zum Hauptinhalt
Zu laut? Seit 1967 gastiert der Weinbrunnen auf dem Rüdesheimer Platz.
© Cay Dobberke

Lärmschutzklage in Berlin-Wilmersdorf: Der Weinbrunnen soll nicht sprudeln

Ein Nachbar klagt gegen das Winzerfest am Rüdesheimer Platz. Doch andere Anwohner kämpfen für die traditionsreiche Veranstaltung in der Wilmersdorfer Rheingausiedlung.

Es ist ein gutbürgerliches Fest in einem ebensolchen Kiez: Seit 1967 gibt es auf dem Rüdesheimer Platz in Wilmersdorf den „Rheingauer Weinbrunnen“, wo Winzer aus dem Landkreis Rheingau-Taunus in einer Holzhütte Wein und Sekt ausschenken – vom 9. Mai bis 22. September, täglich zwischen 15 und 21.30 Uhr. Bei gutem Wetter sitzen rundum hunderte Gäste, viele kommen aus anderen Bezirken. Gesang oder Gebrüll ist nicht üblich – und doch findet ein Nachbar das Fest zu laut. Vor wenigen Tagen hat der Anwohner einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht gestellt, um die Schankerlaubnis widerrufen zu lassen.

Während der Verhandlungstermin noch nicht feststeht, läuft schon die Gegenbewegung: Sowohl die Wirte als auch Anwohner, Ladenbesitzer aus der Umgebung und die örtliche CDU sammeln Unterschriften für den Weinbrunnen. Mehr als 5000 Menschen hätten schon unterzeichnet, sagt Winzer Heinrich Basting, der mit seinem kleinen Gastronomieteam zum elften Mal angereist ist. Sein Weingut wechselt sich beim Ausschank mit zwei weiteren ab.

Der Kläger „hat es nie im Guten versucht“, bedauert Basting. Die Öffnungszeit am Wochenende sei doch schon verkürzt worden – bis zum vorigen Jahr lief das Fest freitags und sonnabends bis 22.30 Uhr. Jetzt habe man auf eigene Kosten zwei Lärmmessungen veranlasst, sagt der Winzer. Die Lautstärke habe unter dem tagsüber in Wohngebieten zulässigen Wert von 55 Dezibel gelegen.

Der Bezirk lobt die innerstädtische Oase

Eine dritte Messung sei geplant, sagt der Charlottenburg-Wilmersdorfer Stadtrat für Stadtentwicklung und Ordnung, Marc Schulte (SPD). Aus seiner Sicht sind der Platz und das Fest eine innerstädtische „Oase“, das gesellige Beisammensein präge die Kiezkultur. Die Klage des Anwohners sei unverständlich.

Auch der Bürgermeister von Rüdesheim, Volker Mosler (CDU), kann den Ärger nicht nachvollziehen. Er sei mehrmals zum Weinbrunnen gereist und habe dabei am Rüdesheimer Platz übernachtet: „Ich kann da schlafen – dabei ist meine Pension nur 20 Meter entfernt.“ Im Übrigen gehe es in Rüdesheim oft viel lauter zu, bis Sonntag laufe zum Beispiel das Motorradfestival „Magic Bike“ mit bis zu 50 000 Teilnehmern.

19 Wochen seien schlicht zu lang, sagt der Anwalt des Klägers

Der Beschwerdeführer vom Platz wohne dort seit mehr als 30 Jahren mit seiner Frau, sagt sein Anwalt Tim Stähle. Damit widerspricht er der Annahme verärgerter Festbesucher, ein Hinzugezogener werde zum Spaßverderber. Man wolle den Weinbrunnen auch „nicht komplett verhindern, sondern auf eine vernünftige Dauer reduzieren“, sagt der Anwalt. Zu diesem Zweck habe er beim Bezirk zuerst einen „Antrag auf Einschreiten“ gestellt, der abgewiesen worden sei. So „wurden wir reingedrängt in den Frontalangriff“. Es gebe nun rechtlich „keine andere Möglichkeit“ mehr, als gegen die ganze Schankerlaubnis vorzugehen.

Auch der Kläger habe den Lärm messen lassen, sagt Stähle, dabei seien „die maßgeblichen Werte für die Nacht“ – ein Pegel von 44 Dezibel – überschritten worden. Ob ein Fest im Wohngebiet verträglich sei, hänge aber vor allem von der Gesamtbetrachtung ab. Eines der Probleme bestehe darin, dass viele Gäste abends nach der Schließung nebenan im Park weiterfeiern. Abgesehen davon gehe es seinem Mandaten auch um erholsame Stunden tagsüber auf dem Balkon. Eigentlich drehe sich der Streit um die außergewöhnliche Gesamtdauer des Festes, sagt der Anwalt: Ursprünglich habe es nur zwei bis drei Wochen lang stattgefunden, erst später seien daraus 19 Wochen geworden.

Unterschriftensammlung. Winzer Heinrich Basting (links) mit einem Gast des Weinfests, für dessen Erhaltung schon mehr als 5000 Bürger unterzeichnet haben sollen.
Unterschriftensammlung. Winzer Heinrich Basting (links) mit einem Gast des Weinfests, für dessen Erhaltung schon mehr als 5000 Bürger unterzeichnet haben sollen.
© Cay Dobberke

Auch in Wilmersdorf wächst Wein

Der „Rheingauer Weinbrunnen“ hat einen geschichtlichen Hintergrund. Die Gegend ist als Rheingauviertel bekannt, die meisten Straßen und Plätze sind nach Städten und Orten aus der Region benannt. 1972 übernahm der Landkreis Rheingau-Taunus eine Patenschaft für Wilmersdorf, aus der 1991 eine Partnerschaft wurde. Und im Stadion Wilmersdorf gibt es einen Weinberg, für den Winzer Reben spenden. Das Bezirksamt verschenkt Flaschen der „Wilmersdorfer Rheingauperle“ an Jubilare und Gäste. Seit 2010 konnte der Wein wegen Frostschäden und Hasenfraß nicht geerntet werden, doch dank neuer Reben soll das ab 2016 wieder möglich sein.

Besucher des Weinbrunnens zeigen unterdessen kein Verständnis für die Klage. Zwei Frauen aus Wilmersdorf und Zehlendorf, die seit Jahren Stammgäste sind, ärgern sich über die „Frechheit“. Der gemütliche Ausschank sei doch „keine Biermeile mit Remmidemmi“.

Zur Startseite