Koalitionsstreit und Bürokratie: Der Zeitplan für den Berliner Mietendeckel wackelt
Im Januar soll der Mietendeckel in Kraft treten. Bisher ist sich die Koalition aber noch nicht einig, was drinstehen soll.
Momentan ist nicht absehbar, ob es der rot-rot-grünen Koalition noch gelingt, den gesetzlichen Mietendeckel wie angekündigt im Januar 2020 in Kraft treten zu lassen. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hält es sogar für „plausibel und erwägenswert, den Mietendeckel gestuft in Kraft treten zu lassen“.
Näher äußerte er sich zu dieser Idee aber nicht. Den ursprünglichen Zeitplan nannte er am Dienstag nach der Senatssitzung „sportlich“. Die gesetzten Termine dürfen die inhaltliche Diskussion „im Interesse der Qualität“ nicht dominieren.
Am 7. Oktober soll das senatsinterne Mitzeichnungsverfahren für den umstrittenen Gesetzentwurf der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) beendet sein. Bis dahin müssen demnach die Stellungnahmen der beteiligten Verwaltungen vorliegen.
Soweit er wisse, sei bei Kollegin Lompscher bisher „noch nicht so schrecklich viel Papier eingegangen“, sagte Kollatz. Es gebe eine Reihe von rechtlichen, finanziellen und verwaltungsmäßigen Fragen, die noch ungeklärt seien. „Schließlich betreten wir in erheblichem Umfang Neuland.“
Probleme klären: schwierig
Der Senatsbeschluss für ein Berliner Mietengesetz, der nach dem bisherigen Terminplan am 15. Oktober gefasst werden soll, steht nicht nur deshalb auf der Kippe, weil der Inhalt des Gesetzes koalitionsintern strittig ist. Es wurde in der Senatssitzung am Dienstag auch kritisch angemerkt, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller an diesem Tag auf Dienstreise in Singapur ist.
Deshalb wurde angeregt, die vielen ungeklärten Probleme vorab in einer Sondersitzung des Koalitionsausschusses zu lösen. Aber auch das wird wegen der Herbstferien schwierig, viele Regierungspolitiker sind verreist.
Derzeit läuft alles auf einen handfesten Koalitionsstreit hinaus. Die Parteiführung der Linken kämpft vehement für den Vorschlag der Bausenatorin, der nicht nur einen Mietenstopp, sondern auch die Absenkung „überhöhter Mieten“ samt tabellarischer Obergrenzen vorsieht. Dagegen verweist die Berliner SPD auf ihre ursprüngliche Idee, die im Januar von der Bundestagsabgeordneten Eva Högl und dem Vize-Landeschef der SPD, Julian Zado im Tagesspiegel veröffentlicht wurde.
Sie schlugen damals vor, die Mieten für fünf Jahre einzufrieren und die Vermieter zu zwingen, die Miethöhen offenzulegen. Entsprechend wirbt die SPD auf ihrer Internetseite für einen „wirksamen und rechtssicheren Mietendeckel, der mit geringem Verwaltungsaufwand umgesetzt werden kann“.
Der von Lompscher vorgelegte Gesetzentwurf, kritisiert Zado, führe zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand. Ein reiner Mietenstopp sei dagegen auch rechtlich verhältnismäßig. „Wir müssen darauf achten, dass das Ganze hält und nicht schon 2020 wieder die Luft raus ist“, mahnte der SPD-Mann.
Kapek macht Druck
Der dritte Regierungspartner, die Grünen, bemüht sich darum, im Konflikt zwischen SPD und Linken nicht unter die Räder zu kommen. Trotzdem macht auch die Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek Druck. Die Koalition sei jetzt schon in großer Zeitnot, sagte Kapek dem Tagesspiegel. „Das Gesetz zum Mietendeckel muss aber im Januar in Kraft treten.“ Schon deshalb, weil viele Vermieter die letzten Monate für Mieterhöhungen genutzt hätten. Dies müsse mit rechtlichen Mitteln möglichst bald nachträglich korrigiert werden, fordert Kapek.
Weitere Bedingungen, die die Grünen stellen: Das neue Gesetz müsse so rechtssicher wie möglich und verwaltungstechnisch kurzfristig umsetzbar sein. Außerdem müssten „Gerechtigkeitsfragen“ geklärt werden, die mit einem Mietenstopp bzw. einer Absenkung von Mieten verbunden seien, sagte Kapek.
Die Grünen wollen, ähnlich wie die Linken, mehr als ein Mietenmoratorium. Wenigstens die Wuchermieten in der Stadt sollen abgesenkt werden. Die Grünen-Fraktionschefin ahnt, dass es koalitionsintern schwierig wird, sich zu einigen. „Wir schrauben für den Mietendeckel an sehr vielen Stellschrauben.“
Die Zeit drängt
Nach dem Senatsbeschluss, wenn er denn kommt, ist der Rat der Bürgermeister die nächste Hürde. Die zwölf Bezirksbürgermeister wollen sich Zeit lassen für eine gemeinsame Stellungnahme. Die könnte verheerend ausfallen, wenn nicht vorab geklärt wird, wie die öffentliche Verwaltung bis zum Januar für die drohende Flut von Anträgen, Prüf- und Gerichtsverfahren personell und technisch ertüchtigt werden kann. Derzeit sehen sich weder die Bezirke noch die Investitionsbank Berlin in der Lage, das Mietengesetz zu Jahresbeginn 2020 umzusetzen.
Es gibt noch ein Problem: Wenn das Gesetz vor der Weihnachtspause am 12. Dezember beschlossen werden soll, um Anfang 2020 in Kraft zu treten, müsste es im Eilverfahren durch die Ausschüsse des Parlaments gepeitscht werden. Parallel zur abschließenden Beratung des Landeshaushalts. Vor allem in der SPD gibt es Zweifel, dass dies machbar ist.