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Hat mit seinem Vorstoß in Sachsen Zuzugsstopp eine Debatte ausgelöst: Der CDU-Abgeordnete Christian Gräff.
© Taylan Gökalp/dpa

Heftige Reaktionen auf Gräff-Vorschlag: Debatte um Zuzugsstopp rüttelt Berliner CDU durcheinander

Soll Berlin weiteren Zuzug verbieten? Der Vorschlag des CDU-Abgeordneten Christian Gräff sorgt für Wirbel – auch in der eigenen Partei.

Bis zum Mittwochabend war die Position der Berliner CDU beim Thema Wachstum der Stadt eindeutig: „Bauen, bauen, bauen“ lautete die Devise und wurde nahezu mantraartig wiederholt, zuletzt auf einem eigens einberufenem Baugipfel der Abgeordnetenhausfraktion. Zu Passe kam der Partei dabei das Vorgehen von Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke). Sie wurde angesichts der seit Jahren unter der eigenen Zielmarke von 20000 Wohnungen pro Jahr bleibenden Fertigstellungszahlen beim Wohnungsneubau von CDU-Politikern als "Nicht-Bausenatorin“ bezeichnet.

„Ich glaube, dass wir hier einen Zuzugsstopp brauchen“

Einer der lautstärksten Vertreter des CDU-Kurses bislang: Der baupolitische Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion, Christian Gräff. Umtriebig und mit dem Gespür für das Setzen von Botschaften ausgestattet, gab er der ansonsten hinter den Möglichkeiten des Oppositionsführers zurückbleibenden CDU-Fraktion ein Gesicht bei dem Thema der Stadt. Gräff, Landesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU in Berlin, gilt als Fachmann, war vor seinem Einzug ins Parlament zehn Jahre lang Wirtschaftsstadtrat in Marzahn-Hellersdorf.

Umso überraschender, dass ausgerechnet er am Mittwochabend im Gespräch mit dem "RBB" die Linie verließ. Im Live-Interview erklärte Gräff: „Ich glaube, dass wir hier einen Zuzugsstopp brauchen.“ Zwar begründete er seine Forderung damit, der rot-rot-grüne Senat würde keine zusätzliche Infrastruktur für die jährlich rund 40.000 neu in die Stadt kommenden Einwohner schaffen, worunter vor allem die Berliner leiden würden. Im Jahr 30 nach Mauerfall war die Assoziation zum auch physischen Abschotten der Stadt da aber längst gemacht.

Es folgten zum Teil heftige Reaktionen der Politik. Neben dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) äußerten sich auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und deren Amtskollege Dirk Behrendt (beide Grüne). Auch von den Oppositionsparteien AfD und FDP kam teils heftige Kritik, was einem geschlossenen Auftreten der Opposition gegenüber der in mehreren Politikfeldern unter Druck stehenden Koalition nicht dienlich sein dürfte.

In der Wortwahl überraschend und auch von einzelnen Mitgliedern der Fraktion intern kritisiert: Die unverzügliche Abgrenzung führender Christdemokraten von Christian Gräff. Sowohl Landeschef Kai Wegner als auch Fraktionschef Burkard Dregger sowie Generalsekretär Stefan Evers distanzierten sich umgehend und deutlich von ihrem Parteifreund, bezeichneten dessen Aufschlag als „Einzelmeinung“, die in der Partei „niemand sonst“ teile.

Gräff bedauert „Irritationen“

Gräff, der Tagesspiegel-Informationen zufolge bereits am Mittwochabend aus der Parteispitze heraus zu einer Relativierung seiner Aussagen aufgerufen worden war, reagierte am Vormittag. Auf Twitter schrieb er: „Ich mache Fehler und ertrage Diskurs, dass mit der Mauer zurück haben wollen geht nicht!“ Später am Tag verfasste er eine Mail an die Mitglieder der CDU-Fraktion. Darin äußerte er sein Bedauern über die entstandenen „Irritationen“ und erklärte: „Mir ging es einzig und allein darum, auf zugespitzte Weise die eklatante Ignoranz und das Versagen von Rot-Rot-Grün bei den Themen Wohnungsbau, Bildung und Infrastruktur zu thematisieren.“

Unklar bleibt, welche Folgen der Vorgang auf die CDU-Fraktion haben wird. Hinter vorgehaltener Hand wird die Kritik an Gräff als „ausgesprochen unfair“ kritisiert. Fraktionschef Dregger wolle Stärke zeigen, hieß es weiter. Ein anderes Fraktionsmitglied bezeichnete die Distanzierungen der  CDU-Spitze von Gräff als „absolut notwendig“. Dregger wiederum veröffentlichte am frühen Nachmittag eine Pressemitteilung angesichts des vom Statistischen Landesamt aufgezeigten Rückgang der Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen um 10,6 Prozent im zweiten Quartal des laufenden Jahres. Co-Autor der gemeinsamen Erklärung: Christian Gräff.

Robert Kiesel

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