Stefan Komoß und Klaus Wowereit: Der Königsmörder aus Marzahn
Stefan Komoß ist Bezirksbürgermeister weit im Osten und Chef des kleinsten SPD-Kreisverbandes. Einige nennen ihn nun Königsmörder – weil er Wowereit öffentlich aufforderte, sich zu erklären.
Im antiken Drama fiele dem Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, Stefan Komoß, die Rolle des Königsmörders zu. Nicht mit dem Dolche erschien er im Roten Rathaus, er führte das scharfe Schwert der publizierten Meinungsäußerung. Und traf ins Schwarze: „Wir erwarten, dass Klaus Wowereit sich noch 2014 positioniert und erklärt, ob er noch mal kandidiert“, sagte der SPD-Mann vor zwei Wochen der Springer-Presse. Bis dahin hatte Wowereit nur verlauten lassen, er werde sich erst Ende 2015 äußern, ein Jahr vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus. Innerhalb der Hauptstadt-SPD gab es seit Monaten Unmut über die schlechten Umfragewerte der Partei und des Regierenden Bürgermeisters, doch niemand wagte sich mit Kritik aus der Deckung. Und dann zückte ausgerechnet Stefan Komoß, Chef des kleinsten SPD-Kreisverbandes, das Schwert.
Zuvor versicherte sich Komoß der Rückendeckung seiner engsten Parteigenossen. Er fragte die Vorstandsmitglieder der SPD Marzahn-Hellersdorf, ob sie eine solche Äußerung mittragen würden. Nach kurzer Diskussion kam das Okay, erinnert sich der stellvertretende Vorsitzende Rudolf Kujath. „Es gab einen einstimmigen Beschluss.“ Das war am 7. August. Vier Tage später wurde der Beschluss öffentlich, und es gab viel Kritik. Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, ebenfalls SPD, sprach von einer Demontage Wowereits.
"Wir wollten nur wissen, woran wir sind"
Kujath dagegen glaubt nicht, dass die Äußerung größeren Einfluss auf die Entscheidungsfindung Wowereits hatte. „Das war nur ein relativ unbedeutendes Mosaiksteinchen.“ Die Kritik habe vor allem auf dem Missverständnis beruht, Komoß habe indirekt den Rücktritt Wowereits gefordert. „Es war keine Aufforderung zum Rücktritt. Wir wollten nur wissen, woran wir sind.“ Das wissen sie nun.
Nach Tagesspiegel-Informationen wurde auf der Sitzung ursprünglich eine schärfere Formulierung besprochen, in der ein „Wechsel“ an der Führungsspitze gefordert wurde. Diese Formulierung wurde aber wieder verworfen.
Komoß werden Ambitionen nachgesagt, Senator zu werden. Im Schattenkabinett des erklärten Nachfolge-Kandidaten Jan Stöß sei der 50-Jährige für die Ressorts Stadtentwicklung und/oder Finanzen gesetzt. Komoß wurde im Frühjahr in den Landesvorstand der SPD gewählt. Er selbst war am Mittwoch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende in der BVV Marzahn-Hellersdorf, Gordon Lemm, hat Verständnis für das Vorpreschen seines Bürgermeisters. Es sei über den Sommer in der SPD ein „Vakuum“ entstanden, weil Wowereit die Nachfolgefrage offen ließ. „Hätte er gesagt, er trete 2016 noch mal an, hätte ihm sicher niemand die Gefolgschaft verweigert.“
Komoß geht gern neue Wege
Letztlich sei die Äußerung wohl zu spät gekommen, um noch Wirkung entfalten zu können. Wowereit habe ja eigentlich schon im Juli seinen Rücktritt ankündigen wollen, aber wegen des WM-Sieges der deutschen Nationalmannschaft den Termin noch mal verschoben.
Stefan Komoß, ein Berliner mit badischen Wurzeln, wurde 2011 mit knapper SPD-Mehrheit zum Bezirksbürgermeister gewählt. Seitdem geht er auch unkonventionelle Wege, um Probleme zu entschärfen. Außenstände des Bezirks wurden privaten Schuldeneintreibern überlassen. 2012 startete ein Projekt gegen Jugendarbeitslosigkeit. Er habe sich „das selbstmörderische politische Ziel“ gesetzt, die Jugendarbeitslosigkeit im Bezirk bis 2016 auf null zu senken, sagte Komoß dem Tagesspiegel vor einem Jahr. Noch ein Grund, vorher auf einen Senatorenposten zu wechseln.
Als „heitere Gelassenheit“ beschreibt Komoß seine neue Arbeitseinstellung nach der schweren Krebserkrankung, die er erst vor kurzem glücklich überstanden hat. Mit der neuen Gelassenheit, kann man schon mal heiter an der Karriereschraube drehen. Wenn es nicht klappt? Auch egal.
Thomas Loy
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