sachbeschädigung". Drei Geräte wurden im Januar zerstört, vier im März.
Einen Zusammenhang zwischen den Taten sieht die Polizei nicht, es gebe weder Tatverdächtige noch "Ermittlungsansätze", wie ein Polizeisprecher sagte.
Wann die Anlagen repariert sein werden, kann die Polizei nicht sagen. Die Säule am Halleschen Ufer wurde bereits zum zweiten Mal zerstört. Nach der ersten Attacke wurde sie im November wieder angeschaltet und wenige Wochen später erneut "mittels massiver Gewalteinwirkung komplett zerstört", wie die Polizei mitteilte: "Totalschaden". Für alle Reparaturen sind 250.000 Euro veranschlagt.
Außer Gefecht sind damit einige der größten Geldbringer. So blitzten die Säulen am Kaiserdamm und in der Osloer Straße in 2019 vergleichsweise oft. Wie hoch der finanzielle Verlust durch diese Zerstörungsserie ist, blieb offen.
Im Frühjahr räumte Innenverwaltung Probleme bei der Polizei ein
Erstmals hatte die Innenverwaltung im Frühjahr eingeräumt, dass die Polizei ein Problem hat. In der Antwort auf eine Anfrage des Abgeordneten Harald Moritz (Grüne) hieß es: "Wegen vielfältiger Vandalismusschäden wurde die Geschwindigkeits-und Rotlichtüberwachungsanlage am Standort An der Wuhlheide / Rudolf-Rühl-Allee deinstalliert."
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Dass mehrere weitere Anlagen ebenfalls nicht mehr blitzen, verschwieg die Innenverwaltung in dieser Antwort. Die in Köpenick an der Wuhlheide abgebaute Säule wird demnächst übrigens an der Landsberger Allee Ecke Weißenseer Weg aufgestellt. An den anderen Standorten werde die Polizei nicht vor den Vandalen kapitulieren, versicherte ein Sprecher des Präsidiums.
Die erfolgreichste Säule steht an der A111
Die erfolgreichste Säule steht an der A111 kurz vor der Stadtgrenze. Das 2018 installierte Gerät löste im vergangenen Jahr fast 226 000 Mal aus.
Sechs weitere Anlagen sind aus anderen Gründen defekt oder wegen Baustellen abgeschaltet. Der Blitzer am Tempelhofer Damm Höhe A100 ist mittlerweile zwei Jahre kaputt.
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Grundsätzlich gilt: Weil "eine Vielzahl von Akteuren in den Planungs- und Entscheidungsprozess einzubeziehen sind, können zur (Wieder-)Inbetriebnahme grundsätzlich keine validen Zeitpunkte prognostiziert werden".
Dem Land Berlin entgehen dadurch Millionen
Insgesamt sind derzeit nur 20 von 33 Anlagen in Betrieb. Dem Land Berlin entgehen dadurch Millionen. Im Jahr 2019 kassierte das Land aus diesen Anlagen 10,6 Millionen Euro. Etwa 3,4 Millionen Euro stammen von Rotlicht-Fahrern, 7,2 Millionen Euro von Rasern. Die laufenden Kosten betrugen laut Innenverwaltung lediglich 334.000 Euro
Trotz der aktuellen Ausfälle werden die Einnahmen in diesem Jahr, wie berichtet, deutlich steigen. Das hat vor allem zwei Gründe: So wurden Ende April die Bußgelder für Tempoverstöße in den unteren Kategorien (bis 20 Kilometer pro Stunde zu schnell) verdoppelt. Statt wie bisher 15, 25 oder 35 Euro sind nach der neuen StVO 30, 50 oder 70 Euro fällig.
Der zweite Grund: Seit März dieses Jahres sind zwei weitere "Schwarzblitzer" auf Autobahnen in Betrieb, und zwar im Tiergartentunnel und im Tunnel Flughafen Tegel.
Auf Anfrage sagte ein Polizeisprecher, dass beide neuen Anlagen wöchentlich jeweils 600 bis 800 Mal auslösen. Hochgerechnet aufs Jahr sind das 30.000 bis 40.000 Bußgeldbescheide pro Anlage.
Anlage im Britzer Tunnel hat sich als Goldgrube erwiesen
Bislang gab es nur eine derartige Anlage im Tunnel Ortskern Britz, sie hat sich seit Mai 2010 zu einer regelrechten Goldgrube entwickelt. Allein 2019 wurden 93.000 Verstöße geahndet. Die Zahl der Verstöße war in den vergangenen Jahren fast konstant bei 100.000 pro Jahr, es gab also nicht den Lerneffekt bei Autofahrern.
Wieso die beiden neuen Anlagen weniger Raser als im Britzer Tunnel erfassen, ist unklar. Im Tiergartentunnel sind insgesamt weniger Fahrzeuge unterwegs, nicht aber im Flughafentunnel im Zuge der A111.
Schwarzblitzer blitzen ohne "Blitze"
Für Autofahrer sind die „Blitze“ unsichtbar, damit sich niemand erschrecken kann. Die Schwarzblitzer fertigen - für Menschen unsichtbar - Front- und Heckaufnahmen, so dass auch Motorradfahrer zur Kasse gebeten werden können.
2014 und 2018 waren zwei Motorradfahrer im Tiergartentunnel tödlich verunglückt, diese Unfälle waren mit ein Grund für die Installation der Tempoüberwachung. Im Britzer Tunnel, der schnell nach Eröffnung die Blitzer erhielt, gab es keine tödlichen Unfälle.
Überwiegend handele es sich um Farbschmierereien
Als vandalismusresistent haben sich bislang die beiden Blitzanhänger erwiesen, die seit zwei Jahren in Berlin im Einsatz sind. Es wurden laut Polizei 2019 genau 27 Sachbeschädigungen registriert. "Ganz überwiegend handelte es sich dabei um Farbschmierereien", teilte die Innenverwaltung mit. Der Sachschaden betrug nur 4100 Euro.
Wie berichtet, sind die Anhänger gepanzert und extrem erfolgreich. Sie werden für einen oder mehrere Tage aufgestellt, der Standort kann sich also nicht herumsprechen. 2019 blitzten sie 200.000 Temposünder - bei einem Stückpreis von 120.000 Euro pro Hänger dürfte sich der Finanzsenator zufrieden die Hände reiben. In diesem und dem kommenden Jahr kauft die Polizei jeweils zwei weitere "Geschwindigkeitsmessanhänger".
Im August 2019 hatte das Abgeordnetenhaus einen Antrag für mehr stationäre und mobile Blitzer an Unfallschwerpunkten sowie Schulen und Kitas beschlossen.