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Der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen).
© Britta Pedersen/picture alliance/dpa

Untersuchungsausschuss zur „Diese eG“: Deckung für Baustadtrat Schmidt – Grüne wollen auf letzten Metern Änderungen

Am Mittwoch befindet der Hauptausschuss über den U-Ausschuss zur „Diese eG“. Entgegen parlamentarischer Gepflogenheiten wollen die Berliner Grünen Änderungen.

Am Mittwoch soll der Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses noch einmal über den Untersuchungsausschuss zur Vorkaufsaffäre um die Genossenschaft „Diese“ und den Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg (Grüne) befinden.

Eigentlich ist es eine Formalie. Schließlich hat der fachlich zuständige Rechtsausschuss kürzlich erst den Einsetzungsantrag von CDU und FDP ohne Änderungen bestätigt.

Überlegungen der Grünen, noch Änderungen vorzunehmen, sind innerhalb der rot-rot-grünen Koalition abgeblockt worden. Zudem hatte ein von CDU und FDP veranlasstes Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes bestätigt: Der Untersuchungsauftrag erlaube es, auch die Vorgänge im Bezirksamt und bei der „Diese eG“ zu prüfen.

Den parlamentarischen Gepflogenheiten zufolge gibt es also keine Bedenken, der zuständige Fachausschuss trägt die Einsetzung mit. „Es liegt eine Beschlussempfehlung des Ausschusses Recht vom 13. Januar 2021 vor, den Antrag anzunehmen“, heißt es in der Tagesordnung des Hauptausschusses.

Doch die Grüne-Fraktion will sich damit nicht abfinden, schließlich geht es um Vorgänge, für die prominente Vertreter der Partei verantwortlich waren: Neben Schmidt, der nicht nur Wahlbeamter, sondern auch selbsternannter Aktivist ist, wäre da auch Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann. Sie will bei der Wahl im September ins Abgeordnetenhaus kommen.

Grüne wollen Änderungen

Doch die Grüne-Fraktion will im Hauptausschuss – entgegen der Gepflogenheiten – nun doch noch Änderungen am Einsetzungsbeschluss vornehmen. Dabei hätte sie das eigentlich längst im Rechtsausschuss tun müssen. Die nun von den Grünen nachgereichten Fragen dienen vor allem dazu, Schmidt und sein riskantes Vorgehen zu entlasten.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grüne-Fraktion, Daniel Wesener, will nach Tagesspiegel-Informationen im Hauptausschuss den Antrag von CDU und FDP um mehrere Fragen ergänzen lassen.  

Daniel Wesener, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grüne-Fraktion in Berlin.
Daniel Wesener, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grüne-Fraktion in Berlin.
© Grüne Fraktion

Dabei dreht es sich etwa um Statistiken, wie oft und für wie viele Wohnungen der Verkauf in Milieuschutzgebieten abgewendet worden ist, weil die Eigentümer sogenannte Abwendungsvereinbarungen unterzeichnet haben – oder aus welchen Gründen sie es nicht getan haben. Auch soll es nach dem Willen der Grünen darum gehen, ob der Senat den Bezirken mit Vorhaben und Geldern bei den Vorkäufen geholfen hat.

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Schließlich soll es darum gehen, ob Baustadtrat Schmidt sich auf Zusagen von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) vertrauen durfte, dass der Senat finanziell einspringt, obwohl der dafür nötige Beschluss des Abgeordnetenhauses noch nicht vorlag.

Rechnungshof attestierte Schmidt „pflichtwidriges Ausüben von Vorkaufsrechten“

Der Berliner Rechnungshof hatte in seinem Jahresbericht Schmidt ein „pflichtwidriges Ausüben von Vorkaufsrechten“ beim Erwerb von sechs Miethäuser attestiert. Weil Schmidt die fehlende Finanzkraft der „Diese eG“ unzureichend geprüft und damit gegen das Baurecht verstoßen habe, seien dem Bezirk ein Haftungsrisiko in Höhe von 27 Millionen Euro und Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 270.000 Euro entstanden.

Monika Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen), Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg.
Monika Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen), Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg.
© Christoph Soeder/dpa

Die im Frühsommer 2019 gegründete „Diese eG“ hatte sich durch den Kauf mehrerer Häuser, sechs in Friedrichshain-Kreuzberg und eines in Tempelhof, finanziell übernommen und stand vor der Insolvenz.

Obwohl die Genossenschaft noch keine tragfähige Finanzierung vorlegen konnte, etwa Landesgelder ohne verbindliche Zusage eingeplant hatte, bekam sie den Zuschlag. Dabei hatten selbst landeseigene Wohnungsgesellschaften den Kauf der Immobilien wegen fehlender Wirtschaftlichkeit abgelehnt.

Der Senat musste mit 20 Millionen Euro einspringen

Am Ende fehlte der „Diese eG“ das Geld, um für zwei Häuser die fälligen Summen zu überweisen, in einem Fall musste eine andere Genossenschaft einspringen. Das Bezirksamt blieb auf den Verlusten sitzen – 270.000 Euro.

In fünf Fällen übte das Bezirksamt das Vorkaufsrecht aus, obwohl die Genossenschaft bereits einen Zuschuss des Landes in ihrem Finanzplan vorgesehen hatte, für den es noch gar keine rechtliche Grundlage gab. Der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses hatte zu dieser Zeit auch noch gar keine Fördergelder für Genossenschaften für Vorkäufe beschlossen.

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Um das Geschäftsmodell der geretteten Genossenschaft trotz Staatsgeld überhaupt tragfähig zu machen, erlaubte der Senat schon vor Inkrafttreten des Mietendeckels Ausnahmen – ja sogar einen Anstieg der Mieten in den sieben Miethäusern. Schließlich setzte der Senat eine Förderrichtlinie für Genossenschaften auf, damit diese beim Vorkaufsrecht finanziell unterstützt werden können – ausdrücklich mit Bezug auf die „Diese eG“. Es handelt sich um eine Lex „Diese eG“.

Und es gab vom Senat noch weitere Einflussnahmen. Für Zuschüsse des Landes und Darlehen der Förderbank IBB wurden die Richtlinien aufgeweicht. Es geht um mehr als 20 Millionen Euro, um die bezirklichen Vorkaufsfälle abzusichern. Die IBB wollte angesichts der dürftigen Finanzen der Genossenschaft kein Geld in das Projekt pumpen. Dann wurde auf Druck des Senats die Förderung auf die Genossenschaft zugeschnitten.

Es geht auch um die Verantwortung von Senatsmitgliedern

Die Opposition sieht deshalb Senatsmitglieder ebenfalls in der Verantwortung. Am Zuschnitt der Förderung auf die Genossenschaft waren drei Senatoren beteiligt: Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und der heutige Bausenator Sebastian Scheel (Linke).

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CDU und FDP gehen mit ihrem Entwurf für einen Einsetzungsbeschluss weit über das Verschulden von Baustadtrat Schmidt hinaus. Die beiden Oppositionsfraktionen nehmen auch vier Regierungsmitglieder ins Visier: Finanzsenator Matthias Kollatz, Innensenator Andreas Geisel (beide SPD), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und Bausenator Sebastian Scheel (Linke).

Kollatz, Pop und besonders Scheel als vormaliger Baustaatssekretär stehen ohnehin im Verdacht, dass sie mit Steuergeld, Eingriffen in Fördervorgaben und angepassten Analysen zur Wirtschaftlichkeit die „Diese eG“ vor der Insolvenz und die Vorkaufspraxis unter Rot-Rot-Grün vor einem Desaster retten wollten.

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