Liveblog zum Fall McKinsey und Diwell: "Der Begriff der Einflussnahme ist ein sehr weiter"
Stundenlang wurde Björn Böhning, Chef der Senatskanzlei, im Hauptausschuss zum Fall Diwell und McKinsey befragt. Konnte er die Vorwürfe entkräften?
Der Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses wollt es wissen: Warum wurde für die Erstellung des "Masterplans Integration und Sicherheit" die Beraterfirma McKinsey beauftragt? Welche Rolle hat SPD-Mann Lutz Diwell gespielt? Nachdem sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) vorige Woche im Parlament geäußert hatte, wurde am Mittwoch der Senatskanzleichef Björn Böhning (SPD) befragt. Hier ist der Live-Blog zum Nachlesen, mit dem der Tagesspiegel die Sitzung begleitet hat.
+++ Öffentliche Befragung beendet. Mit den Worten des Grünen-Haushaltsexperten Jochen Esser geht der öffentliche Teil der Befragung zu Ende. Für ihn, Esser, hat Böhning den Nachweis nicht geführt, dass die Vergabe des Auftrages an McKinsey rechtmäßig war.
+++ Grünes Fazit. Die öffentliche Befragung geht in die letzte Runde. "Für mich ist heute keine Klarheit eingetreten", sagt Grünen-Ausschussmitglied Nicole Ludwig. Warum allein McKinsey für den Auftrag in Frage gekommen sei, könne sie nicht erkennen.
+++ Böhnings Fazit. Zum Zeitpunkt am 28. Dezember habe die Senatskanzlei nach bestem Wissen und Gewissen das einzige Unternehmen ausgewählt, dass die entsprechenden Voraussetzungen mitbrachte. Er bezweifle aber nicht, dass man ihm "in zwei Jahren auch gleich geeignete andere Unternehmen" zeigen könne.
+++ Darf jeder pro bono ran? Auf das scherzhafte Angebot Christopher Lauers (Piraten) ab Herbst pro bono für den Senat zu arbeiten, in dem die ernsthafte Frage steckte, wer unter welchen Kriterien ehrenamtlich für den Senat tätig werden darf, sagt Böhning: „Jeder kann dem Senat immer eine Pro-bono-Tätigkeit anbieten. Ob der Senat das dann will, ist eine andere Frage.“
+++ Zitat des Tages. „Nicht jeder, der beim Regierenden Bürgermeister auf der Couch sitzt, ist gleich ein enger Vertrauter." (Björn Böhning, Senatskanzleichef, der sich gegen den Vorwurf der Vetternwirtschaft wehrt.)
+++ Vierstellige Summe für Diwells Rechtsgutachten. 8150 Euro hat der frühere SPD-Staatssekretär für sein Rechtsgutachten erhalten, wie die Asylverfahren beschleunigt werden könnten.
+++ Es kann nur McKinsey geben. Seit nunmehr dreieinhalb Stunden beantwortet Senatskanzleichef Björn Böhning die Fragen der Abgeordneten. Jetzt wird noch über die Gründe gesprochen, weshalb die Beraterfirma McKinsey den 238.000-Euro-Auftrag erhalten hat. Böhning: Die Aufbereitung der Datenbasis und die Erstellung von Analysen und Prognosen, die sich daraus ableiten lassen – diese Aufgabe hat McKinsey übernommen. Und diese Prognosen zu kontrastieren mit den Wünschen aus den Fachverwaltungen, das ist eine Aufgabe der Senatskanzlei – diese Expertise lag uns zu diesem Zeitpunkt aber nicht vor. McKinsey hat die Workshops vorbereitet und durch die Themen geführt. Ich habe moderiert." im Übrigen habe die in der gesamten Zeit exzellente Arbeit geleistet. Es gebe nichts daran zu deuteln, dass McKinsey seine Expertise so eingebracht hat. Allerdings gibt Böhning zu, dass in Zukunft bei derartigen Verfahren mehr Transparenz nötig sei.
+++ SPD kritisiert den SPD-geführten Senat. Nachdem bislang Schweigen in der SPD zur Affäre herrschte, stellt nun deren haushaltspolitischer Sprecher Torsten Schneider klar, dass die Vergabe nicht rechtswidrig war: "Die freihändige Vergabe sehen wir vom haushaltsrecht als gedeckt. Ob sie politisch klug war, ist eine andere Frage." Er betont, dass er seine Aussage als Kritik am Senat verstanden haben will.
+++ Die Verhandlungen mit McKinsey. Nach eigenem Bekunden hat Böhning selbst die Verhandlungen mit McKinsey geführt. Zur Frage, ob die Senatskanzlei auf die Zusammenarbeit von McKinsey und Lutz Diwell Einfluss genommen hat, betont Böhning: „Der Begriff der Einflussnahme ist ein sehr weiter." Es sei möglich, dass McKinsey im Rahmen der Pro-bono-Tätigkeit auf Herrn Diwell gestoßen sei. "Das ist aber keine Einflussnahme.“ Er habe aber weder Diwell vorgeschlagen, noch McKinsey gesagt, der frühere Staatssekretär müsse Teil des Auftrags werden.
+++ Nachtrag zum Fall Diwell. Der frühere Staatssekretär hat im Oktober vorigen Jahres für die Senatskanzlei gearbeitet. Laut Böhning habe Diwell ein Gutachten erstellt, in dem es um die Beschleunigung von Asylverfahren gegangen sei. „Ich habe dann entschieden, sich mal Landesgesetze anzuschauen, inwiefern da eine Vereinfachung möglich ist. Deshalb habe ich Herrn Diwell beauftragt, verfahrensrechtliche Vereinfachungen auf Landesebene zu begutachten - unterhalb Schwelle zur Ausschreibung." Die rechtliche Expertise sei notwendig gewesen, so Böhning. Am 8. Januar habe die Senatskanzlei dann erfahren, dass es Vertragsverhandlungen zwischen Diwell und McKinsey liefen.
+++ Zahl des Tages. 61 Fragen gibt es laut dem Vorsitzenden des Hauptausschusses Frederic Verrycken (SPD) an Böhning. Bislang.
+++ Die Opposition hat da noch ein paar Fragen. Martin Delius (Piratenfraktion) will es noch mal genau wissen: "Warum McKinsey?" fragt er Böhning. Die Daten, über die die Firma laut dem Senatskanzleichef als besondere Leistung verfüge, seien doch "nichts Neues". Wohnungsbau, Kita-Plätze, Unterkünfte - alles Zahlen, die man sich aus Presseberichten herleiten könne, so Delius. Die Vergabe des Auftrags erschließe sich für ihn daher nicht.
+++ Von Diwell nix gewusst. Auf die Nachfrage, ob dem Senat vor der Auftragsvergabe an McKinsey eine mögliche Beteiligung Diwells bekannt geworden sei, bestreitet Böhning das ausdrücklich.
+++ Ausschuss hakt nach. Frage der Parlamentarier: „Wie erklärt der Senat die ungewöhnliche Vorgehensweise, dass die Vergabeentscheidung an McKinsey vor dem 5. Januar getroffen wurde, danach McKinsey über eine Beauftragung informiert wurde und erst dann über Eckpunkte des Auftrages gesprochen wurde?“ Antwort Böhnings: „In der Tat, eine ungewöhnliche Vorgehensweise, zu normalen Zeiten“. Aber er entschuldigt dies vor dem Hintergrund, dass es eben schnell gehen musste. "Am 5. Januar habe ich persönlich den Teamleiter von McKinsey informiert. Hier sehen Sie ja, dass wir unglaublich schnell zwischen den Jahren mit der Auftragsvergabe und dann auch mit der Arbeit losgelegt haben.“ Man hätte auch auf Ausgestaltung des schriftlichen Vertrages warten können. „Das erschien uns aber sachfremd“. Man würde sich normalerweise für einen Masterplan mehr Zeit nehmen.
+++ Pro bono heißt pro bono. Böhning erklärt, dass die McKinsey-Leute für den Pro-bono-Auftrag keine Aufwandsentschädigungen erhalten haben. Auch sei dieses Engagement nicht ausschlaggebend für die Vergabe des 238.000-Euro-Masterplans gewesen. Auch habe McKinsey bei der Pro-bono-Arbeit kein Fachwissen erwerben können, das ein Vorteil bei einem möglichen Folgeauftrag hätte sein können. Es gebe zudem keine weiteren Pro-bono-Tätigkeiten für den Senat.
+++ Sorry, Parlament. Er gebe ja zu, so sagt Böhning weiter, dass normalerweise der Hauptausschuss vor solchen Vergabe informiert werde. "Wegen der schnellen Vergabe konnten wir dieses Verfahren nicht einhalten." Dafür bitte er um Entschuldigung. Zwischenruf vom Grünen-Politiker Joachim Esser: "Die schlimmsten Dinge passieren immer zwischen Weihnachten und Neujahr". Böhning kontert unter Verweis auf die Parlamentsferien: Die reguläre Ausschusssitzung wäre frühestens am 27. Januar gewesen. Dass sein Haus nicht zu diesem Zeitpunkt, sondern erst Mitte Februar das Parlament über den McKinsey-Auftrag informiert habe, sei "ein Stück weit ein Versehen". Da sei etwas durchgegangen.
+++ Das große Rätsel Diwell. "Bis heute weiß ich nicht, wann der Vertrag von McKinsey und Herrn Diwell geschlossen wurde", sagt Böhning. Für mich war Ansprechpartner und Auftragnehmer McKinsey und niemand sonst."
+++ Der McKinsey-Auftrag. Böhning verteidigt weiter das Engagement von McKinsey. Die Beratungsfirma habe im Rahmen des humanitären Engagements Hilfe angeboten, pro bono „Diese Hilfe habe ich gerne angenommen“, sagt Böhning. Der Pro-bono-Vertrag sei allein für die Unterstützung des Landesweiten Koordinierungsstab Flüchtlinge (LKF) abgeschlossen worden. Als die nächste Aufgabe anstand, nämlich zu planen, wie die Flüchtlinge zu integrieren sind, sei deutlich geworden, dass McKinsey das einzige Unternehmen ist, das hier die Beratung leisten kann. Es seien die Zahlen notwendig gewesen, und McKinsey hätte über diese verfügt. Deshalb sei die Vergabeentscheidung am 28. Dezember für den nächsten Auftrag gefallen, sagt Böhning.
+++ Alleingang der Senatskanzlei? „Hier hat man den Eindruck, dass ein Interesse dran bestand, das Gequatsche der anderen Senatsverwaltungen aus der Angelgenehit rauszuhalten“, sagt Steffen Zillich von der Linksfraktion. Das zeige die Reaktion von Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD), wonach sie die fachliche Einschätzung der externen Berater nicht brauche.
+++ Opposition widerspricht. Nicole Ludwig, haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, gibt Böhning kontra. Die freihändige Vergabe des Auftrags sei nach ihrer Sicht nicht durch das Haushaltsrecht abgedeckt. Und: "Es ist ja nicht so, dass Ex-Staatssekretäre nie wieder arbeiten dürfen. Aber es ist nötig, für größtmögliche Transparenz zu sorgen, damit nicht der Eindruck von Vetternwirtschaft entsteht. Aber genau das ist geschehen."
+++ Böhning verteidigt Auftrag. In seinem Eingangsstatement bestreitet Böhning, dass es Filz bei dem Auftrag an McKinsey und Diwell gegeben habe. "Wir haben eine Direktvergabe gemacht, das sieht das Haushaltsrecht vor." Er verwies auf die angespannte Lage am Lageso: "Wir hatten bis vor wenigen Wochen eine Situation am Lageso, bei der tausende Menschen auf ihre Registrierung warteten. Dafür hat sich der Senat Hilfe geholt, da die Verwaltung nicht mehr in der Lage war, diese Dinge zu bewältigen." Die Senatskanzlei habe ganz bewusst ressortübergreifend Aufgaben übernommen und an sich gezogen, um alles zu beschleunigen.
+++ Die Sitzung beginnt. Björn Böhning steht im Sitzungsaal des Hauptausschusses im Abgeordnetenhaus und wartet aber erst einmal geduldig, bis die Presse genug Fotos von ihm gemacht hat. Er ist heute ganz klar die Person der Stunde. Zur Erinnerung: Der Masterplan wurde unter seiner Koordination erstellt. Eine Chronik der Ereignisse bis heute lesen Sie hier.
+++ Andrang im Abgeordnetenhaus. Der Sitzungsaals im Parlament füllt sich - das Interesse der Öffentlichkeit am Auftritt des Senatskanzleichefs ist groß. Die Pressetribüne ist vollbesetzt, und es darf live gefilmt werden. Aufnahmen sind in der Regel nur auf Anfrage und am Beginn der Ausschusssitzungen üblich.