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Staaken, 1980. Das Buch zeigt aber nicht nur ganz alte Aufnahmen, sondern auch wenige Ausgewählte aus der jüngeren Vergangenheit - wie dieses von der Grenzkontrollstelle in Staaken, die bis 1982 auch von Radfahrern genutzt werden durfte. Das Bild haben wir dem Buch "Spandau bei Berlin in alten Bildern" (Sutton Archiv, 2016) entnommen.
© promo

Deutsche Einheit in Berlin-Spandau: Der 3. Oktober 1990: Als Sekt floss im vereinten Staaken

"Was ist schon das Brandenburger Tor gegen Staaken?" Der Ort war geteilt, gehörte zu West-Berlin und zur DDR. Erinnern Sie sich? Ein Blick ins Archiv.

Bei diesem Ort startet das Kopfkino: Staaken. Ein Synonym für die olle Grenzkontrollstelle, deren Spuren noch heute zu sehen sind an der Heerstraße. Staaken war geteilt - hier Westen, da Osten, auf beiden Seiten ein Name. Staaken war der Anfang vom Urlaub, das Ende von West-Berlin.

Staaken: Das waren Vopos, Scheinwerfer, dahinter die Ödnis des Havellandes in der DDR. Oder andersrum: Vopos, Scheinwerfer, dahinter die Plattenbauten in West-Berlin.

"Du hältst in Staaken und wartest auf deine Ausreise aus der DDR"

"Du hältst in Staaken, einem geteilten westlichen Vorort von Berlin, und wartest wieder einmal auf deine "Ausreise" aus der DDR nach West-Berlin. Weil dieser Kontrollpunkt mitten in einer Ortschaft liegt, die trotz des Schnitts auf beiden Seiten lebt, ist das Warten weniger langweilig als anderswo", schrieb in den 80ern Günter Mathes, legendärer Berlin-Chef beim Tagesspiegel in seiner Kolumne "Am Rande bemerkt". Sein Autorenkürzel -thes war allen Lesern ein Begriff.

Dieses Staaken, das er da beschrieb, wurde bald Geschichte. Am 3. Oktober 1990 war Wiedervereinigung - auch für West-Staaken. Seit jenem Tag gehört es wieder zu Spandau, zu Berlin, zum anderen Teil Staakens.

"Was ist schon das Brandenburger Tor gegen den Torweg?", sprach der große Bezirksbürgermeister Bürgermeister Werner Salomon in jener Oktober-Nacht 1990 und hob den Sektbecher. Salomon hatte schon zu DDR-Zeiten eine Städtepartnerschaft mit Nauen abgeschlossen, jetzt feierte er draußen in Staaken die Wiedervereinigung.

Der Tagesspiegel schrieb über jene Nacht am 3. Oktober: "Auf dem Torweg, dem ehemals tristen Niemandsland der Grenze, vermischten sich bunte Wessis und graue Ossis zum fröhlichen Konsum. Vom nationalen Überschwang war nichts zu spüren. Zwei junge Krankenschwestern aus dem Kreiskrankenhaus Staaken sind wegen des Feuerwerks gekommen. Sie fühlen sich von den Wessis als "absolut dämliche Menschen zweiter Klasse" betrachtet und halten trotzig dagegen: »Wir sind mindestens genauso intelligent wie eure Leute." Es war offenbar ein etwas merkwürdiges Fest.

Für die meisten Bewohner von West-Staaken war unstrittig: Die Ortschaft sollte wieder zu Berlin gehören. Bei einer Abstimmung nach einer Diskussion um die Wiedervereinigung Staakens stimmten alle Teilnehmer 1990 dafür. "Die Bürger erhoffen sich davon einen schnellen wirtschaftlichen Aufschwung", berichtete der Tagesspiegel wenige Tage vor der Wiedervereinigung. Spandaus Bürgermeister verwies darauf, dass für den Integrationsprozess ein Planungsstab in Spandau eingerichtet wurde.

West-Staaken wird wichtig für Wohnungsbau und Industrie 

Noch einen Schritt weiter ging der Finanzdezernent des Kreises Nauen, Röcker, der die Angliederung der 4,5 Millionen Quadratmeter "eine einseitige Landnahme Berlins" nannte. Für den Landkreis Nauen sei Staaken mit seinen 4007 Einwohnern die potentiell reichste Gemeinde gewesen. Der bevorstehende Anschluss an Berlin würde zu einer Strukturschwächung der Nauener Region beitragen.

Für die neuen Alt-Staakener, die nun Berliner waren, interessierte sich auch bald die große Politik. Anfang der 90er sprachen die beiden Spitzenkandidaten, der Volksbildungsstadtrat Sigurd Hauff (SPD) und der CDU-Kreisvorsitzende und Bezirksverordnete Konrad Birkholz, über die Zukunft Spandaus. Hauff sagte: "West-Staaken wird wichtiger Standort für Wohnungsbau und Industrieansiedlung." Und Birkholz vertrat die Auffassung: "Spandau muss die Chancen, die sich mit der Wiedervereinigung und dem Parlaments- und Regierungssitz Berlin ergeben, jetzt nutzen. Wenn Spandau den Anschluss verpasst, ziehen Unternehmen ins Umland, und der Bezirk guckt in die Röhre."

Deshalb - so schrieb der Tagesspiegel - "sollte rasch die S-Bahn wieder nach West-Staaken und Falkensee fahren" (was daraus wurde im Jahr 2016, dürfte bekannt sein - heute fährt die S-Bahn immer noch nicht, aber über eine U-Bahn wird diskutiert).

"Wir sind Orientierungspunkt für das Ost-Havelland"

Die "unterbrochenen Verkehrswege" müssten wiederhergestellt, neue Verbindungen - vor allem in Nord-Süd-Richtung - geschaffen werden (Birkholz). Große Hoffnungen wurden auch auf den geplanten Fernbahnhof an der Klosterstraße gesetzt, der dann wenige Jahre später auf dem Güterbahnhof entstanden ist. Allerdings gab es bei diesem Projekt unterschiedliche Vorstellungen, wie die Umgebung auszusehen habe: "Kein Klein-Manhatten", verlangte Birkholz und spielt auf die bezirkliche Planung an, die Hochbauten vorsieht aber zu wenige Parkplätze zur Entlastung der Altstadt. Später entstanden dort die Arcaden.

Sigurd Hauff sieht kommen, dass Spandau ein Verkehrszentrum wird, Einzugsbereich für Oranienburger und Potsdamer. Dem müsse rechtzeitig Rechnung getragen werden: "Wir sind zwar Berliner Außenbezirk, gleichzeitig aber Orientierungspunkt für das Osthavelland. Deshalb gilt für ihn, dass das lebens- und liebenswerte Spandau auch weiterhin attraktiv bleiben muss. Die Spandauer sind kein revolutionäres Völkchen, aber sie bestehen auf Beständigkeit."

Und das erste, was man sieht von Spandau - bzw. Berlin - , das ist nun mal Staaken: das gilt auf B5, aus dem ICE, beim Landeanflug auf Tegel.

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