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Kultursenator Klaus Lederer (l-r, Die Linke), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen) und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).
© Paul Zinken/dpa

100 Tage neuer Senat in Berlin: Der Alltag wird Rot-Rot-Grün bald einholen

Das bisschen Frieden, das sich nach dem Rumpelstart im Berliner Senat eingestellt hatte, lag vor allem in Wohltaten begründet - und damit wird bald Schluss sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Es konnte nur besser werden nach den Chaostagen, als der Stasi-Streit um Andrej Holm jede Aufbruchstimmung zunichte machte. Das 100-Tage-Programm des Senats zielte am Jahresbeginn auch darauf, die Stimmung zu biegen. Der Neustart glückte, weil bislang vor allem Wohltaten verkündet wurden.

Aber der Senat hat auch angepackt. Das Bündnis kann darauf verweisen, einen Nachtragshaushalt verabschiedet, Mietsteigerungen im sozialen Wohnungsbau gekappt, Flüchtlinge aus den Turnhallen geholt und ein riesiges Programm für Gebäudesanierung und Infrastruktur auf den Weg gebracht zu haben. Vor allem Letzteres hat der Koalition das Wohlwollen der Wirtschaft gesichert.

Bislang funktioniert das Bündnis ziemlich reibungslos. Konflikte vorausschauend zu entschärfen und sich darüber klar sein, welche Themen den Partnern zwecks Profilierung wichtig sind, ist in dieser Konstellation zentral wichtig. Fühlen sich Parteien zurückgesetzt, summieren sich Verletzungen, bis man sich an vergleichsweise kleinen Problemen zerstreitet.

Dazu gehört auch, den Partnern nicht die Butter vom Brot zu nehmen, wie es etwa SPD-Innensenator Andreas Geisel tat, als er die der Linkspartei besonders am Herzen liegende Einführung eines Sozialtickets vorab verkündete. Es ist vor allem am Regierenden Bürgermeister, auf diese Balance zu achten. Unbedingte Nachgiebigkeit bedeutet das nicht; wer führt, muss Grenzlinien aufzeigen. Damit tut sich Michael Müller noch schwer.

Volksbühnen-Kritik von Wowereit, Tegel-Druck von der FDP

So ruhig wie derzeit aber bleibt es nicht für Rot-Rot-Grün. Die aufschießenden Emotionen beim Radverkehrsgesetz, bei neuen Busspuren oder einer teureren Parkvignette lassen ahnen, wie ruppig es noch werden könnte. Dass ausgerechnet der Ex-Regierende Klaus Wowereit seinem Nachfolger unverblümt Versagen bei der Volksbühnen-Nachfolge bescheinigte, ist eine Warnung, dass es auch aus unverhoffter Richtung kommen kann. Die Koalition hatte Glück, dass Zweckentfremdungsverbot und Mietspiegel von den Gerichten bestätigt wurde; alles andere hätte der mieterfreundlichen Koalition massive Probleme beschert.

Dazu kommt, dass die CDU als größte Opposition geschwächt und mit sich selbst beschäftigt ist und die Landeschefin Monika Grütters sich schwer tut, auf Angriff zu setzen. Als wahre Opposition profiliert sich die FDP mit dem Tegel-Volksbegehren. Nur auf die Rechtslage hinzuweisen, nach der die BER-Öffnung zwingend mit dem Tegel-Aus gekoppelt ist, reicht als Reaktion nicht.

Wenn die SPD weiter schläft, werden die Genossen bei der Bundestagswahl abgestraft. Auch das Schulsanierungsprogramm birgt viele Tücken. Die gigantische Summe von 830 Millionen Euro noch für 2017 bereit zu stellen, bedeutet nicht, dass dies Geld auch verbaut wird. Dazu fehlen Fachleute im Amt und bauwillige Firmen – und auch die Aufgabenteilung zwischen Bezirken und Senatsverwaltung ist bislang nur ein papierner Plan.

Aus den lichten Höhen der Ankündigung wird es alsbald in die Tiefen des Alltags gehen. Dort, wo strukturelle Mängel wie fehlendes Personal und die Hemmkräfte der zweistufigen Verwaltung zwischen Bezirken und Senat jede gute Idee auch schnell schreddern können. Entscheidend ist deshalb nicht das 100-Tage-Programm, sondern das, was in 1000 Tagen davon realisiert worden ist.

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