Tödliche Fahrradunfälle: "Der Mensch ist die Schwachstelle"
Auf Berlins Straßen starben in diesem Jahr schon sieben Radfahrer. Meistens passiert dies durch abbiegende Autos Experten fordern daher zusätzliche Sicherheitstechniken in den Fahrzeugen, damit sie bei Gefahr automatisch bremsen.
Bereits sieben Radfahrer sind in diesem Jahr im Straßenverkehr getötet worden. Am Freitagabend starb ein 23-Jähriger etwa 24 Stunden nach einem Unfall auf der Holzmarktstraße in Friedrichshain. Wie berichtet, hatte ein 70-jähriger Mercedes-Fahrer den Radler beim Linksabbiegen übersehen. Damit sind in diesem Jahr fünf der sieben Todesopfer durch abbiegende Lastwagen oder Pkw verursacht worden. Erst am Mittwoch war in Mitte an der Wilhelmstraße ein lettischer Tourist von einem rechts abbiegenden Betonmischer erfasst und getötet worden.
Der Fahrradclub ADFC Berlin forderte angesichts der vielen Abbiegerunfälle die Polizei noch einmal auf, endlich ihre Kontrollen auf falsch abbiegende Autos zu konzentrieren. „Die Ursache Nummer eins für schwere Personenschäden bei Radfahrern muss endlich bekämpft werden“, sagte die Landesvorsitzende Sarah Stark. Seit Jahren streiten Polizei und ADFC um die Kontrollen. Radfahrer wissen nur zu gut, dass Polizisten bei „Sonderkontrollen“ vor allem die Zahl und die Farbe der Reflektoren am Rad und die Bremsen prüfen – aber nicht Raser und Rotlichtsünder, die Radfahrer gefährden.
ADFC-Vorstandsmitglied Bernd Zanke forderte am Sonnabend zudem die generelle Ausstattung von Lkw und Pkw mit moderner Sensortechnik, die abbiegende Fahrzeuge im Gefahrenfall selbstständig abschalten. „Der Mensch ist die Schwachstelle“, betonte Zanke. Denn mittlerweile seien Lastwagen mit einer Vielzahl von Spiegeln ausgestattet, die eigentlich keinen toten Winkel mehr übrig lassen. Dennoch gibt es immer wieder schwerste Unfälle durch Rechtsabbieger. „Alle Spiegel nutzen nichts, wenn der Fahrer sie nicht benutzt“, hieß es.
Welche Maßnahmen die Stadt bisher ergriffen hat - und welche Erfahrungen sie damit gemacht hat, lesen Sie auf Seite 2.
Die Verbesserung der Sicherheit durch zahlreiche Airbags, Brems- und andere Systeme ist in den vergangenen Jahren ausschließlich den Fahrzeuginsassen zugute gekommen. Die aktuellen Zahlen der Polizei bestätigen dies: Unter den mittlerweile 40 Verkehrstoten in diesem Jahr war lediglich ein Autoinsasse. Nun sei es Zeit, die Fahrzeugtechnik zugunsten von Radfahrern und Fußgängern – die in Berlin mit Abstand am häufigsten getötet werden – zu verbessern.
Der Bundesverband des ADFC fordert nicht nur eine Kollisionswarnung beim Rechtsabbiegen, sondern auch eine automatische Notbremsung im Gefahrenfall. Durch diese „Überlebenstechnik“ ließen sich tödliche Unfälle beim Anfahren vermeiden. Wie berichtet, hatten am Mittwoch bei dem tödlichen Unfall in der Wilhelmstraße der schwere Lastwagen und der Radfahrer zunächst nebeneinander an der roten Ampel gestanden. Bei Grün waren dann beide losgefahren, doch schon die erste Achse des schweren Lastwagen überrollte den Radfahrer. Ein nahezu identischer Unfall war bereits im April in Treptow geschehen. Wie die Wilhelmstraße ist auch die Kiefholzstraße mit neu markierten Radspuren versehen. Diese gelten eigentlich für Radfahrer als besonders sicher.
Bekanntlich setzt Berlin seit etwa zehn Jahren auf diese Radlerspuren direkt auf der Fahrbahn. Polizei und Verkehrsverwaltung loben sie als sicherer, da Radfahrer dort im Blickfeld der Autofahrer sind, anders als auf den traditionellen Radwegen auf dem Bürgersteig. Mittlerweile sind auch zahlreiche Hauptstraßen damit ausgestattet. Nach Ansicht von Experten hat dies die Zahl der getöteten Radfahrer in den vergangenen Jahren verringert. Im langfristigen Vergleich sinken die Zahlen deutlich. Waren es im Rekordjahr 2003 noch 24 Tote, war die Zahl im abgelaufenen Jahr 2010 auf den historischen Tiefststand von 6 getöteten Radlern gefallen.
Experten verweisen darauf, dass die Zahl der Fahrradfahrer in der Stadt sich in den vergangenen 15 Jahren etwa verdoppelt hat. Mittlerweile werden etwa 13 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt, in der Innenstadt etwa 20 bis 25 Prozent. Noch mehr sind es in vielen Kiezen, in der Glogauer Straße in Kreuzberg liegt der Radanteil bei 35 Prozent.